Arbeiter:innenmacht

Ein Aktionsprogramm für Palästina

Liga für die Fünfte Internationale, Herbst 2018, Revolutionärer Marxismus 51, Mai 2019

Ein Jahrhundert nach der Balfour-Erklärung, in der Großbritannien zum ersten Mal eine nationale Heimstätte für die Jüdinnen und Juden in Palästina versprach und gleichzeitig zusagte, dass „nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nichtjüdischen Gemeinschaften in Palästina beeinträchtigen könnte“, werden die Rechte eben dieser Gemeinschaften des palästinensischen Volkes massiv verweigert. Heute sind es zwölf Millionen, von denen weniger als die Hälfte noch in ihrer historischen Heimat, sei es im Staat Israel oder in den besetzten Gebieten des Westjordanlandes und des Gazastreifens, lebt. Die restlichen sechs bis sieben Millionen sind Flüchtlinge, die noch immer in notdürftigen Lagern leben, in die sie und ihre Familien 1948 und 1967 vertrieben wurden.

Trotz alledem gibt es die PalästinenserInnen als Nation, als Volk, weiterhin und sie widersetzen sich so entschlossen wie eh und je ihrer Vernichtung. Sie kämpfen gegen eine der am besten ausgerüsteten Armeen der Welt, die mit Atomwaffen bewaffnete israelische Armee, unpassend als „Verteidigungsstreitkräfte“ (IDF) bezeichnet. Dazu kommt ein gewaltiger Apparat der Überwachungs- und Geheimdienste, Mossad (Institut für Aufklärung und besondere Aufgaben; Auslandsgeheimdienst) und Schin Bet/Schabak (Allgemeiner Sicherheitsdienst; Inlandsgeheimdienst), der repressive Regime auf der ganzen Welt mit Neid erfüllt. Die israelische Cyber-Kriegsführungskapazität wird als eine der fünf oder sechs besten der Welt angesehen. Um das Ganze abzurunden, verfügt dieser Gegner über die uneingeschränkte logistische und finanzielle Unterstützung der einzigen Supermacht der Welt, den USA.

Der zionistische SiedlerInnen-Kolonialismus hatte zwei Voraussetzungen: die Migration jüdischer Flüchtlinge vor dem in Europa grassierenden Antisemitismus nach Palästina sowie ein politisches und wirtschaftliches Regime, das die Vertreibung der bereits dort lebenden Bevölkerung ermöglichte. Das wurde durch ein Bündnis mit dem britischen Imperialismus möglich, der im Ersten Weltkrieg über das Osmanische Reich siegte und eine zwanzigjährige Herrschaft über Palästina errichtete. So wurde es einer beträchtlichen (aber immer noch nicht mehrheitsfähigen) Siedlerpopulation möglich, sich anzusiedeln und zu bewaffnen. Diese Bewegung, insbesondere ihr sogenannter ArbeiterInnenflügel, verfolgte ein Programm der Enteignung armer palästinensischer Bäuerinnen und Bauern sowie eines Ausschlusses aller nichtjüdischen ArbeiterInnen aus den Fabriken, Läden und Büros.

Ohne den europäischen Massenmord am jüdischen Volk,  Höhepunkt der antisemitischen Verfolgung im Holocaust (Shoa) und  enorme historische Tragödie der Jüdinnen und Juden in Europa, hätte das zionistische Projekt jedoch nie die Unterstützung einer Mehrheit des jüdischen Volkes erlangen können. Sechs Millionen starben, davon fast fünf Millionen aus den jiddischsprachigen Gemeinschaften Polens und der Sowjetunion und eine halbe Million aus Ungarn. Doch der Zionismus war nicht das Hauptinstrument des Widerstandes gegen diesen Vernichtungsfeldzug, und er bot den meisten seiner Opfer auch keine Zuflucht, bevor es zu spät war. Die UnterstützerInnenmächte Israels, Großbritannien und die USA, haben ihre Grenzen für die Masse der jüdischen Flüchtlinge weder vor noch nach dem Krieg geöffnet. Sie versuchten auch nicht, die Shoa durch Bombardierung der Infrastruktur des Massenmordes zu verhindern, selbst nachdem sie wussten, dass sie im Gange war. Die PalästinenserInnen hingegen waren, trotz der reaktionären Sympathien einiger ihrer FührerInnen, nicht für den Holocaust verantwortlich. Trotzdem wurden sie gezwungen, deren Kosten zu bezahlen. Das zionistische Projekt verhinderte nicht das Abschlachten der europäischen Juden, und die Gründung Israels war dadurch nicht gerechtfertigt.

So führte eine historische Tragödie zur nächsten: der Besetzung von 78 Prozent des britischen Mandatsgebiets Palästina und der umfassenden ethnischen Säuberung mittels Vertreibung von mindestens 750.000 PalästinenserInnen aus ihren Häusern und von ihrem Land, der Nakba (arabisch: Katastrophe) von 1948. Palästinensischen BürgerInnen Israels ist es bis heute gesetzlich verboten, derer zu gedenken. Aber die Katastrophe endete 1949 nicht. 1967 schloss Israel die Besetzung aller verbliebenen palästinensischen Gebiete ab, als die IDF das gesamte Westjordanland und den Gazastreifen einnahm und weitere 300.000 vertrieb. Seitdem hat Israel unerbittlich weiter „Fakten geschaffen“ und die fruchtbarsten Landstücke im Westjordanland nach dessen Eroberung an sich gerissen. Trotz der Osloer Abkommen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) bleiben 61 Prozent des Westjordanlandes unter der direkten Kontrolle der IDF. Die Besiedlung geht bis heute weiter, unterstützt durch den Bau der Apartheids-Mauer, festungsartige Siedlungen, militärisches Sperrgebiet und Militärstraßen sowie unzählige Kontrollpunkte. Israelische Statistiken aus dem Jahr 2018 zeigen, dass heute 435.708 jüdische SiedlerInnen im besetzten Westjordanland leben. Wird Ost-Jerusalem dazugerechnet, steigt diese Zahl auf 700.000. Eine dauerhafte und unumkehrbare Situation zu schaffen, in der die Gründung eines souveränen und wirtschaftlich überlebensfähigen palästinensischen Staates unmöglich ist, bleibt das Ziel aller israelischen Regierungen, egal, ob sie es offen aussprechen oder stillschweigend durchführen.

