Arbeiter:innenmacht

„Tag der Entscheidung“ – zur Versammlung der kämpfenden studentischen Hilfskräfte

Wilhelm Schulz, Infomail 986, 6. Februar 2018

Am vergangenen Freitag, dem 2. Februar, versammelten sich in einem Vorlesungsraum des A-Gebäudes der Technischen Universität über 400 studentische Hilfskräfte (SHK) und solidarische UnterstützerInnen, um über die Perspektiven des Arbeitskampfes zu beraten.

Der Grund dafür ist klar: Seit 2001 kam es zu keinerlei Lohnerhöhung. Die Forderung einer Anhebung von 10,98 Euro auf 14 Euro entspricht dabei dem Inflationsausgleich. Der Freitag war der insgesamt fünfte Warnstreiktag der SHK in diesem Jahr. Die Notwendigkeit zu diskutieren bei dieser Versammlung war jedoch auch klar. Bislang gibt es von Seiten der Hochschulen und dem Kommunalen Arbeit„geber“verband (KAV) nämlich kein gemeinsames Verhandlungsangebot. Lediglich die TU hat eine einseitige Lohnerhöhung auf 12,13 Euro beschlossen. Ein möglicher Hintergedanke dessen ist die Befriedung der wohl schlagkräftigsten Hochschulbelegschaft, und die SHK anderer Hochschulen zu schwächen und kommende Tarifauseinandersetzungen noch mehr zu zerstreuen. Ähnlich wie es auch die Ausgliederung aus dem TV-L (Tarifvertrag der Länder) bereits getan hat, was im Übrigen zum Erliegen studentischer ökonomischer Streiks für mehr als 32 Jahre führte.

Ablauf

Nun kamen also die SHK zusammen, um über die Form des weiteren Arbeitskampfes zu diskutieren. Vom Erzwingungsstreik über Warnstreiks bis hin zur reinen Fokussierung auf Verhandlungen: Mögliche Vorschläge gab es viele. Dafür nahmen wir uns knapp 3 ½ Stunden Zeit. Hierfür gab es die unterschiedlichsten Plenar- und Gruppenrunden. Ob eine gemeinsame Resolution; Gruppendiskussionen, gegliedert nach Einsatzgebieten der SHK (Wissenschaft, IT, Verwaltung, Tutorien usw.); Fragerunden; Vorträge; Videobotschaften und so weiter und so fort: An den unterschiedlichsten Formen mangelte es nicht. Nur eines fehlte: demokratische und offene Diskussionen mit einem schlussendlich verbindlichen Auftrag.

Die Kleingruppen führten zwar dazu, dass jede teilnehmende Person bessere Beteiligungsmöglichkeiten hatte, aber sie versperrten eine kollektive Debatte über die Kampfperspektive. So kam raus, was rauskommen musste. In der Plenardebatte kamen nur die zu Wort, denen das Mikrofon direkt in die Hand gedrückt wurde. So konnte direkt vor der Abstimmung über die Perspektive ein Sprecher der GEW Berlin zu Wort kommen. Dieser sagte, dass eine Ausweitung des Streiks doch die Kräfte aller kämpfenden SHK um einiges mehr belasten würde. Interessanterweise sprach er einen Redebeitrag zuvor davon, dass es rechtlich und moralisch nicht bedenklich sei, im Prüfungszeitraum zu streiken, da die Arbeit„geber“seite verpflichtet sei, die Prüfungen umzusetzen – links blinken, rechts abbiegen. Eine ver.di-Vertreterin sprach zuvor davon, dass wenn „wir“ jetzt streikten – damit war der Erzwingungsstreik gemeint -, die Türen für neue Kräfte zugeschlagen würden. Es fragt sich, wie viele SHK im Zuge der Streikoffensive den Gewerkschaften beitraten, vermutlich einige mehr als bei regulären gewerkschaftlichen Werbefeldzügen.

