Arbeiter:innenmacht-Flugblatt, Infomail 1265, 4. Oktober 2024
Israel führt seit einem Jahr einen völkermörderischen Krieg gegen die Bevölkerung von Gaza und in der Westbank, der auf die Vertreibung und Zerstörung der palästinensischen Nation zielt. Nun ergreift der Krieg den Libanon und auch den Iran.
Der vielbeschworene Flächenbrand wird zur Wirklichkeit. Wir stehen am Beginn einer Bodeninvasion und „begrenzten“ Besetzung Libanons, ein Krieg gegen den Iran droht.
Das Andenken und die Trauer über die Opfer des 7. Oktober werden genutzt, um einen grausamen Genozid zu rechtfertigen, immer wieder vier weitere Staaten zu bombardieren, Millionen zur Flucht zu zwingen und den Tod Zehntausender zu legitimieren. Die Regierung und die Medien rechtfertigen diese Barbarei und zeigen damit, wie eng Krieg und Vertreibung mit den Interessen des westlichen Imperialismus verbunden sind.
Seit 7. Oktober 2023 haben wir es mit einer systematischen Eskalation der Lage zu tun, die vom israelischen Staat ausgeht und von seinen internationalen Verbündeten – mal offen, mal mit einigen „humanitären“ Mahnungen – unterstützt wird.
Diese Eskalation hat mehrere, miteinander verbundene Ursachen:
Erstens sieht der rechtsextreme, in Teilen faschistische Flügel der Regierung seine Chance, eine vollständige Säuberung Palästinas durchzusetzen. Er setzt bewusst auf Eskalation und Aggression gegen Iran, Jemen, Libanon oder Syrien, um trotz einer großen Protestbewegung gegen Netanjahu die reaktionäre Einheit unter dem Banner der „Verteidigung Israels“ herzustellen. Seit Jahren zeigt sich dabei: Solange die jüdische Arbeiter:innenklasse Israels mit dem rassistischen Zionismus nicht bricht, ist sie unfähig, der Rechten Paroli zu bieten, bleibt sie politisch ohnmächtig, toleriert oder unterstützt gar die pogromistische Politik.
Zweitens stehen die westlichen imperialistischen Verbündeten Israel zur Seite, obwohl sie ein moderateres Vorgehen gegen die Palästinenser:innen bevorzugen würden. An allen wichtigen Wendepunkten unterstützen sie es, zu keinem Zeitpunkt wurde die politische, finanzielle und militärische Unterstützung in Frage gestellt. So blockieren sie UN-Resolutionen, liefern Waffen und setzen ihre Marine und Luftwaffe gegen Iran, die Hisbollah und Huthi ein.
Drittens beschränken sich die meisten Staaten des Nahen Ostens – Saudi-Arabien und Ägypten, aber auch Katar und die Türkei – auf Protestresolutionen gegen die zionistische Aggression. Zugleich bieten sie sich als Vermittler:innen für den Imperialismus und Israel an. Eine ähnliche Rolle spielen China und Russland, die zwar auf eine „Mäßigung“ Israels drängen, aber die imperialistische Ordnung letztlich nicht in Frage stellen. Selbst der Iran and die Hisbollah wollen einen Waffengang mit Israel vermeiden und haben daher bisher alle Gegenschläge gegen dessen Aggression beschränkt. Für alle diese Kräfte spielt das Schicksal der Palästinenser:innen bestenfalls eine ihren eigenen Zielen untergeordnete Rolle.
Trotz dieser ungünstigen internationalen Verhältnisse leisten die Massen in Gaza und der Westbank bis heute heroischen Widerstand gegen Besatzung und Vertreibung. Aber sie stehen angesichts der Offensive scheinbar übermächtiger Gegner:innen mit dem Rücken zur Wand.
Die drohende Katastrophe ist jedoch auch Resultat der Politik der palästinensischen Führungen. Seit Jahrzehnten fungieren die Palästinensische Autonomiebehörde und die Fatah faktisch als verlängerter Arm der Besatzung, der EU und USA.
Die Führung der islamistischen Hamas erweist sich auch als reaktionäre Sackgasse. Sie setzte über Jahre auf die sog. „Achse des Widerstandes“, ein Bündnis zwischen Hisbollah, Syrien, Iran, deren Hauptkräfte im Bündnis mit Russland vor allem die syrische Revolution bekämpften und das Assad-Regime retteten.