Israel fordert immer wieder die Anerkennung seines Existenzrechts von den PalästinenserInnen ein und bezeichnet alle, die das verweigern, als AntisemitInnen. Aber ein Staat, dessen Existenz darauf beruht, einem anderen Volk sein Recht auf Selbstbestimmung zu verweigern, kann dieses nicht für sich selbst in Anspruch nehmen. Die palästinensische Führung hat das Existenzrecht trotzdem immer wieder (1988, 1993 und seitdem) anerkannt, aber keine israelische Regierung hat je das Recht Palästinas, als souveräner Staat zu existieren, anerkannt.

Das Versprechen des britischen Labour Parteichefs Jeremy Corbyn, Palästina als Nation anzuerkennen, sollte er an die Regierung kommen, hat eine beispiellose Verleumdungs- und Hetzkampagne gegen ihn und den linken Flügel der Partei ausgelöst. Er hat die Belagerung des Gazastreifens und das Gemetzel an unbewaffneten DemonstrantInnen 2018 verurteilt und gedroht, Rüstungsgeschäfte und militärische Zusammenarbeit zu unterbinden, wenn dieser Zustand anhalte. Die BDS-Kampagne („Boycott, Divestment and Sanctions“; Boykott, Investitionsabzug und Sanktionen), in der antizionistische Jüdinnen und Juden in Israel wie auch im Ausland eine führende Rolle spielen, löste bei den rechten Regierungsparteien Israels eine wahnhafte Kampagne gegen die FreundInnen der PalästinenserInnen aus.

Die Unterstützung wiederum zeigt, dass es eine Perspektive für Palästina gibt, seine Vertriebenen zurückkehren zu lassen und in einem gemeinsamen Staat leben zu können, der beide jetzt in Palästina lebenden Nationen respektiert. Das bedeutet keineswegs eine „Vertreibung der Jüdinnen und Juden ins Meer“, einen „zweiten Holocaust“ oder all die anderen Horrorgeschichten, mit denen den PalästinenserInnen ihre Rechte vorenthalten werden sollen.

Palästinensischer Widerstand

Bis 1967 setzte die palästinensische Führung, in der Hoffnung, eines Tages Israel besiegen zu können, auf Befreiung durch die arabischen Staaten, insbesondere auf diejenigen, die wie Ägypten von nationalistischen Regimen regiert wurden. Aber nach dem Sechstagekrieg und der Versöhnung Ägyptens mit den USA wurde klar, dass PalästinenserInnen selbst die Hauptinstanz ihrer eigenen Befreiung sein mussten. Die Fatah unter Jassir Arafat, die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) unter George Habasch, die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) und andere Gruppierungen wandten sich dem „bewaffneten Kampf“ zu, also einer Strategie der Guerillakriegsführung. Aber auch diese ist gescheitert.

Die Strategie  hat jedoch den Fokus des Widerstands auf die Bevölkerung der besetzten Gebiete verlagert. Im Dezember 1987 begann die erste Intifada in Gaza. Junge PalästinenserInnen, nur mit Steinen und Benzinbomben bewaffnet, standen gegen die ganze Macht der IDF. Der damalige israelische Verteidigungsminister Jitzchak Rabin ist dafür berüchtigt, seinen Streitkräften befohlen zu haben, gefangenen DemonstrantInnenen „die Knochen zu brechen“. Die folgenden fünf Jahre heldenhaften  und massenhaften zivilen Ungehorsams, von Streiks, Demonstrationen, Steuerverweigerung und Boykotten israelischer Produkte, führten zu einer zunehmenden weltweiten Feindseligkeit gegenüber Israel und wurden für seine amerikanischen GeldgeberInnen so unangenehm, dass die Verhandlungen zwischen Israel und der PLO 1993 zu den Osloer Abkommen führten. Diese sollten in Vereinbarungen über Fragen des „dauerhaften Status“ wie den Jerusalems, Wasserrechte, Grenzabgrenzung, Siedlungen und Flüchtlinge münden.

Der Rest der 1990er Jahre wurde in fruchtlosen Verhandlungen über diese Themen verbracht. Schlimmer noch, die Bedingungen für die BewohnerInnen des Westjordanlandes, des Gazastreifens und der arabischen BürgerInnen Israels selbst haben sich verschlechtert, da das Kontrollpunktregime das Wirtschafts- und Familienleben erschöpfend und demütigend gestaltete. Aber das beste Angebot auf dem Gipfel von Camp David im Juli 2000 war ein palästinensischer Kleinstaat, der in vier nicht zusammenhängende Gebiete unterteilt war, die von israelischen Territorien und IDF-Truppen umgeben waren. Diese an die Bantustans der südafrikanischen Apartheid erinnernden Kantone hätten keine Kontrolle über ihre eigenen Grenzen, Lufträume oder Wasserressourcen. Die Gründung eines solchen „Staates“ hätte zudem illegale Siedlungen auf seinem Territorium und weitere Gebietsforderungen innerhalb der Grenzen von 1967 legitimiert.

Die sogenannte „Zwei-Staaten-Lösung“, die von PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) und PLA (Palästinensische Befreiungsarmee; militärischer Arm der PLO) wiederholt akzeptiert, von nachfolgenden israelischen und US-Regierungen in Worten befürwortet und von der Hamas unterstützt wurde, hat sich als Fata Morgana erwiesen, die sich in israelischen Übergriffen immer weiter in Luft auflöst. Diese angebliche Lösung hat zum Hauptziel, die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Mit dem Scheitern des Camp-David-Abkommens, dem Ausbruch der zweiten Intifada und dem Bau der Trennbarriere, besser bekannt als Apartheids-Mauer, wurde klar, dass Israel nie eine tragfähige Zwei-Staaten-Lösung akzeptieren würde. Israel wird niemals einen souveränen und gleichberechtigten palästinensischen Staat akzeptieren oder die Rückkehr derjenigen zulassen, die vertrieben wurden.

Die Befreiung des palästinensischen Volkes und die Freiheit der Völker des Nahen Ostens von westlicher Herrschaft und Ausbeutung erfordern den revolutionären Sturz Israels als rassistischen Staat und seine Ersetzung durch einen einzigen bi-nationalen Staat, sowohl für sein palästinensisches als auch für sein israelisch-jüdisches Volk. Das bedeutet weder die Vertreibung der israelischen Bevölkerung noch ihre Zerstörung als Nation.