Insgesamt ähnelte das Veranstaltungsprogramm stärker einer Inszenierung als einem demokratischen Meinungsaustausch. Und das Traurige war, dass es aus den Reihen der AktivistInnen keine offene Kritik an der Rolle der Gewerkschaftsbürokratie gab – andere konnten ja nicht ohne weiteres zu Wort kommen. Ein Höhepunkt, der dies ausdrückte, war die absolute Mehrheit, die dafür stimmte, dass das, was wir hier beschlossen, überhaupt keinen verbindlichen Charakter für die Tarifkommission haben sollte. Nebenbei bemerkt: Wer alles in der Tarifkommission sitzt, haben wir auch nur erfahren, wenn die Personen sich in ihrem Redebeitrag nebenbei darauf bezogen. Die Frage ihrer erneuten demokratischen Legitimierung und eventuellen Neuwahl ließ die Veranstaltungsregie dabei erst gar nicht aufkommen.

Vermutlich nicht, weil der Charakter der Versammlung an sich auch gar nicht so klar erkenntlich war. Welche Kontrollmöglichkeiten besaß sie überhaupt gegenüber der Tarifkommission? Um eine Urabstimmung handelte es sich nicht. Diese bräuchte ja zuvor eine Bestätigung der jeweiligen Gewerkschaftsgremien, bei ver.di sogar vom Bundesvorstand – äußerst „demokratisch“. Eine Betriebsversammlung war es auch nicht, warum müsste denn sonst ein Warnstreik erklärt werden? Viel mehr schien das Ganze eine Warnstreikzusammenkunft zu sein. Warum reiten wir hier auf der Rechtsform herum? Weil diese einen Einfluss auf die Kontrollmöglichkeiten hat. Und Die gewählte Form stellte – trotz vollmundiger Worte – keinem „Tag der Entscheidungen“ dar. Vielmehr war es eine „offene“ Form der Legitimation einer Kampftaktik, die der Gewerkschaftsapparat schon vorab festgelegt hatte.

Wenn es das nicht war, dann interessiert uns Folgendes: Was ist die Position der Mitglieder der TK zur Tarifauseinandersetzung? Ist sie einheitlich? Wenn nein, warum holen sich die jeweiligen Positionen keine Mehrheit in der Versammlung ein? Warum können wir nicht Mitglieder der Tarifkommission wählen und abwählen je nach ihrer Position? Und warum haben wir die undemokratischen gewerkschaftliche 75 %-Zustimmungsklausel, wenn wir nicht einmal einen formal gewerkschaftlichen Versammlungsstatus haben?

Ergebnisse

Als Mitglieder der Gruppe ArbeiterInnenmacht intervenierten wir mit einem Vorschlag an die Versammlung. Wir setzten uns für kollektive Debatten in der großen Plenarrunde ein und warben in den Einzelgruppen für die Losung des Erzwingungsstreiks. Denn dieses Kampfmittel ermöglicht uns jetzt, den Druck auf die Arbeit„geber“seite zu erhöhen und eine regelmäßige Diskussion auf den Streikversammlungen über die Perspektive des Arbeitskampfes zu führen. Mittels solcher Methoden kann auch ein Abschluss, der gegen die Interessen der Mehrheit der SHK laufen könnte, abgewehrt werden – eine Gefahr, die wenig Aufmerksamkeit findet.

Schlussendlich sprach sich die absolute Mehrheit dafür aus „[…], den Druck weiter zu erhöhen. 91 % stimmten dafür, noch dieses Semester weitere Streiktage einzulegen und auf einen großen Streik im Sommersemester hinzuarbeiten.“ (TV-Stud Berlin, Facebook-Post, 5.02.18, 10:58). Daneben war in einer vorherigen Abstimmung ein relevanter Teil dafür, zu Beginn des kommenden Semesters direkt in den Erzwingungsstreik überzugehen. Die Frage des sofortigen Erzwingungsstreiks fand weitgehend Ablehnung, kein Zufall beim Verlauf der Debatte. Doch auch wenn die Ergebnisse nicht alle auf das hinausliefen, was wir uns wünschten, so war es unterm Strich doch eine schlagkräftige Versammlung. Die weiterführende Kampfbereitschaft unter den SHK ist hoch. So sprach sich beispielsweise eine Diskussionsrunde dafür aus, in diesem Semester 10 weitere Streiktage durchzuführen, wenn es schon nicht zur sofortigen unbefristeten Arbeitsniederlegung käme. Wir freuen uns auf die kommenden Arbeitskämpfe und werden sie tatkräftig unterstützen. In diesem Sinne: „Durch die Unis geht ein Ruck, SHK machen Druck!“

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