Wilhelm Schulz, Neue Internationale 285, September 2024
Die Landtagswahlen in den drei Bundesländern Sachsen, Brandenburg und Thüringen drohen, zu einem Siegeszug populistischer Parteien zu werden. Dabei handelt es sich um weit mehr als einen reinen Länderwahlkampf, nämlich um die Frage, ob und wie der Populismus Einfluss auf die Strategie des deutschen Imperialismus nehmen könnte. Gleichzeitig bildet Ostdeutschland seit Jahren bereits ein Experimentierfeld für die rechtspopulistische Alternative für Deutschland und den rechten Sumpf der um sie herum und in ihr modert. In diesem Artikel wollen wir einen die Frage stellen, warum die Partei speziell dort so erfolgreich werden konnte.
Die Prognosen lassen kaum Platz für Zweifel: Die AfD droht, die absolute Gewinnerin der Wahlkämpfe im Osten zu werden, dicht gefolgt vom neu gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht. In Zahlen: 29,5 % in Thüringen (22.08, stärkste Kraft; BSW 18,3 %), 30,4 % in Sachsen (22.08, zweitstärkste Kraft nach der CDU; BSW 13,6 %), 24 % in Brandenburg (6.08, stärkste Kraft; BSW 17 %).
Inhaltlich, und das ist bei der AfD nichts Neues, geht es im Wesentlichen um die Bundespolitik – ähnlich beim BSW. Höcke sagte bei seinem Wahlkampfauftakt in Arnstadt: „Diese Ostwahlen entscheiden auch, ob dieses Land den Kriegskurs verlässt mittelfristig oder ob es weiter in Richtung Krieg-Eskalation hineinmündet.“ Auch wenn die Wahlen hierfür nicht allein entscheidend sein mögen, so könnten doch die Dissonanz zwischen Bund und Ländern weiter gestärkt und der Spielraum der Ampel in der Ukrainepolitik eingeschränkt werden. Bereits heute sprechen sich die Ministerpräsidenten in Sachsen (Kretschmer, CDU) und Thüringen (Ramelow, DIE LINKE) für Verhandlungen mit Russland aus.
Auch die Wahrnehmungsunterschiede bezüglich einer Kriegsgefahr zwischen Ost und West sind bedeutsam, wie erst kürzlich der Allensbach-Sicherheitsreport unterstrichen hat. Demnach befürchten 76 % der in Ostdeutschland Lebenden, in den Krieg hineingezogen zu werden, im Westen sind es 44 %. Zugleich sehen 40 % im Osten die USA als eine große Gefahr (53 % Russland), im Bundesschnitt 24 % (und 75 %).
Die Spitzenkandidaten der AfD werden bei den drei Wahlen nicht stehenbleiben. Es sind Björn Uwe („Bernd“ als Gag der ZDF-Show) Höcke in Thüringen, Jörg Urban in Sachsen und Hans-Christoph Berndt in Brandenburg. Bereits seit Jahren sind Sachsen und Thüringen für Migrant:innen keine als sicher wahrgenommenen Regionen. Während einer nicht öffentlichen Podiumsdiskussion beim Sommerfest der Neuen Rechten in Schnellroda, organisiert vom Chefideologen Götz Kubitschek, wetteiferten Höcke und Urban darum, welches Bundesland das unattraktivste für Migration werde. Vergleichbar mit dem geplatzten Ruanda-Deal Großbritanniens beabsichtigt Höcke Aufnahmeabkommen zwischen Thüringen und anderen Staaten. Auch Berndt unterstrich, er wolle Brandenburg nach diesem Vorbild formen, Regenbogenfahnen verbieten und ein Memorandum zu Corona und gegen den Ausbau der Windkraft initiieren.
Mit Sachsen und Thüringen haben wir es bei der AfD mit zwei laut Bundesamt für Verfassungsschutz gesichert rechtsextremen Verbünden zu tun. Jörg Urban und dessen Landesverband unterstreichen dies in ihrem sächsischen Wahlprogramm. Die AfD fordert dort, das Bürger:innengeld nur für Deutsche zu zahlen. Härter wird es noch bei der sogenannten Kinderprämie von 5.000 Euro pro Neugeborenem, insofern die Eltern (1) deutsche Staatsbürger:innen sind, (2) seit mindestens 10 Jahren in Sachsen leben und (3) eine Ausbildung abgeschlossen haben. Hier laufen zwei Stränge zusammen, nämlich die AfD Nationalismus und Sozialdarwinismus.
