Helga Müller, Infomail 1045, 7. März 2019
Wie fast schon vorauszusehen war, endete auch diesmal die Tarifrunde der Länder nach einer mehrtägigen Marathonsitzung bei der letzten – bereits im Vorfeld vereinbarten – Verhandlung am 2. März mit einem Ergebnis. „Fast“, weil in dieser Tarifrunde die Blockadehaltung der öffentlichen Arbeit„geber“Innen doch sehr klar war. Selbst nach der zweiten Verhandlungsrunde waren sie nicht bereit, auch nur ein kleines Entgeltangebot zu machen.
Auf der anderen Seite haben sich noch nie zuvor soviel Beschäftigte der Länder – vor allem in den Sozial- und Lehrbereichen – mobilisiert. Es schien zunächst, dass die öffentlichen Arbeit„geber“Innen zu einer härteren Gangart bereit waren. Tatsächlich gab es am Schluss der Tarifverhandlungen zwischen dem SPD-Verhandlungsführer Matthias Kollatz und vor allem seinen CDU-LänderkollegInnnen wohl noch ein zähes Ringen, das verhandelte Ergebnis zwischen der TdL (Tarifgemeinschaft der Länder) und den Gewerkschaften doch noch anzunehmen. Er erhielt zwar 60 Prozent für seinen Kompromiss auf der TdL-Mitgliederversammlung, aber einige waren eben auch nicht dafür. Niedersachsens Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) hätte sich „insgesamt einen weniger haushaltsbelastenden Abschluss gewünscht.“ (zit. nach sueddeutsche.de vom 3. März 2019). In Dresden ließ Finanzminister Matthias Haß (CDU) verlautbaren, dass der Abschluss zu geringeren Ausgaben in anderen Bereichen führen könnte: „Wir haben Vorsorge getroffen, aber das Geld fehlt dann an anderer Stelle, zum Beispiel für Investitionen.“ (zit. nach sueddeutsche de. vom 3. März 2019)
Doch die Realität sieht so aus, dass beide Tarifparteien – ganz in der Tradition der Sozialpartnerschaft, in der sich vor allem ver.di und die Vertreter der Länderregierungen seit Jahrzehnten üben – mit dem erzielten Ergebnis ganz zufrieden sind. Mathias Kollatz sprach von einem „fairen Tarifabschluss“ (sueddeutsche.de vom 2. März 2019) und Frank Bsirkse, der Verhandlungsführer auf Gewerkschaftsseite, zeigte sich höchst zufrieden und sprach von dem besten „Ergebnis im Länderbereich für einen Lohnabschluss seit Jahren“. Er redete sogar von „spektakuläre(n) Attraktivitätsverbesserungen für einzelne Berufsgruppen.“ (zit. nach: suedeutsche.de vom 3. März 2019).
Wie immer bei Tarifergebnissen, die im öffentlichen Dienst erzielt werden, ist dieses nicht leicht zu bewerten, da ja das Tarifwerk selbst sehr komplex ist und diesmal auch die Forderungen sich bekannterweise nicht nur auf reine Entgeltforderungen beschränkten, sondern auch auf eine Überprüfung der Entgeltordnung und Besserstellung von einzelnen Berufsgruppen.
Zu den wichtigsten Ergebnissen:
Die Große Tarifkommission hatte gleich nach dem Aushandeln des Ergebnisses diesem Kompromiss mit Applaus zugestimmt. Es sollen nun zwar die Mitglieder dazu befragt werden, das dient aber nur dazu, dem Ergebnis eine zusätzliche demokratische Legitimation zu verleihen.
Zunächst sieht das Ergebnis auf den ersten Blick sehr positiv aus im Vergleich zu den übrigen Abschlüssen im Jahr 2018.
Was aber daran als Erstes auffällt, ist die sehr lange Laufzeit von 33 Monaten – im öffentlichen Dienst nicht wirklich ungewöhnlich, auch die Laufzeit des TVöD VKA beträgt 30 Monate -, was eine Synchronisierung der Laufzeiten der Tarifverträge im öffentlichen Dienst aber immer schwieriger macht. So sind Bund und Kommunen nächstes Jahr mit ihrer Tarifrunde dran. Bekanntermaßen verfügt ver.di gerade im kommunalen Bereich noch über sehr gut organisierte Kampftruppen wie z. B. bei der Stadtreinigung. Eine Vereinigung der Tarifkämpfe und damit der Belegschaften im öffentlichen Dienst – wie es zu Zeiten des BAT (Bundesangestellten-Tarifvertrag, der für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst galt) üblich war – würde natürlich die Kampfkraft und die Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den öffentlichen Arbeit„geber“Innen deutlich erhöhen und gäbe auch die Chance, die Bezahlung der Länderbeschäftigten schneller an das Niveau der KollegInnen in Bund und Kommunen anzugleichen.