Strategie und Führung

Der panarabische Nationalismus, sei es auf der Grundlage der palästinensischen Bourgeoisie in der Diaspora oder der herrschenden Klassen in den umliegenden Staaten, hat weder Palästina befreit noch das Los seiner Bevölkerung wesentlich verbessert. Kleinbürgerliche Guerilla-Kräfte, ob beeinflusst durch nasseristische oder baathistische Regime in den 1960er Jahren oder durch radikale StalinistInnen in den 1970er und 1980er Jahren, sind daran ebenfalls gescheitert. Die Fatah, zuerst unter Jassir Arafat und dann unter Mahmud Abbas, wandte sich der reaktionären Utopie eines von ImperialistInnen vermittelten Friedensprozesses mit Israel zu. Dabei wurde sie zu einer Kollaborateurin des zionistischen Staates und der imperialistischen Mächte trotz der wiederholten Vertrauensbrüche und Erniedrigungen seitens Tel Avivs/Jerusalems und Washingtons.

Nach 25 Jahren Oslo-Abkommen kontrolliert die Palästinensische Autonomiebehörde (PA/PNA) nur 39 Prozent des Westjordanlandes, während der Rest unter IDF-Besatzung steht. Viele PalästinenserInnen wandten sich wegen ihrer Unterwerfung unter die ZionistInnen sowie der offensichtlichen Korruption und Gier ihrer AnführerInnen gegen die Fatah. Bei den Wahlen zum Legislativrat 2006 erhielt die Hamas 44,45 Prozent der Stimmen, während für Fatah nur 41,43 Prozent stimmten. Gemeinsam mit Israel und den USA sabotierte die Fatah die Hamas-Regierung und behielt die Macht im Westjordanland, verlor aber Gaza.

Die Hamas mit ihrer reaktionären islamistischen Ideologie widersetzte sich weiterhin Israel und zog so dessen erbarmungslosen Hass und den des Westens auf sich. Gaza wurde in einen Angst und Schrecken verbreitenden Belagerungszustand versetzt, um fast 2 Millionen Menschen kollektiv für den Widerstand der Hamas zu bestrafen. Aber die Hamas-Strategie der Raketen gegen Israel und die Selbstmordattentate auf israelische SoldatInnen und ZivilistInnen erwies sich als völlig wirkungslos, den Willen eines so mächtigen Gegners zu brechen. Gleichzeitig gab sie Israel den Vorwand, den BewohnerInnen von Gaza hundertmal mehr Zerstörung und Terror anzutun, als die Hamas jemals anrichten könnte. Es ist klar, dass weder Fatah- noch Hamas-Regime Palästina befreien können.

Kurz gesagt, weder der Verlass auf arabische Monarchien oder nationalistische DiktatorInnen noch sonstwie mutige Guerillas oder islamistische politische MärtyrerInnen können das palästinensische Volk befreien. Nur der massenhafte Kampf der ArbeiterInnen, Bäuerinnen, Bauern und Jugendlichen, zum Beispiel in der Intifada oder den Demonstrationen im Westjordanland und Gazastreifen, kann eine Grundlage zu einem wirkungsvollen Aufbegehren sein. Auch der Generalstreik und Betriebsbesetzungen werden den Kampf verstärken und Solidaritätsaktionen von fortschrittlichen Israelis, in der umliegenden Region und der ganzen Welt, motivieren.

Die für eine solche Strategie erforderliche Führung muss eine revolutionäre Partei verkörpern, die palästinensische VorhutkämpferInnen weltweit, in den besetzen Gebieten, in Israel und die Vertriebenen umfasst sowie mutige antizionistische israelische Juden und Jüdinnen. Allein aufgrund des Charakters des Kampfes muss dieser sowohl international ausgerichtet als auch internationalistisch geführt werden, um die größtmöglichen Kräfte gegen die Unterdrückung zu mobilisieren. Diese Organisation muss ein Programm als Strategie für den Sieg formulieren, das an den anhaltenden Kämpfen an allen Fronten ansetzt.

Ende der Belagerung von Gaza

In Gaza werden 1,9 Millionen Menschen in einem Freiluftgefängnis, das einem Ghetto gleichkommt, eingesperrt. Sie werden von Land- und Seeseite belagert und regelmäßig in ihren Häuser, Schulen, Krankenhäusern und Betrieben bombardiert. Die Materialien zum Wiederaufbau sind begrenzt. Gaza ist in seiner Wasser-, Strom-, Nahrungsmittel- und medizinischen Versorgung auf die Israelis angewiesen, die diese regelmäßig als Kollektivstrafe für Widerstandshandlungen, die sie frech als Terrorismus verunglimpfen, unterbrechen. Tatsächlich ist es die IDF, die die Bevölkerung dieser Enklave terrorisiert. Dazu kommt die hoffnungslose wirtschaftliche Lage: Die Hälfte der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist arbeitslos, und laut den Vereinten Nationen steht die Wirtschaft kurz vor dem Zusammenbruch.

Seit dem einseitigen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 und dem Sieg der Hamas bei den Wahlen 2006 hat Israel wiederholt Großangriffe auf Gaza gestartet: die Operationen  Hot Winter 2008, Cast Lead 2008–09, Pillar of Defence 2012 und Protective Edge im Juli 2014. Diese Angriffe haben in vielen Ländern Massenproteste ausgelöst. Als die internationale Solidaritätsbewegung im Mai 2010 die Gaza-Solidaritätsflotte organisierte, um die Blockade des Gazastreifens durch die israelische Marine mit lebenswichtigen Gütern an Bord zu durchbrechen, enterten Spezialeinheiten die Boote und zwangen sie umzukehren. Auf einem der Schiffe, der Mavi Marmara, töteten sie dabei neun AktivistInnen. Viele mehr wurden verletzt.

Seit März 2018, als ein Bündnis vieler Organisationen unter Beteiligung breiter Massen von Jugendlichen den „Großen Marsch der Rückkehr“ zur Mauer um den Gazastreifen organisierte, starben über 160 Menschen im Kugelhagel der IDF. Die meisten von ihnen waren unbewaffnet. Diejenigen die als bewaffnet galten, führten Steinschleudern und Brandballons mit sich. Wenig später erklärte Donald Trump zum 70. Geburtstag Israels Jerusalem zum Sitz der US-Botschaft. Er erkannte Jerusalem damit als die Hauptstadt Israels und nicht Palästinas an. Als wäre das nicht genug, fror er gleichzeitig auch 300 Millionen Dollar an US-Beiträgen an das UNRWA (UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten) ein.