Die Kinderprämienfrage setzt an einem wirklichen Problem an, an der Demografie in Sachsen und Thüringen. In Thüringen drohen mittelfristig laut IFO-Institut 2020, auf 100 Renten-lediglich 50 Arbeitsmarkteintritte zu folgen. In Sachsen wird laut statischem Landsamt (2023) der Anteil der Bevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren sich bis 2040 um 10 % verringern. Verschiedene Wirtschaftsverbände beklagen, dass es immer schwerer wird, migrantisiertes Personal für Jobs in Sachsen zu gewinnen – angesichts der Verhältnisse vor Ort allerdings verständlich. Zugleich gab es eine Abwanderungsbewegung. Von 1991 bis 2017 wanderten 3.681.649 Einwohner:innen von Ost nach West ab, was fast einem Viertel der Bevölkerung der ehemaligen DDR entspricht. Dem stehen zwar 2.451.176 Zuzüge aus dem Westen entgegen, das aber kompensiert den Schrumpfungsprozess und damit einhergehenden demografischen Wandel nicht. So liegt in allen neuen Bundesländern der Anteil über 65-Jähriger über dem Bundesdurchschnitt von 22,3 %, sie belegen sogar Platz 1 bis 5. Nur Berlin nicht, die Stadtstaaten sind generell im Durchschnitt am jüngsten. Kurzum: Ohne Migration wird der Trend nicht zu durchbrechen sein.
Wenn wir uns die Verankerung der AfD in Ostdeutschland anschauen wollen, dann können wir uns nicht auf Landtagswahlen beschränken. Man denke an den seit einem Jahr amtierenden AfD-Landrat im südthüringischen Sonneberg, Robert Sesselmann, oder die jüngsten Kommunalwahlen von Mai bis Juni. Gewählt wurde in Brandenburg, Baden-Württemberg, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Saarland und Thüringen. Hier war die AfD äußerst erfolgreich. Verglichen mit den Wahlen 2019 konnte sie ihre Sitze fast verdoppeln von 3.368 Sitzen in 1.008 kommunalen Parlamenten und Gremien auf 6.672 Sitze in 1.593 Gremien. In Sachsen verfügt sie nun über 29 % aller Sitze, in Thüringen 26,5 %. Die Partei hat hier ein Strukturproblem und kommt nicht hinterher damit, ihre Mandate auch wirklich zu besetzen. Laut Rechercheportal „derrechterand – Das Antifaschistische Magazin“ bleiben im Osten 599 Mandate unbesetzt, im Westen 9. Diese Strukturprobleme sind aber eher Ausdruck eines Anwachsens der Partei und machen deutlich, welches Potential sie auch als Sammelbecken hat. Teilweise haben die kommunalen Listen nicht ausreichend Kandidat:innen für die erlangten Plätze benannt. Nur 17,8 % aller kommunaler Mandate – in absoluten Zahlen 1.080 Plätze – sind an Frauen vergeben. Das Verhältnis von Mandaten Ost zu West inkl. landes- und bundesweiten Gremien liegt bei 4.655 in Ost- und 3.151 in Westdeutschland, also 59,6 zu 40,4 %. In den kommenden Jahren stehen aber bedeutend mehr Wahlen im Westen an, weshalb sich das Missverhältnis wieder etwas auszugleichen droht.
Die Stärkung der AfD bedeutet womöglich eine Veränderung der kommunalen Vorsorge. Seien es Beratungsstellen für sozial Unterdrückte, Gleichstellungs- und Integrationsprojekte, Umweltkonzepte, Kulturprojekte, die Zusammensetzung der Verwaltungen, Gedenkpolitik, aber auch der Zugang zu sensiblen Posten und vieles mehr – auch auf dem Potsdamer Geheimtreffen wurde diese Offensive diskutiert.
Oder: Wie bedeutend ist der Einfluss anderer reaktionärer Kräfte in der und rund um die AfD? Besondere Popularität haben in diesem Wahlkampf die offenen Angriffe auf Politiker:innen, speziell von SPD und Grünen. Auch wenn es sich hier um keine Neuheit handelt, so doch um eine neue Qualität. Auf die Grünen fielen im Jahr 2023 1.219 registrierte Fälle von Angriffen, womit sie auf Platz eins vor der AfD mit 478 Fällen stehen.
Die vier Angreifer auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden von Anfang Mai standen dabei im Umfeld der Freien Sachsen und der Nazikameradschaft Elblandrevolte – beide auch verantwortlich für die Angriffe auf den CSD in Bautzen. Sie unterstützten auch Wahlkampfstände der AfD. Auf einer AfD-Wahlkampfkundgebung wurden sie akzeptiert, sprachen zeitweise mit dem Chef der Ordner:innen. Und das nur wenige Stunden vor ihrem Angriff. Auch wenn diese Gruppen noch klein sind, so greifen sie Linke und andere politische Gegner:innen zunehmend offen an.
