Programm des Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1264, 23. September 2024
Volkskanzler Kickl? Oder doch der „Österreichplan“ der Nehammer-ÖVP? Völkischer oder „christlich“ geführter Rechtsruck – das scheint die Alternative bei den Nationalratswahlen.
Eine Neuauflage der blau-schwarzen oder schwarz-blauen Regierung droht mit allem, was dazugehört: Rassismus, Abschiebungen, Abschottung, Angriffen auf demokratische Rechte, imperialistische Außenpolitik und bedingungsloser Unterstützung des Genozids in Gaza, massivem Sozialabbau, weiteren Privatisierungen und Abwälzung der Kosten der Rezession auf die Arbeiter:innenklasse, Jugendliche und Pensionist:innen, Geflüchtete und Migrant:innen, Frauen und LGBTQIA-Personen.
Für die Masse der Bevölkerung und vor allem für die unterdrücktesten, entrechtetsten Teile der Lohnabhängigen wäre eine solche Regierung eine Katastrophe. Wir müssen uns daher schon jetzt darauf vorbereiten, wie wir den Widerstand gegen die Angriffe einer FPÖVP-Regierung entfalten, auf die Straße und in die Betriebe tragen.
Und wir müssen uns zugleich vor Illusionen in die Formierung einer Anti-Kickl-Koalition hüten. Grüne, NEOS (Das Neue Österreich und Liberales Forum) und Bierpartei versprechen ein bürgerliches Krisenmanagement mit sozialem Anstrich – und halten sich als Mehrheitsbeschaffer:innen einer ÖVP-geführten Regierung bereit. Darin besteht letztlich auch die „linke“ Alternative einer Babler-SPÖ und der Gewerkschaften, die am Rockzipfel der ÖVP wieder einmal „noch Schlimmeres“ verhindern wollen.
Diese über Jahrzehnte eingeübte Politik des „geringeren“ Übels, der Klassenzusammenarbeit auf allen Ebenen, der immer kleiner gewordenen „Großen Koalitionen“, der Anbiederung an die ÖVP und, im Extremfall Burgenland, gar an die FPÖ hat letztlich immer das größere Übel hervorgebracht – Rechtsruck und Sozialabbau, Militarisierung, Rassismus und imperialistische Außenpolitik im Fahrwasser der EU und Deutschlands. Sie hat die FPÖ gestärkt, nicht geschwächt.
Die Sozialpartner:innenschaft führte zur Unterordnung der Gewerkschaften und der Lohnabhängigen unter das Kapital, die Koalitionspolitik der SPÖ zur Unterordnung unter ihre bürgerlichen „Partner:innen“. So konnte sich die FPÖ über Jahrzehnte als scheinbar einzige „Opposition“ gegen den Verrat durch Sozialpartner:innenschaft, gegen die Freunderlwirtschaft und Korruption, gegen die „Elite“ aufspielen und all das mit rassistischer Hetze, Klimaleugnung, reaktionärer Impfgegner:innenschaft und Sexismus verknüpfen.
Wenn wir Rechtsruck und Sozialabbau, Kickl, Nehammer und Kumpan:innen stoppen wollen, brauchen wir auch einen Bruch mit allen Spielarten bürgerlicher Politik – einschließlich ihrer grünen und liberalen Varianten. Und wir brauchen auch einen Bruch mit der sozialpartnerschaftlichen Politik der SPÖ und der bis heute aufs Engste mit ihr verbundenen Spitzen von Gewerkschaften und Arbeiter:innenkammern.
Dazu reicht aber bloße Kritik nicht. Wir fordern von den Gewerkschaften und der SPÖ, vor allem aber von allen linken Sozialdemokrat:innen und kämpferischen Betriebsrät:innen und Gewerkschaftsfunktionär:innen: Schluss mit dieser Politik! Lasst uns gemeinsam eine Bewegung gegen die nächste Regierung und die Angriffe der Unternehmer:innen aufbauen!