Nachdem Trump und Netanjahu den ägyptischen Diktator und den saudischen Kronprinzen für ein de-facto-Bündnis gewonnen haben, steht als nächster Schritt eine neue israelische Offensive gegen den Libanon, Gaza oder Iran unter dem Deckmantel eines verlogenen „Friedensplans“ an, der wohl sicher abgewiesen werden würde.

In den kommenden Jahren muss die internationale Solidaritätsbewegung mit Palästina ihr Handeln um die Forderungen herum verstärken:

  • Beendigung der israelischen Land-, See- und Luftblockade gegen Gaza und Öffnung seines Hafens für Hilfe, Handel und wirtschaftliche Versorgung.
  • Vollkommene Bewegungsfreiheit in das Westjordanland und nach Ägypten.
  • Für die internationale Anerkennung der EinwohnerInnen Gazas als BürgerInnen eines souveränen Staates Palästina.
  • Massive Hilfe beim Wiederaufbau und der Ausstattung von Schulen, Kliniken und Häusern sowie Arbeitsplätzen, die von den „Großmächten“ bezahlt werden, die die Region geplündert haben.

Weltweite Solidarität mit Palästina

Die BDS-Bewegung will Institutionen aller Art davon überzeugen, die Finanzierung und Unterstützung für alle israelischen und internationalen Agenturen oder Unternehmen, die an der Verletzung palästinensischer Rechte beteiligt sind, einzustellen. Sicherlich wird BDS allein nicht die israelischen Verbrechen wie den Armeeterror gegen Gaza oder den Siedlungsbau und die Fragmentierung der palästinensischen Gebiete im Westjordanland beenden können. Ein Umschwenken der öffentlichen Meinung in den imperialistischen Demokratien allein wird an der Unterstützung ihrer HerrscherInnen für Israel nichts ändern. Nur radikale und grundlegende politische Veränderungen in diesen Ländern, verbunden mit dem Sturz der Marionettenregime der Länder im Nahen Osten, Länder die sie ausbeuten und dominieren, können das schaffen.

Dennoch ist BDS ein Schritt in diese Richtung, und deshalb setzen der israelische Staat, seine Botschaften in der ganzen Welt und die zionistische Bewegung Himmel und Hölle in Bewegung, um die Kampagne und ein Anwachsen der öffentlichen Sympathie für die palästinensische Sache zu stoppen. Die Boykottkampagne gegen Südafrika allein führte nicht zum Untergang der Apartheid, sondern die massenhaften Aktionen der Jugend in den Townships (Vorstädten) und antirassistischen ArbeiterInnenbewegung in den 1970er und 1980er Jahren. Ebenso kann die BDS-Kampagne die Verbrechen Israels benennen und den Kampf der palästinensischen Massen und ihrer UnterstützerInnen in der israelischen Gesellschaft fördern und unterstützen. Ebenso wichtig ist aber eine Solidarisierung mit den demokratischen und ArbeiterInnenbewegungen in den umliegenden Ländern, wie sie im Arabischen Frühling 2011 auf den Plan traten.

Die von israelischen Botschaften organisierte Antwort auf den Erfolg von BDS beruht darauf, Parteien, akademische Institutionen und Regierungen zu zwingen, die Definition des Antisemitismus durch die „Internationale Allianz zur Erinnerung an den Holocaust“ (IHRA) zu akzeptieren. Dazu gehören auch Beispielsätze wie „dem jüdischen Volk sein Recht auf Selbstbestimmung zu verweigern, z. B. indem behauptet wird, dass die Existenz eines Staates Israel ein rassistisches Bestreben sei“ und „von ihm ein Verhalten zu verlangen, das von keiner anderen demokratischen Nation erwartet oder verlangt wird“, die im Kern antisemitisch seien. Wie bereits dargelegt, ignoriert die erste Formulierung, dass die gängige Interpretation der jüdisch-israelischen Unabhängigkeitserklärung von 1948 als Recht, die arabische Bevölkerung zu vertreiben, sehr wohl ein rassistisches Unterfangen ist. Auf die massenhafte Vertreibung der nichtjüdischen Mehrheitsbevölkerung und die apartheidartige Unterdrückung der verbliebenenen PalästinenserInnen gibt es nun mal kein demokratisches Anrecht. Zionistische Behauptungen, dass antiisraelische und antizionistische Ansichten selbstredend antisemitisch seien, entwerten die Bekämpfung des wirklichen, ursprünglichen Antisemitismus und lenken davon ab. Der befindet sich noch immer im Arsenal rassistischer PopulistInnen und offener FaschistInnen und kommt immer wieder zum Vorschein, wenn die Gesellschaft in die Krise schlittert. Aber die Aktionen Israels schützen nicht die Interessen der jüdischen Gemeinschaften weltweit – sie isolieren und schädigen sie. Menschen, die die PalästinenserInnen verteidigen und Islamfeindlichkeit bekämpfen, werden auch die ernsthaftesten KämpferInnen gegen die AntisemitInnen sein.

Es ist eine zentrale Aufgabe, die Arbeiterbewegung in Europa und Nordamerika dafür zu gewinnen, ihre Unterstützung für die palästinensische Befreiung zu erklären und diese als untrennbaren Teil ihres eigenen Kampfes für den Sozialismus zu verstehen. Als Schritte in diese Richtung müssen wir die Parteien und Gewerkschaften der internationalen ArbeiterInnenbewegung für die folgenden Forderungen gewinnen:

  • Boykott der Firmen, wissenschaftlichen und akademischen Institutionen, die Material für die israelische Aggression und Unterdrückung produzieren.
  • TransportarbeiterInnen auf Straßen, Schienen, Docks und Flughäfen sollten sich weigern, Exporte und Importe abzuwickeln, angefangen bei Waffen und Hochtechnologieprodukten, die zur Unterdrückung benutzt werden, sowie für Waren aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten usw.
  • Zurückweisung aller Versuche, Kritik und Boykott Israels als Antisemitismus zu stigmatisieren und zu verbieten.