Die Freien Sachsen haben 95 Mandate in 55 Gremien geholt, darunter einige Größen der bundesweiten Neonaziszene aus NRW, Niedersachsen und Berlin.
Doch auch in den Parlamenten sind reaktionäre Kräfte für die AfD tätig. Mitte April wurde eine Recherche des Bayerischen Rundfunks veröffentlicht, wonach mehr als 100 Mitarbeiter:innen der AfD-Bundestagsfraktion aktiv in Organisationen sind, die als rechtsextrem eingestuft werden, darunter die Identitäre Bewegung oder auch die dem Institut für Staatspolitik nahestehende Neue Rechte, Kräfte, die auf Naziaufmärschen gesichtet wurden, andere die im Zusammenhang mit Reichsbürger:innen stehen, zu Preppergruppen oder Organisator:innen von Querdenken- oder Pegidademonstrationen. Teilweise arbeiten auch aus der Partei ausgeschlossene Personen weiterhin für die Fraktion. Wie viele Mitarbeitende sie hat, ist unklar. Nach Eigenauskunft im Februar 2024 sind es 182 Mitarbeitende, die BR-Recherche identifizierte mehr als 500 Personen, die für sie arbeiten dürften. Insgesamt scheint sich die Stellung der Parteirechten weiter stabilisiert zu haben, aber auch an ihrer Basis. Ende 2023 stufte der Verfassungsschutz zehn- der damals dreißigtausend Mitglieder als rechtsextremistisches Personenpotential ein. Auch 2024 sind tausende der Partei beigetreten, vermutlich aufgrund der „Remigrations“kampagne. Die Mitgliedschaft wird auf etwa 50.000 geschätzt.
Die AfD ist tiefer in Ostdeutschland verankert. Das gilt sowohl in der Fläche als auch bezüglich der Stimmenanteile. Doch woran liegt’s? Verschiedene Argumente werden häufiger angeführt wie, dass Ostdeutsche aufgrund der DDR-Vergangenheit keine tiefe Demokratieerfahrung haben und sich deswegen eine führende Hand wünschen. Eine stärkere Zustimmung zu offen reaktionären Aussagen speziell gegenüber Migrant:innen gehe damit einher. Aus der Erfahrung heraus fühle man sich als Verlierer:innen der Wende. So einige Aussagen aus der Leipziger Autoritarismusstudie 2022.
So richtig die Befunde sind, so verkürzt sind ihre Erklärungen. Denn die soziale Ungleichheit zwischen Ost und West existiert wirklich. Die durchschnittlichen Bruttolöhne Ost (2.790 Euro) und West (3.330 Euro) liegen 540 Euro auseinander, wobei im Osten länger gearbeitet wird. Doch nicht nur ein Heer billigerer Arbeitskräfte stellt der Osten dar, auch Kapitalist:innen ziehen kaum hierhin. Ein Indikator ist die Erbschaftssteuer. Ein Großteil der Erbschaften ist steuerfrei. Bei Ehepartner:innen beträgt der Freibetrag beispielsweise 500.000 Euro. In Ostdeutschland sind sie nur etwa halb so hoch wie im Westen. Im Westen werden aber 98 Prozent der gesamtdeutschen Erbschaftssteuern gezahlt.
Wir haben es also mit einem Teil der Bevölkerung zu tun, der sich ungleich behandelt fühlt. Der zugleich aufgrund der DDR weder eine traditionelle Verankerung der sogenannten Volksparteien aufweist noch eine gleichwertig geschichtlich verankerte Stärke der parlamentarischen Demokratie. In diesem Missverhältnis finden populistische Kräfte ihren Nährboden.
Wir müssen also fragen, wer denn die AfD in Ostdeutschland wesentlich wählt, ob dabei als Motiv die soziale Ungleichheit, die zudem schlechter kompensiert wird als im Westen, oder der in der DDR praktizierte Autoritarismus ausschlaggebend sind.
35 Jahre nach der Wende ist die Altersgruppe der 35- bis 59-Jährigen das Hauptklientel der Wähler:innenschaft der Partei. Die Ältesten dieser Gruppe waren also zur Zeit des Mauerfalls 24 Jahre alt. In der ältesten Wähler:innengruppe (über 70) schneidet die Partei am schlechtesten ab. Laut Neuem Deutschland ist das Rückgrat der AfD in ostdeutschen Kleinstädten geprägt von der dortigen gesellschaftlichen Elite aus Richter:innen, Journalist:innen, Anwält:innen, Ärzt:innen, Unternehmer:innen und Lehrer:innen, also (Klein-)Bürger:innentum und Mittelschichten.