Vor allem gibt der Abschluss den Ländern für fast drei Jahre (genauer gesagt für 2 Jahre + 9 Monate) „Planungssicherheit“ und die Gewissheit, dass es zu keinen weiteren Streiks in Kitas, Schulen oder Krankenhäusern kommt. Dies bildete auch ein gewichtiges Argument im ersten Kommentar des TdL–Verhandlungsführer Matthias Kollatz (SPD), der auf dem Kompromiss bestand, auch wenn sich die Kosten für die Länder nach seinen Angaben auf mehr als sieben Milliarden Euro belaufen werden.
Zum anderen ist die dritte und letzte allgemeine Erhöhung ab 1. Januar 2021 um 1,4 % für 9 Monate sehr gering. Eine eher klägliche Erhöhung, zumal keiner voraussagen kann wie sich die Inflationsrate entwickeln wird. Bei näherer Betrachtung sieht das eher nach einem Reallohnverlust für 2021 aus und damit nach einem weiteren Abhängen der Länderbeschäftigten von den anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes.
Zum Dritten – auch wenn die Durchsetzung einer sog. sozialen Komponente, die die unteren und mittleren Einkommen etwas stärker anhebt, und die Angleichung der ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen an den TVöD VKA zu begrüßen sind – muss man festhalten, dass damit sicher die Auseinanderentwicklung der Gehälter im öffentlichen Dienst – zwischen Ländern auf der einen und Bund/Kommunen auf der anderen Seite – nicht aufgehalten werden konnte. Dazu trägt, wie oben bereits erwähnt, auch die lange Laufzeit bei und erschwert die ganze Sache noch dazu.
Last but not least fordern ver.di und die GEW zwar die zeitnahe Übernahme des Tarifabschlusses auf die ca. 2,3 % BeamtInnen und VersorgungsempfängerInnen. Da dies aber alleinige Ländersache ist und von den Beschlüssen der Landtage abhängt, kann dies in unterschiedlichen Ländern auch eine unterschiedliche Besoldung bedeuten. Heute schon verdienen BeamtInnen in Bayern mehr als im Rest der Republik. Ein weiterer Wehrmutstropfen besteht darin, dass für das Land Hessen, das seit 2004 nicht mehr der TdL angehört, die Tarifrunde noch aussteht. Aber zumindest steht im hessischen Koalitionsvertrag, dass eine Rückkehr in die TdL geprüft werden soll. Es liegt an ver.di und den verhandelnden Gewerkschaften, dies auch in der Tarifrunde einzufordern und zu erzwingen!
Natürlich geht niemand davon aus, dass in einer Tarifrunde dieses Auseinanderdriften, das seit 2007 – parallel zum Beginn der getrennten Verhandlungen von Ländern und Bund/Kommunen – begonnen hat, wettgemacht werden kann, aber die Frage darf gestellt werden:
Hätten die streikenden KollegInnen in den Dienststellen, in den Behörden, in ihren Einrichtungen die Möglichkeit gehabt, vor Annahme des Kompromisses in aller Ausführlichkeit dieses Ergebnis zu diskutieren und darüber zu entscheiden, hätten sie es dann auch angenommen oder hätten sie dafür gestimmt, in die Urabstimmung über einen Durchsetzungsstreik zu gehen?
Nur so wäre es möglich gewesen, substantielle Verbesserungen und einen realen Schritt zur bundesweiten Angleichung der Gehälter durchzusetzen. Diese Chance wurde von den Führungen von ver.di und GEW verspielt. Die Tarifkommissionen schufen mit ihrer Zustimmung gleich „Fakten“. Die noch ausstehende Befragung der Mitglieder verkommt zur Pseudo-Demokratie, die die Entscheidung bloß absegnen soll.
Somit reiht sich dieser Abschluss in die Linie von ver.di im öffentlichen Dienst, aber auch der GEW, ein: ein bisschen was für die Mitglieder und Beschäftigten rauszuholen, um nicht zu schlecht dazustehen, aber den Länderregierungen auch nicht zu sehr weh zu tun und ihnen auch eine längere Planungssicherheit zu geben. Auch in dieser Tarifrunde ließ ver.di vermissen, den Konflikt zwischen den Interessen der Beschäftigten nach mehr Geld und denen der Länder, lieber mehr einzusparen, politisch zuzuspitzen, indem sie zumindest die Forderung nach einer höheren Besteuerung der UnternehmerInnen und Vermögenden und Stopp aller weiteren Privatisierungen aufgestellt hätte. Damit einhergehend wurde auf die Zuspitzung der Tarifrunde für die eigenen Forderungen verzichtet. Statt für diese konsequent mit einem bundesweiten Streik zu kämpfen, begnügte sich die Bürokratie damit, den „Sozialpartner“ durch von oben kontrollierte Mobilisierung zur Rückkehr zur „Partnerschaft“ zu drängen. Diese wurde zweifellos gestärkt – und damit die Chance für eine echte Trendumkehr im Öffentlichen Dienst wieder einmal vertan.