Gleiche Rechte für die palästinensischen BürgerInnen Israels

Das jüngste Grundgesetz Israels definiert Israel als „den Nationalstaat des jüdischen Volkes“, das allein das Recht auf Selbstbestimmung hat und dessen Sprache, Hebräisch, die alleinige Staatssprache ist. Damit bekennt sich Israel schuldig im Sinne der Anklage, eine Form der Apartheid, ein rassistisches Unternehmen zu verkörpern. Es ist nicht antisemitisch, das auszusprechen. Israel und der Zionismus sind nicht gleichbedeutend mit der jüdischen Identität oder den Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt, von denen sich immer mehr, trotz Einschüchterung, gegen Israels Behandlung der PalästinenserInnen aussprechen. Bis heute wird Millionen von PalästinenserInnen der Zugang zu ihrer Heimat verwehrt. Ihr Land und Eigentum bleiben konfisziert, nur weil sie keine Jüdinnen und Juden sind. Seit seiner Gründung hat Israel eigene BürgerInnen auf dieser Grundlage systematisch diskriminiert und NichtbürgerInnen wie die PalästinenserInnen im Westjordanland und im Gazastreifen einem Militärregime unterworfen, das sich durch Freiheit der Kolonisation, aber anhaltende Zerstörung palästinensischer Häuser und strikte Trennung auszeichnet.

1973 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Internationale Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid. Die darin enthaltene Definition von Apartheid umfasst auch das Verweigern des „Recht(s) auf Verlassen des Landes und auf Rückkehr ins Heimatland, auf Staatsangehörigkeit, auf Freizügigkeit der Bewegung und des Aufenthalts“. Die Definition umfasst auch „die Enteignung von Grundbesitz, der einer ethnischen Gruppe gehört“. Tatsächlich dürfen „Nichtjuden und -jüdinnen“ auf den 93 Prozent des von ihren Vorfahren enteigneten und vom israelischen Staat kontrollierten Landes keinen Boden kaufen oder mieten. Die BürgerInnenrechtsorganisation Adalah (deutsch: Gerechtigkeit) rechnet vor, dass mehr als 50 Gesetze palästinensisch-israelische BürgerInnen bei Landbesitz, Wohnrechten, dem Recht auf ein Familienleben, Bildung und anderen Themen diskriminieren. Obwohl palästinensische BürgerInnen Israels bei Parlamentswahlen wählen und Knessetabgeordnete werden können, lehnte dieses Parlament 2016 ausdrücklich einen Gesetzentwurf ab, der die Gleichstellung zu einem Grundgesetz gemacht, also in den Verfassungsrang gehoben hätte.

Palästinensische Dorfgemeinden und städtische Gebiete werden regelmäßig zu „unerlaubt errichteten“ erklärt und abgerissen. Israelische nichtjüdische BürgerInnen mit EhepartnerInnen aus dem Westjordanland oder dem Gazastreifen können diese nicht nach Israel bringen. Das Höchste Gericht gestand zwar zu, dass dies eine Verletzung der Menschenrechte sei, fügte aber hinzu: „Menschenrechte sind kein Rezept zum nationalen Selbstmord“, und wies Klagen dagegen zurück. Weiters sind Wohngebiete rassisch getrennt und das Schulsystem privilegiert offen jüdische Israelis. Auch der Wohnungsbau ist im Grunde genommen segregiert. 70 Prozent der israelischen Gemeinden verfügen über Zulassungskommissionen, die potenzielle EinwohnerInnen auswählen und PalästinenserInnen systematisch ausschließen.

Der Staat kontrolliert 93 Prozent des Landes in Israel, und eine Regierungsbehörde, die „Israelische Landverwaltung“ (ILA), verwaltet und verteilt dieses Land. Die ILA verfügt über kein Mandat, Land nach fairen Kriterien zu verteilen, und die Mitglieder des Jüdischen Nationalfonds (JNF; gegründet 1901 von Theodor Herzl!) machen fast die Hälfte des ILA-Aufsichtsrates aus. Der JNF übernimmt hier eigentlich staatliche Aufgaben. Im Jahr 2005 behauptete der Vorsitzende, Yehiel Leket, dass seine Organisation „nicht verpflichtet ist, zum Wohle aller ihrer BürgerInnen, (sondern) nur zum Wohle der jüdischen Bevölkerung zu handeln. Der JNF besitzt auch direkt 13 Prozent aller öffentlichen Flächen, von denen viele zu den fruchtbarsten und produktivsten des Landes gehören. Eine besonders brutale staatliche Kampagne wurde gegen mindestens 250.000 BeduinInnen in der Negevwüste und in Galiläa durchgeführt. Die traditionell nomadischen HirtInnen gelten als BlockiererInnen zionistischer Siedlungsprojekte und als Hindernis im Weg der Ausweitung israelischer Kontrolle über diese Gebiete. Ihren Gemeinschaften wird regelmäßig die Anerkennung verweigert und somit ein Rechtsvorwand geschaffen, ihre Unterkünfte abzureißen. Ihre medizinischen und Bildungseinrichtungen sind in einem fürchterlichen Zustand im Vergleich zu denen, die jüdischen Israelis zur Verfügung stehen.

Gegen diese groben Verstöße gegen demokratische Rechte und den grassierenden Rassismus fordern wir:

  • Uneingeschränkte Bewegungsfreiheit zwischen allen Teilen des historischen Palästina für alle arabischen PalästinenserInnen und alle jüdischen Israelis.
  • Eine gemeinsame StaatsbürgerInnenschaft für alle arabischen PalästinenserInnen und alle jüdischen Israelis mit der Möglichkeit für palästinensische Flüchtlinge außerhalb des Landes, diese zu erlangen.
  • Die Abschaffung des israelischen Rückkehrgesetzes und aller anderen Gesetze, die einen privilegierten Zugang zu Einwanderung, Aufenthalt oder Staatsbürgerschaft auf Grundlage der jüdischen Abstammung oder Religion gewähren.
  • Die Abschaffung aller israelischen Gesetze, die das Recht der arabischen BürgerInnen Israels einschränken, ihre Staatsangehörigkeit auf EhepartnerInnen oder Nachkommen zu übertragen.
  • Die Abschaffung aller israelischen Gesetze, die arabische BürgerInnen Israels im Bereich des Eigentums oder anderer BürgerInnenrechte diskriminieren, und die vollständige zivile Gleichstellung von Jüdinnen/Juden und AraberInnen im gesamten historischen Palästina.
  • Das Verbot und die Aufhebung von „privaten“ und anderen „nichtstaatlichen“ Rechtsvorschriften, Verträgen oder Übereinkommen, die das Aufenthaltsrecht von Nichtjuden und -jüdinnen einschränken.
  •  Verstaatlichung des Jüdischen Nationalfonds sowie seine Öffnung für PalästinenserInnen, Abschaffung aller Privilegien für Jüdinnen und Juden sowie Zugang zur Nutzung von Staatsland für alle.
  • Anerkennung des Rechts der BeduinInnen auf das Land, auf dem sie leben und ihre Tiere versorgen.