Es handelt sich hier also um die relativen Wendegewinner:innen. Jedoch stehen auch diese realen demografischen Wandlungsprozessen gegenüber und v. a. der Tatsache, dass ihr neuer Reichtum geringer und bedrohter ist als im Westen. Auf sie wird von dort aus geringschätzig herabgeschaut wie von Etablierten auf aufstrebende Neureiche. Das Argument, dass „die Politik“ für hier eher drohenden sozialen Abstieg verantwortlich ist, öffnet Tür und Tor für ein Programm der Migrationsregulierung und Befreiung von staatlicher Einflussnahme, v. a. im Bereich des Ökonomischen und Sozialen (Schlagwort: Ordoliberalismus). Es nutzt das Argument der Fremdbestimmung, verbindet es mit einer Offensive gegen die „etablierte“ Politik und mit dem Irrationalismus eines herbeibeschworenen gelenkten Bevölkerungsaustauschs. In diesem Sinne nutzen populistische Parteien den Osten als eine Art Experimentierfeld. 80 % der Kandidat:innen von AfD und BSW zur Europawahl stammten aus dem Westen. Es muss aber auch deutlich gemacht werden, dass nur, weil das Rückgrat v. a. sozial besser gestellte Teile der Zwischenklassen ausmachen, dies nicht für die Gesamtheit der Wähler:innen der Partei gilt. Hier wirkt jedoch das Argument, dass die deutsche Gesellschaft „gesund“ wäre, wenn hier keine „feindliche Fremdbestimmung“ mittels staatlichen Eingriffs die Region bewusst schwächte. Dieses Missverhältnis legt die Grundlage dafür, dass das Gros der AfD-Wähler:innen entgegen ihren objektiven mehrheitlichen Interessen für eine weitgehende Demontage des Sozialstaates einsteht.
Absehbar bei den drei Landtagswahlen ist, dass eine Regierungsbildung ohne Beteiligung der AfD oder des BSW unwahrscheinlich wird. Auch wenn es aussichtsreicher scheint, dass diese mit dem BSW stattfinden wird, so stärkt dies die AfD.
Auch wenn beispielsweise Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU) die Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, so tut es seine Partei nicht. Laut einer jüngst veröffentlichten Forsaumfrage unter 1.002 CDU-Mitgliedern sind 68 % der ostdeutschen nicht grundsätzlich gegen eine Zusammenarbeit in Ostdeutschland (45 % aller Beteiligten stimmten sogar dafür). 52 % aller Befragten sprachen sich für eine Koalition von CDU und BSW auf Landesebene aus. Der Brandenburger CDU-Vorsitzende Jan Lars Redmann sprach von programmatischen Schnittmengen zwischen BSW und Union.
Auch zwischen BSW und AfD gibt es einige inhaltliche Schnittmengen. Bei beiden handelt es sich um populistische Formationen, wenn auch mit gravierenden Unterschieden. Die Anhänger:innenschaft des BSW bewegt sich nach rechts, setzt sich aber wesentlich aus ehemaligen Unterstützer:innen von Grünen, LINKEN und SPD zusammen. In der AfD steht die Frage immer deutlicher im Raum, inwiefern die Partei als populistische Formation aufgrund auch ihrer Entwicklung nach rechts fähig ist zu bestehen oder ob sie von ihren verschiedenen Polen zerrissen wird. In den drei Bundesländern sammelt sich schon seit Jahren der rechte Flügel der Partei.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine Kurzstudie, basierend auf den Wahl-O-Mat-Antworten, erstellt. Die größten Gemeinsamkeiten zwischen beiden Parteien liegen bei Klima- und Innenpolitik. Innenpolitisch in der Migrationspolitik, Bekämpfung gesellschaftlicher Vielfalt und Ausbau staatlicher Überwachung. Auch in der Außenpolitik gibt es Überschneidungen. So treten BSW und AfD gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland ein. Die Liste der Gemeinsamkeiten geht weiter in Fragen der Atomkraft, Photovoltaik, CO2-Bepreisung, des Wahlalters, Genderdiversität an Schulen, Frauenquoten etc.
