Arbeiter:innenmacht

Bündnis Sahra Wagenknecht: Weder vernünftig, noch links

xtranews.de, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons

Jaqueline Katherina Singh, Infomail 1262, 29. August 2024

Während bei Wahlumfragen die AfD sich im Allzeithoch befindet, wächst im Windschatten das Bündnis Sahra Wagenknecht. Für einen Teil der Linken ist klar, dass es keine linke Alternative, sondern nur eine populistische darstellt, die sich nicht zu schade ist, rassistische Vorurteile zu schüren. Doch andere hegen Illusionen darin, dass Wagenknecht die Friedensbringerin ist, die die Massen aufweckt sowie für „richtige“ linke Politik begeistert. Wieder andere sehen in ihr die Chance, die AfD zu schwächen.

Doch was ist dran? Die Wähler:innenwanderschaft bei der Europawahl laut infratest dimap zeigt: Ein großer Teil der Stimmen für das BSW kommt von der SPD (580.000) sowie der Linkspartei (470.000). Verglichen damit ist der, der seitens der AfD (180.000) zum BSW abgewandert ist, gering – ebenso wie die Zahl der vorherigen Nichtwählenden, die es mobilisieren konnte. Somit verkörpert es bisher nicht in erster Linie eine Kraft, die die AfD schwächt. Vielmehr steht es für einen weiteren Rechtsruck im sozialdemokratischen Lager.

3 Gründe, warum das BSW keine linke Alternative verkörpert

Da wir bereits Wagenknechts Programm genauer unter die Lupe genommen (Artikel „BSW: Populismus als Alternative?“) sowie eine ausführliche Kritik an ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ verfasst haben, wollen wir unsere Kritik an dieser Stelle kürzer fassen:

1. Frieden schaffen durch die Bundeswehr

Die Wahlen in Sachsen und Thüringen finden am 1. September parallel zum Antikriegstag statt. Großes Glück für Wagenknecht. Doch während sie sich verbal gegen den Krieg in der Ukraine ausspricht, findet man im BSW-Programm die Forderung nach einer starken Bundeswehr, schließlich benötige „Europa eine stabile Sicherheitsarchitektur.“ Um Frieden zu garantieren, muss also die Bundeswehr gestärkt werden? Für Wagenknecht schon. Dass das allerdings nur ein Schritt weit davon entfernt ist, Auslandseinsätze zu legitimieren oder zugunsten des Militärbudgets an Sozialausgaben zu sparen, wird natürlich nicht ausgesprochen.

2. Prokapitalistische Wirtschaftspolitik

Während die AfD als Sozialprogramm einen neoliberalen Kahlschlag plant, wünscht sich Wagenknecht die soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard zurück. Wer dafür zahlen soll, ist dabei auch klar: Wären nicht die ganzen Migrant:innen hier, dann könnten wir alles finanzieren: Einen höheren Mindestlohn und sichere Arbeitsplätze gibt es dadurch, dass wir den Mittelstand stärken. Statt auf Klassenkampf setzt Wagenknecht auf den Appell an Vernunft und gesunden Menschenverstand, als deren Verkörperung sie sich selbst versteht.Vernünftig sein ist gut und schön, aber dieses Modell ist eine schlichte Lüge. Wir befinden uns in Zeiten der Krise. Geld zum Verteilen ist knapp – und die Konkurrenz zwischen den Kapitalist:innen spitzt sich zu. Auch wenn sich das BSW gerne eine andere wirtschaftliche Situation herbeiwünscht, ohne radikale Enteignung der Banken, Konzerne und sonstigen Großvermögen ist ihr Wirtschaftsprogramm nicht dauerhaft umzusetzen.

3. Rassistische Spaltung vertiefen

Plakativ könnte man sagen: Erst spalten, dann streichen, Rassismus nützt den Reichen – und Sahra Wagenknecht. Denn durch das Schüren von Rassismus schwächt sie auch möglichen Widerstand gegen soziale Angriffe. Die Grenzen verlaufen zwischen oben und unten. Sie verwischt diese und zaubert ein Bild nationaler Einheit, die nicht existiert. Reale Abstiegsängste sowie die Tatsache, dass viele nicht über die Runden kommen mit dem, was sie im Monat zur Verfügung haben, können auch angesprochen werden, ohne dass Migrant:innen hierfür die Schuld zugeschoben wird – etwas, das eine ehemalige vorgebliche Marxistin sehr wohl wissen sollte. Den Kampf gegen jene Kräfte wie beispielsweise in den Gewerkschaftsführungen aufzunehmen, die verhindern, dass man sie radikal und erfolgreich führt, ist aber anstrengender – und bringt auch nicht unmittelbar so viele Wähler:innenstimmen.

Kurzum: Das BSW-Programm ist in keiner Weise antikapitalisisch, an vielen Stellen eher konservativ (Erhards „soziale Marktwirtschaft“) als links. Illusionen in den bürgerlichen Staat werden gestärkt, die Arbeiter:innenklasse, die Wagenknecht in der Linkspartei noch so wichtig gewesen ist, gerät schon gar nicht zum Subjekt der Veränderung – und billiger Populismus gegen Migrant:innen oder den ominösen „Genderwahn“ dienen als Klebstoff, um das Konstrukt zusammenzuhalten. Dabei ist es die Orientierung auf „Realpolitik“, die Wagenknecht erfolgreich macht – schließlich muss man ja auch mal vernünftig sein und die „linken Träumereien“ hinter sich lassen.

Was ist die Alternative?

Wer in Ostdeutschland Verwandte oder Freund:innen hat, die/der hatte in den letzten Monaten sicherlich schon Gespräche geführt, in denen der Satz gefallen ist: „Und dann hab‘ ich versucht, einfach das BSW zu wählen statt der AfD.“  Und ja, auf den ersten Blick scheint das BSW besser zu sein als die AfD, deren völkisch-nationalistischer Flügel um Höcke in den ostdeutschen Bundesländern besonders stark ist. Ja, die Sozialprogramme der AfD und des BSW unterscheiden sich grundlegend. Aber Cholera ist nicht besser als Pest. Die Demokrat:innen in den USA sind nicht besser als die Republikaner:innen – zumindest nicht aus Perspektive der Arbeiter:innenklasse.

Die Option für Linke und Revolutionär:innen kann an dieser Stelle nicht sein – aus Angst um die Demokratie –, für ein kleineres Übel zu argumentieren. Diese wird dadurch nicht gerettet. Spätestens wenn eine Wagenknechtregierung das kapitalistische System versucht, „vernünftig“ mitzuverwalten und zu Kürzungspolitik gezwungen wird, schwindet ihr Zauber. Was bleibt, ist jedoch die Spaltung, die sie befördert hat, die weitere Normalisierung von Rassismus und die Gefahr, dass sich Teile enttäuschter Wähler:innen radikalisieren. Da hilft es nicht, aus Angst vor dem Untergang der Demokratie Abschiebungen und offenen Rassismus in Kauf zu nehmen. Stattdessen sollte man sich nicht täuschen lassen und für klassenkämpferische Politik einstehen, die konkrete Verbesserungen für die Klasse aktiv mit dem Kampf gegen soziale Unterdrückung verbindet. Das sind unbequeme Debatten, vor allem mit Menschen, die desillusioniert sind. Gleichzeitig wird sich jedoch nur etwas verändern, wenn wir eine schlagkräftige Bewegung sowie revolutionäre Partei aufbauen, die im Kampf für Reformen in Verbindung mit Aufzeigen einer revolutionären Perspektive und einem Programm von Übergangsforderungen diese Leute überzeugen kann.

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