Die Befreiung des Westjordanlandes von der israelischen Besatzung

Die besetzten Gebiete, vom israelischen Staat „Judäa und Samaria“ genannt und allgemein als Westjordanland bezeichnet, sind ein Archipel palästinensisch verwalteter Inseln. Die rund 20 Kilometer breite Zone wird mit Ausnahme des Gebietes um Jericho (arabisch: Ariha) vom Militär besetzt. Andererseits ist ein Landstreifen entlang der „Grünen Linie“, der jetzt durch die Sicherheitsbarriere begrenzt und teilweise durchtrennt wird, im Widerspruch zu den UN-Resolutionen stark besiedelt. Gab es 1993, als die Osloer Abkommen unterzeichnet wurden, 260.000 israelische SiedlerInnen im Westjordanland und in Ostjerusalem, so sind es heute mehr als 600.000 in etwa 140 Kolonien. Vor allem hier hat Israel eine Apartheidsituation geschaffen, in der Israelis das beste Land besetzen und Vorrang beim Zugang zu Ressourcen haben, während PalästinenserInnen von Mauern, Militärstraßen und Kontrollpunkten eingeschlossen sind und ihre Dörfer und Städte oft von Hügelsiedlungen bewaffneter und aggressiver SiedlerInnen dominiert werden.

Die „Sicherheitsbarriere“, jetzt international als „Apartheids-Mauer“ bekannt, verstößt gegen das Völkerrecht, obwohl natürlich keine internationale Behörde und keine Staatsmacht Israel dafür belangen kann und will. Ebenso sind die Ausrufung Jerusalems als „ungeteilte“ und ewige Hauptstadt Israels 2018 und deren Anerkennung durch die Vereinigten Staaten weitere Maßnahmen, um zu verhindern, dass die Stadt jemals zur Hauptstadt Palästinas wird. Israel behindert aufdringlich politische Aktivitäten der PalästinenserInnen, die in bürgerlichen Demokratien Grundrechte sind. Kontrollpunkte und Trennmauern behindern die Bewegungsfreiheit, was das Funktionieren des palästinensischen Legislativrates erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. Seine Mitglieder und ParteivertreterInnen sind oft lange im israelischen „Sicherheitsarrest“ oder gar in Haft weggesperrt. Einige Abgeordnete (vor allem von der Hamas) wurden sogar durch die israelischen Sicherheitskräfte ermordet.

  • Reißt die Apartheidmauer nieder! Für die Freizügigkeit aller PalästinenserInnen im gesamten Gazastreifen, im Westjordanland und in Israel.
  • Widerstand gegen das Recht Israels, PalästinenserInnen aus dem historischen Palästina auszuweisen, und gegen die Erpressung durch eine „Anerkennung des Existenzrechts Israels“, mit der dies gerechtfertigt wird.
  • Wir fordern die Abschaffung der segregierten Siedlungen im Westjordanland und ihre Umwandlung in multiethnische Gemeinschaften unter der Kontrolle demokratisch gewählter Versammlungen.
  • Keine internationale Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Anerkennung als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates.

Ende Juni 2018 befanden sich 5.667 palästinensische Sicherheitshäftlinge und politische Gefangene, darunter mehrere hundert Kinder, in Verwahrung durch den Israelischen Gefängnisdienst (IPS).

  • Wir fordern ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.

Ein wichtiger Schritt im Befreiungskampf besteht darin, die korrupte und kollaborative Fatah-Führung zu ersetzen. Wir kämpfen für:

  • freie und faire Wahlen zu einer palästinensischen verfassunggebenden Versammlung.

Für Frauenbefreiung

Frauen sind seit den 1920er Jahren, als sie mit Männern gemeinsam gegen die britische Besatzung protestierten, im palästinensischen Kampf aktiv. Sie mussten in der Nakba Grausames erleiden einschließlich brutaler Vergewaltigungen, die darauf abzielten, die Bevölkerung zu demütigen, zu demoralisieren und die ethnischen Säuberungen zu beschleunigen. Dennoch haben Frauen in den Flüchtlingslagern und im Exil ihre Strukturen erhalten und ihre Identifikation mit der Heimat an nachfolgende Generationen weitergegeben. In der Zeit des Guerillakampfes wurde Leila Chaled zu einem internationalen Symbol des gesamten Kampfes.

Auch heute noch werden Frauen an israelischen Kontrollpunkten absichtlich gedemütigt und schikaniert. Auch israelische Bomben kümmern sich nicht um das Geschlecht ihrer Opfer. Obwohl die traditionelle palästinensische Gesellschaft sozial konservativ ist und Frauen und Mädchen vor dem, was als „unehrenhafte“ Aktivität gilt, „schützt“, fanden viele Frauen durch politische Bildung und Mobilisierung zur Freiheit. Während der beiden Intifadas wurden Frauen zu Organisatorinnen der Gemeinschaften und bildeten Straßenkomitees und andere Organisationen.

Obwohl die Rolle der Frauen als entscheidend anerkannt wurde, sind sie immer noch selten an politischer Entscheidungsfindung beteiligt. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA/PNA) beschränkt die Beschäftigung von Frauen auf Berufe wie Sekretärinnen oder Lehrerinnen an öffentlichen Schulen. In der Führung der wichtigsten palästinensischen politischen Parteien sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert.

Der Sieg der Hamas in Gaza war ein Rückschritt für die Rechte der Frauen, da sie darauf drängte, das palästinensische Recht durch die Scharia (wörtlich: gebahnter Weg; religiöses Gesetz) zu ersetzen. Frauen sind verpflichtet, islamische Kleidung zu tragen und kulturelle Einschränkungen hinzunehmen. Oft können sie ohne die Erlaubnis eines männlichen Verwandten nicht einmal das Haus verlassen. Dennoch setzen sich palästinensische Frauenaktivistinnen für Gesetze zum Schutz von Frauen vor Ehrenmorden und männlicher häuslicher Gewalt ein. Vor kurzem zeigte der Große Rückkehrmarsch, an dem bis zu 40 % Frauen teilnahmen, wie bei dem Intifadas davor, dass der Kampf gegen die israelische Herrschaft mit dem für die Befreiung der Frauen zusammenhängt und ihn stärkt.