Die Hamas, aber auch die Hisbollah und andere bürgerliche und dschihadistische nationalistische Führungen verfolgen ein reaktionäres Ziel – die Errichtung eines kapitalistischen und islamisch-palästinensischen Staats. Dieses Vorhaben erleichtert nicht nur die Dämonisierung der Hamas und des palästinensischen Volkes, es ist auch den Interessen der Massen an umfassender Befreiung von nationaler und sozialer Unterdrückung direkt entgegensetzt und vollkommen ungeeignet, die Einheit der Arbeiter:innen und Bäuer:innen im Nahen Osten gegen Zionismus, Imperialismus und Kapitalismus herzustellen.
Trotz dieser grundlegenden Differenzen unterstützen wir bedingungslos den Befreiungskampf und das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes, sein Recht, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Wir rufen die Jugend, die Arbeiter:innen und die unterdrückten Massen, die antizionistischen arabischen und jüdischen Aktivist:innen in den Vereinigten Staaten, in Europa, im Nahen Osten, im Maghreb und in der ganzen Welt auf, ihre Mobilisierung zu verstärken. Die erste Aufgabe der revolutionären Kommunist:innen besteht darin, die größtmögliche Aktionseinheit gegen den Völkermord und in Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu fördern. Das gilt auch für das libanesische Volk, das heute von Israel angegriffen wird, sowie allen anderen Zielen der zionistischen und imperialistischen Aggression.
Es gab, gibt und wird keinen gerechten und dauerhaften Frieden im Nahen Osten geben, solange die Unterdrückung durch den zionistischen Staat Israel, der als proimperialistischer Gendarm fungiert, anhält. Auch nicht mit der gescheiterten Zwei-Staaten-Politik, die der Imperialismus und seine Verbündeten wiederherzustellen versuchen, und auch nicht mit einem kapitalistischen und islamistischen palästinensischen Staat. Um eine fortschrittliche Rolle zu spielen, müssen die israelische Arbeiter:innenklasse und Jugend mit dem Zionismus brechen, seinen Krieg ablehnen und den palästinensischen Befreiungskampf unterstützen. Frieden wird nur möglich sein, wenn der unterdrückerische israelische Staat durch ein einheitliches, säkulares, demokratisches und sozialistisches Palästina im Rahmen einer regionalen sozialistischen Revolution ersetzt wird.
Die bedingungslose Solidarität mit Israel wird nicht nur zur Staatsräson verklärt, der deutsche Staat und die Regierung agieren auch wie eine Kriegspartei. Die Bundesrepublik ist zweitgrößter Waffenlieferant Israels und hält dessen Kriegsmaschinerie mit am Laufen. Die Regierung und sämtliche bürgerlichen Parteien und Medien hetzen gegen jede Solidarität mit Palästina, verbreiten Rassismus gegen Palästinenser:innen, Muslim:innen und Migrant:innen. Und der Repressionsapparat führt aus – mit Verboten von Demos, Vereinen und Kongressen, Schikanen, willkürlichen Festnahmen, Berufsverboten und Abschiebungen.
Die SPD-Spitzen, ihre Leitungsgremien und die Gewerkschaftsspitzen machen dabei willfährig mit. „Bestenfalls“ sagen sie nichts. Das BSW ist zwar für „Frieden“, fordert aber zugleich mehr Abschiebungen und forciert den antimuslimischen Rassismus. DIE LINKE will den Rechtsruck bekämpfen und das Asylrecht verteidigen, weiß aber nicht, ob sie sich mit Palästina oder doch mit Israel solidarisieren soll.
Auch in der Linken und Arbeiter:innenklasse stehen wir somit mächtigen Hindernissen gegenüber, eine starke Solidaritätsbewegung aufzubauen. Dennoch demonstrieren seit einem Jahr tausende Aktive regelmäßig, organisieren Besetzungen, Demonstrationen, Kongresse und Veranstaltungen. Auch wenn wir gegen den Strom der (ver)öffentlich(t)en Meinung schwimmen müssen, lassen wir uns nicht entmutigen.
Wir müssen weiter daran arbeiten, die Lügen der Herrschenden zu entlarven, um einen Stimmungsumschwung in der Arbeiter:innenklasse, insbesondere in den Gewerkschaften herbeizuführen, um eine breite Solidaritätsbewegung aufzubauen. Dazu brauchen wir klare Forderungen, die wir auch gegen die deutsche Politik richten müssen:
Wir rufen Gewerkschaften, Beschäftigte und die Bevölkerung dazu auf, Waffenlieferungen aus Deutschland zu stoppen. Wir fordern die Gewerkschaften auf, dem Aufruf ihrer palästinensischen Schwesterorganisationen zu folgen und eine international koordinierte Kampagne gegen das Morden zu organisieren. Lasst uns jegliche Rechtfertigung und Unterstützung des Genozids durch Streiks, Blockaden und Besetzungen stoppen!