Wesentliche Unterschiede zwischen den Parteien bestehen in der Sozialpolitik. Hier steht die AfD für eine Demontage des Sozialstaates, das BSW will diesen ausbauen und fordert beispielsweise eine Mietpreisbremse in Dresden und Leipzig. Zugleich wirbt es im Gegensatz zur LINKEN für die Wiedereinführung des Sanktionssystems beim Bürger:innengeld, lehnt das Landespflegegeld in Thüringen ab und stellt sich gegen eine schulische Zusammenführung von Kindern mit und ohne Behinderung. Andere Unterschiede finden sich in Fragen der Vermögensteuer und Schuldenbremse. Beide Parteien vertreten hier unterschiedliche Facetten kleinbürgerlicher Illusion in den Kapitalismus, dass, wer hart arbeitet, es auch zu etwas bringen kann.
Doch der Blick auf die Landtagswahlen soll nicht in Richtung Verzweiflung deuten. Denn verschiedene Kräfte, die dem Rechtsruck etwas entgegenstellen wollen, sehen sich gezwungen, ihre Perspektive auf den Tisch zu legen. Zehntausende werden zu den Wahlurnen gehen und hoffen, diese Entwicklungen durch ihre Stimmabgabe zu verhindern. Hier sind wir gefordert, nicht als leise Kommentator:innen am Rande zu stehen, sondern eine Perspektive aufzuzeigen.
Ende Juni waren gegen den AfD-Parteitag 70.000 Menschen auf den Straßen Essens. Sicherlich die größte antifaschistische Mobilisierung seit den gewerkschaftlich dominierten Protesten gegen Pegida 2015. Mit Widersetzen hat sich hier ein Potential eröffnet, einen gemeinsamen Mobilisierungspunkt zu schaffen, doch droht es erneut, für die Hoffnung auf eine breite Kampagne ihre Klarheit zu opfern. Im November organisiert Widersetzen eine Strategiekonferenz in Leipzig. Wir rufen alle auf, daran teilzunehmen.
Dabei werden wir auf der Konferenz, aber auch außerhalb dieser eintreten für einen Widerstand, der den Kampf gegen die AfD und ihren Rassismus mit dem gegen die Sozialpartner:innenschaft verbindet. Wir brauchen einen gemeinsamen Kampf für gleiche Arbeitsbedingungen aller, sowohl in Ost und West als auch unabhängig von der Staatsbürger:innenschaft. Für eine Erhöhung des Mindestlohns, Arbeitslosengeldes und der Rente auf mindestens 1.600 Euro monatlich unter Kontrolle von Lohnabhängigen und Gewerkschaften.
Organisiert Euch an Schule, Uni und im Betrieb! Wir dürfen nicht der Illusion verfallen, dass die AfD durch gescheiterte Parteitage bekämpft werden kann. Wir müssen dort, wo wir tagtäglich uns bewegen, den Kampf gegen den Rechtsruck führen. Dafür müssen wir Versammlungen organisieren, Aktionskomitees aufbauen und auch Selbstverteidigungsstrukturen gegen Angriffe der Rechten.
Keine Illusionen in das Bündnis aller Demokrat:innen und „Brandmauern“ der wehrhaften Demokratie! Denn es sind die Neuausrichtung des deutschen Imperialismus auf Kriegskurs, die Kürzungswellen angesichts der Krise und die Überausbeutung der Billiglöhner:innen in Ostdeutschland, die sowohl Wasser auf die Mühlen der Populist:innen als auch das Programm des Kapitals gießen. Denn bürgerlicher Antifaschismus fürchtet den Antikapitalismus und muss daher ein stumpfes Instrument im Kampf gegen die Reaktion bleiben.
Wählerbasis der AfD im Osten: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183781.afd-in-ostdeutschland-waehler-im-osten-nicht-der-dumme-rest.html
Leipziger Autoritarismus-Studie 2022: https://www.boell.de/de/leipziger-autoritarismus-studie
Einfluss des IfS auf die AfD-Rechte: https://www.der-rechte-rand.de/archive/10524/zwischen-schnellroda-und-potsdam/
AfD bei den Kommunalwahlen: https://www.der-rechte-rand.de/archive/10543/die-eroberung-der-flaeche/
DIW zu AfD und BSW in Sachsen und Thüringen: https://www.diw.de/de/diw_01.c.911029.de/publikationen/diw_aktuell/2024_0095/afd_und_bsw_in_thueringen_und_sachsen__regierungsverantwortung_waere_ein_gefaehrliches_experiment.html
BR-Recherche zu Mitarbeiter:innen der AfD Bundestagsfraktion: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/afd-im-bundestag-mehr-als-100-rechtsextreme-mitarbeiter,U6iXl6t
Forsaumfrage unter CDU-Mitgliedern zur Zusammenarbeit mit der AfD: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/cdu-fast-die-haelfte-der-mitglieder-kann-sich-laut-umfrage-afd-kooperation-vorstellen-a-99f25d3d-6808-4f4b-8b8d-f11956c9c3b7