  • Beendigung der Schikanen von israelischen SoldatInnen gegen Frauen und deren Durchsuchungen an Kontrollpunkten.
  • Gleiche Rechte und Zugang zu Bildung für Frauen, gleiche Eigentumsrechte, gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
  • Positive Diskriminierung bei der Auswahl von weiblichen Mitgliedern zu allen politischen und staatlichen Gremien und Diensten.
  • Keine Straffreiheit für diejenigen, die Frauen ermorden, vergewaltigen und schlagen, seien es Verwandte oder Fremde.
  • Für Zentren zur Frauenförderung und medizinische Versorgung, für das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und über die Geburt eines Kindes zu entscheiden.
  • Aufhebung aller patriarchalen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, der Kleidung und der PartnerInnenwahl von Frauen.
  • Für eine unabhängige und demokratische palästinensische Frauenbewegung.

Für eine sozialistische Ein-Staaten-Lösung

In Wirklichkeit ist die „Zwei-Staaten-Lösung“ tot. Die Anerkennung in Worten existiert als Feigenblatt für israelische Übergriffe. Für die USA und die westeuropäischen Staaten rechtfertigt sie die anhaltende Unterstützung für Israel, und für reformistische Parteien wie die britische Labour-Partei ermöglicht sie es  zu ignorieren, dass die Existenz des Staates Israel als jüdischer Staat die Auslöschung der palästinensischen Nationalität bedeutet.

Den gegenwärtigen zionistischen Staat zu stürzen bedeutet nicht, die israelische Nation zu vernichten. Keine ernstzunehmende palästinensische Organisation verlangt dies. Alle islamistischen Bewegungen, Könige und DiktatorInnen in der arabischen Welt, die in der Vergangenheit impotente antisemitische Drohungen ausgesprochen haben oder heute aussprechen, die „Jüdinnen und Juden ins Meer zu treiben“, sollten aufs Schärfste verurteilt werden. Sie sind keine FreundInnen, sondern FeindInnen sowohl der PalästinenserInnen als auch des israelischen Volkes.

Nur die ArbeiterInnenklassen dieser nationalen, sprachlichen und religiös-kulturellen Gemeinschaften, ihre Jugend, ihre Frauen können den Sturz des Zionismus erreichen. Gegenwärtig sind die meisten israelisch-jüdischen ArbeiterInnen durch den Gewerkschaftsbund Histadrut an den Unterdrückerstaat gebunden. Die Histadrut (wörtlich: Zusammenschluss) war nie eine echte Klassengewerkschaft, sondern eine der Hauptagenturen für die Enteignung und ethnische Trennung der ArbeiterInnen. Fortschrittliche israelische ArbeiterInnen, die die Sicherheit einer freien und gleichberechtigten Gesellschaft anstreben, sollten sich vom Histadrut lösen und mit ihren palästinensischen Brüdern und Schwestern gemeinsame Gewerkschaften bilden.

PalästinenserInnen als unterdrücktes Volk haben kein Interesse daran, die Unterdrückung umzukehren, wie es die ZionistInnen taten. Wir lehnen Antisemitismus entschieden ab und begrüßen all jene Jüdinnen und Juden in Israel und weltweit, die die palästinensischen Rechte und das Ziel unterstützen, ein Land ohne nationale, rassische, religiöse oder sprachliche Privilegien für eine einzelne Gemeinschaft aufzubauen.

Zwar würde die Rückkehr von Millionen palästinensischer Flüchtlinge zu ernsthaften sozialen und wirtschaftlichen Problemen führen, wenn es den KapitalistInnen und dem Markt überlassen bliebe, sie zu organisieren. Es gibt jedoch einen Weg, wie das historische Land Palästina beiden Nationen Platz bieten kann. Der einzige Weg, den Konflikt um den Zugang zu Land, Arbeit, Bildung und Wohnen zu lösen, ist das vergesellschaftete Eigentum an Produktionsmitteln, Grundstücken, Fabriken, Büros und ebenso die gleichberechtigten Bereitstellung von Gesundheit, Bildung und Wohnen, koordiniert durch einen demokratischen Plan.

Deshalb kämpfen wir für eine sozialistische Lösung, die auf dem gemeinsamen Besitz des Landes und aller wichtigen Produktionsmittel basiert. Das bedeutet nicht die Enteignung derjenigen, die das Land tatsächlich bewirtschaften, sondern im Gegenteil ihnen zu ermöglichen, es zu entwickeln und zu verbessern, damit sie ein gutes Leben für sich selbst und Lebensmittel und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse für die Dörfer, Städte und Gemeinden schaffen, was zu einem demokratisch vereinbarten Plan beiträgt.

  • In den Fabriken und anderen Betrieben kämpfen wir für ArbeiterInnenkontrolle und -verwaltung.
  • Das Land den kleinen Bäuerinnen und Bauern! Wir fordern die Verstaatlichung des Landes, damit diejenigen, die es ursprünglich bestellt haben und es wieder bewirtschaften wollen, zurückkehren können, und die Israelis, die das Land seit vielen Jahren bewirtschaften und dies fortsetzen wollen, dies zusammen mit ihren palästinensischen Brüdern und Schwestern in demokratischen Genossenschaften tun können, die Lebensmittel für die Gesamtbevölkerung liefern.
  • Vollständige Verstaatlichung aller Banken und Finanzinstitute unter  ArbeiterInnenkontrolle.
  • Verstaatlichung der gesamten Großindustrie unter der ArbeiterInnenkontrolle und Einrichtung von branchenübergreifenden Ausschüssen, um einen Plan für Produktion und Vertrieb zu erstellen.
  • Für ein umfangreiches Programm von öffentlichen Arbeiten zum Bau von Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern. Einrichtung von integrierten Arbeitsgruppen, die je nach Bedarf Wohnraum zuweisen.
  • Für einen regionalen Plan der Energieerzeugung, weg von den fossilen Brennstoffen hin zur Stromerzeugung mittels erneuerbarer Energien.
  • Unterstützung der Kämpfe anderer ethnischer Minderheiten innerhalb des zionistischen Staates, z. B. chinesischer und osteuropäischer WanderarbeiterInnen.
  • Unterstützung für alle sozialen und wirtschaftlichen Kämpfe der israelisch-jüdischen ArbeiterInnen und Jugendlichen, solange diese nicht darauf abzielen, Privilegien gegen ihre Klassenbrüder und -schwestern aufrechtzuerhalten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Befreiung der PalästinenserInnen in Israel und in den besetzten Gebieten sowie in den Flüchtlingslagern nur durch eine Strategie der permanenten Revolution erfolgen kann. Das bedeutet die Umwandlung des demokratischen Kampfes gegen die nationale Unterdrückung in einen für Gemeineigentum, Planung und Kontrolle unter einer ArbeiterInnen- und Bauern-/Bäuerinnenregierung. Es bedeutet auch die internationale Ausweitung der Revolution. Palästina ist ein kleines Land, und sein Weg zum Sozialismus wird nur auf der Grundlage der Ausbreitung einer miteinander verbundenen demokratischen und sozialistischen Revolution in der gesamten Region erfolgreich sein.