Und wir rufen alle Arbeiter:innen, Jugendlichen, Migrant:innen und Unterdrückten auf: Wählt bei den Nationalratswahlen KPÖ und unterstützt LINKS!
Erstmals seit Jahrzehnten hat die KPÖ die Chance, in den Nationalrat einzuziehen. Das liegt zum einen an der Dauerkrise der Sozialdemokratie und dem Rechtsruck der Grünen, zum anderen auch an der Kommunalpolitik in der Steiermark und Salzburg in Verbindung bezüglich der Wohnungsfrage sowie an der Entstehung anderer Initiativen links von der SPÖ. Eine Stimme für die KPÖ ist für hunderttausende lohnabhängige Wähler:innen eine Möglichkeit, bei diesen Wahlen eine Ablehnung der gesamten bürgerlichen Koalitionspolitik zum Ausdruck zu bringen.
Das darf uns jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Politik der KPÖ selbst alles andere als kommunistisch ist. Statt sich selbst zur Vorkämpferin gegen alle Formen von Ausbeutung und Unterdrückung zu machen, inszeniert sie sich die als „Wohnen“-Partei und bessere Sozialdemokratie. Antikapitalistisch ist ihr Programm jedoch nicht – so sucht man beispielsweise die entschädigungslose Enteignung der Immobilienkonzerne vergeblich.
Ebenso wenig ist es internationalistisch. Vielmehr umschifft es mit den Forderungen nach Neutralität und aktiver Friedenspolitik eine klare Solidarisierung mit der palästinensischen Bevölkerung und deren Widerstand gegen Unterdrückung, Vertreibung und Genozid. Und schließlich ist der Kampf gegen den Rassismus in der KPÖ-Wahlkampagne eigentlich nicht vorhanden.
Auch die zentralen, im Wahlkampf sichtbaren Forderungen von LINKS, wo wir als Arbeiter*innenstandpunkt involviert sind, und das eigene Kandidat:innen auf der Liste der KPÖ aufstellt, gehen qualitativ nicht über die reformistische Politik der KPÖ hinaus. Bisher war LINKS in Wien noch die dynamischere Kraft, mit aktivistischerer und mutigerer Ausrichtung, radikal antikapitalistischen Bezugspunkten und einer größeren politischen Offenheit als die KPÖ. Davon ist in diesem Wahlkampf nicht mehr viel zu sehen und leider auch kaum von Solidarität mit Palästina. Beim einzigen Aspekt, wo wirklich eine positive Unterscheidung zur KPÖ vorhanden ist – Antirassismus –, bleibt die Politik leider ebenfalls in einem bürgerlich-demokratischen Rahmen hängen. Eine Verknüpfung von Antirassismus, Klassenpolitik und Antikapitalismus fehlt leider.
Wir unterstützen somit die KPÖ und Kandidat:innen von LINKS bei den Nationalratswahlen, aber wir tun es kritisch. Ein Erfolg würde einen Raum für Politik links von der Sozialdemokratie öffnen und eine historische Möglichkeit für Ansatzpunkte bedeuten, die Dominanz der sozialdemokratischen Bürokratie über die Arbeiter:innenbewegung endlich aufzubrechen. Er würde auch eine Basis legen für einen bundesweiten Widerstand gegen die nächste Regierung – ob nun Blau-Schwarz oder ÖVP/SPÖ plus NEOS oder Grüne. Zeitgleich lieferte er auch den Beweis, dass es eine Alternative zur Politik der SPÖ gibt, die auch Teile der sozialdemokratischen, gewerkschaftlichen sowie sonstige linke Schichten der Bevölkerung radikalisieren kann. Zeitgleich könnte man im Parlament auch Oppositionspolitik machen, die tatsächlich von einer aktiven Basismitgliedschaft kontrolliert und unter die Lupe genommen wird. Wir treten somit dafür ein, dass die Abgeordneten nicht nur einer demokratischen Kontrolle durch die Basis unterliegen, sondern auch klar als Sprachrohr für den außerparlamentarischen Klassenkampf dienen sollen. Einen Fokus auf von Kämpfen losgelöste parlamentarische Kleinarbeit lehnen wird ab.