Für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens

Vor fast zweihundert Jahren begannen die kapitalistischen Länder Europas, Teile des Nahen Ostens im untergehenden Osmanischen Reich zu erobern. Seit einem Jahrhundert wird der enorme Ölreichtum des Nahen Ostens von diesen Mächten geplündert, nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem durch die Vereinigten Staaten. Sein natürlicher Reichtum floss nach Westen und Osten, um die industrielle und kommerzielle Entwicklung Europas, Amerikas und Japans nach dem Krieg voranzutreiben, während die Massen der arabischen Länder und des Iran unter korrupten und diktatorischen Regimen in Armut lebten.

Israel ist ein Keil, der in die zersplitterte arabische Welt getrieben wurde. Milliarden von US-Dollar haben einen militärisch mächtigen Brückenkopf aufgebaut, dessen Armee im Bedarfsfall als Gendarm agieren kann. Israel ist eine Hightech-Militärmacht mit Atomwaffen und mit 6,5 Milliarden Dollar Jahresumsatz einer der weltweit größten Waffenexporteure. Es steht unter keiner ernsthaften Bedrohung durch die viel schwächeren arabischen Staaten oder den Iran. Doch Israel und die USA haben alle angegriffen oder mit einem Angriff bedroht, die sich ihren Wünschen widersetzen, egal wie unwirksam oder symbolisch.

  • Das Vertreiben dieser imperialistischen Mächte und ihrer verschiedenen regionalen HandlangerInnen stellt daher eine wesentliche Voraussetzung für die Freiheit für Palästina und ein Ende des rassistischen Siedlerstaates dar.
  • Wir kämpfen für die entschädigungslose Verstaatlichung aller Dachgesellschaften (Holdings) der imperialistischen multinationalen Konzerne, der Ölgesellschaften und ihrer Vermögenswerte in der gesamten Region.
  • Wir fordern von den imperialistischen Staaten und den Ölkonzernen eine massive Entschädigung für ihre Überausbeutung der Region im letzten Jahrhundert.
  • Alle US-Basen, alle „westlichen“ Truppen müssen verschwinden. Schließung aller ihrer Stützpunkte und Militärhäfen. Die anhaltenden mörderischen Aktionen Russlands in Syrien zeigen, dass das Gleiche für dessen Standorte in diesem Land gilt.

Welche Art von Partei kann dies erreichen?

Der israelische Staat kann nur dann besiegt und die Möglichkeit eines sozialistischen Staates nur dann eröffnet werden, wenn er im revolutionären Kampf, gegen die zionistische herrschende Klasse, unter der Führung von PalästinenserInnen und den fortschrittlichen Kräften innerhalb der israelischen Gesellschaft zerstört wird. Wir können uns nicht der Illusion hingeben, dass dies weniger als einen Massenaufstand und eine Bewegung erfordert, die diese endgültige Konfrontation planen und vorbereiten muss. Nur eine revolutionäre Partei kann die Avantgarde der ArbeiterInnen und Jugendlichen auf diese Aufgabe vorbereiten. Daher muss sich die Partei bei Bedarf illegal organisieren und auch eine disziplinierte Kaderpartei repräsentieren, die den demokratischen Zentralismus anwendet, um ihre Wirksamkeit und Überlebensfähigkeit unter repressiven Bedingungen zu gewährleisten.

Die revolutionäre Partei wird offen sein für alle AvantgardenkämpferInnen, die ihr Programm unterstützen. Sie muss ArbeiterInnen, Frauen, Jugendliche und Intellektuelle erreichen und einbeziehen. Sie wird versuchen, fortschrittliche israelisch-jüdische ArbeiterInnen und Jugendliche in ihre Reihen zu holen.

Sie wird sich zum Ziel setzen, nicht nur für den Sturz der israelischen Regierung, sondern auch der korrupten PA zu kämpfen und sie durch eine konstituierende Versammlung zu ersetzen, die mit der Ausarbeitung der Verfassung eines binationalen, säkularen, demokratischen und sozialistischen Staates beauftragt ist. Auf dem Höhepunkt dieses revolutionären Kampfes treten wir dafür ein, eine ArbeiterInnen- und Bauern-/Bäuerinnenregierung an die Macht zu bringen. Ihr Ziel wird darin liegen, die Macht in die Hände von Delegiertenräten zu legen, die arbeitenden Menschen zu bewaffnen und so den repressiven bürgerlichen Staat zu zerschlagen.

Die folgenden Losungen fassen die Strategie zusammen, für die in Palästina und von der internationalen ArbeiterInnenklasse zu kämpfen ist:

  • Nieder mit allen imperialistischen Mächten, AusbeuterInnen und UnterdrückerInnen der Völker des Nahen Ostens!
  • Zerschlagt den zionistischen Staat, ein Instrument des Imperialismus!
  • Für den Sieg der nationalen Befreiung des palästinensischen Volkes!
  • Für permanente Revolution in Palästina und im Nahen Osten!
  • Für ein sozialistisches Palästina innerhalb Vereinigter Sozialistischer Staaten des Nahen Ostens!
  • Für die Fünfte Internationale, eine zentrale Waffe der ArbeiterInnen und aller unterdrückten Völker, die für ihre Befreiung kämpfen!
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