Auch wenn wir zur Wahl der KPÖ aufrufen und wir in Wien in LINKS aktiv sind und es bei der Wahl unterstützen, so teilen beide ein grundlegendes Problem. Beide vertreten eine, wenn auch linkere, reformistische Strategie und Politik. Beide fokussieren sich auf Wahlen als zentrales Mittel ihres Kampfes, beide vertreten ein Programm von Reformen und durchaus wichtigen sozialen Verbesserungen. Aber sie verfügen über keine revolutionäre Programmatik oder Strategie für die Überwindung des Kapitalismus. Dabei zeigen die Erfahrung der letzten Jahre und die Krise des kapitalistischen, imperialistischen Systems selbst, dass letztlich keines der großen Probleme der Menschheit – zunehmende Konkurrenz und der Kampf um die Neuaufteilung der Welt, Ausbeutung und Überausbeutung der Arbeitenden, drohende ökologische Katastrophe – im Rahmen des Kapitalismus gelöst werden kann. Schon gar nicht können diese auf rein nationaler oder gar kommunaler Ebene angegangen werden. Was es braucht, ist eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus in Österreich und weltweit.
Wir wollen das Potenzial der KPÖ sowie von LINKS als aktive organisierende Kräfte auf der Straße nutzen, können aber nicht über die reformistischen Komplikationen hinwegsehen, sondern müssen sie herausfordern und Alternativen vorschlagen.
Daher treten wir für den Aufbau einer Partei ganz anderen Typs ein, für die LINKS ein Ausgangspunkt sein kann – einer revolutionären, internationalistischen Kampfpartei. Deswegen rufen wir zur Stimme für unsere Kandidatin Heidi auf, die für LINKS auf Platz 31 der Wiener Landesliste und Platz 3 im Regionalwahlkreis Wien Nord-West steht, und treten für ein revolutionäres Aktionsprogramm ein, ein Programm von Übergangsforderungen, das den Kampf gegen aktuelle Angriffe mit dem für eine sozialistische Revolution verbindet. Wir rufen weiters für die Wahl der Spitzenkandidatin Anna auf der Bundesliste Platz 5 auf und treten auch innerhalb von LINKS für eine revolutionäre Ausrichtung gemäß unserem Programm und diesen Forderungen ein:
Damit selbst ein Kampf gegen die kommenden Angriffe erfolgreich sein kann, brauchen wir eine Massenbewegung. Das bedeutet auch, für einen radikalen Kurswechsel in den Gewerkschaften zu kämpfen:
Ein solches Programm kann nur durch revolutionären Klassenkampf gegen das Kapital, mittels Massenstreiks bis hin zum Generalstreik, Betriebsbesetzungen und durch proletarische Kampforgane durchgesetzt werden. Die sich in einer solchen Bewegung bilden – Aktionsausschüsse, Streikkomitees, Selbstverteidigungsorgane – müssen zu Räten und Milizen weiterentwickelt werden.
Solche Doppelmachtorgane dürfen jedoch nicht dabei stehen bleiben. Sie müssen selbst zur Basis für die Macht der Arbeiter:innenklasse, für eine Arbeiter:innenregierung werden, die das Kapital enteignet, die Wirtschaft gemäß den Bedürfnissen der Massen reorganisiert, den bürgerlichen Repressionsapparat zerschlägt und durch die organisierte Bewaffnung der Arbeiter:innenklasse ersetzt.
Dazu braucht es eine revolutionäre Partei und Internationale, denn der Aufbau zu einer neuen, sozialistischen Gesellschaft ist nur weltweit möglich oder gar nicht.