Workers Power Britannien, Infomail 1260, 17. Juli 2024
Der langweiligste aller Wahlkämpfe hat die interessantesten Ergebnisse hervorgebracht. Labour gewann 411 Sitze mit nur 33,7 % der Stimmen. Ihr Vorsitzender Keir Starmer erhielt sogar weniger Stimmen als Jeremy Corbyn bei der „historischen“ Niederlage von 2019. Und Corbyn konnte sein Abgeordnetenmandat in Islington North mit über 7.000 Stimmen Vorsprung vor Labour halten.
Die Labour-Partei hat ihren „Erdrutschsieg“ dank unseres undemokratischen Mehrheitswahlsystems erzielt. Da sich die 38 % der rechten Wähler:innenschaft in England und Wales auf die Tories und die Reformpartei aufteilten, gewann die Labour-Partei landauf, landab Dutzende von Sitzen, obwohl sie insgesamt Stimmen verlor.
Dieses archaische Wahlsystem bedeutet, dass Millionen von Wahlberechtigten nicht repräsentiert sind, während andere stark überrepräsentiert sind. Es muss durch die demokratischste Form des Verhältniswahlrechts ersetzt werden. Wir sollten auch die Abwählbarkeit von Abgeordneten fordern, wenn sie ihre Versprechen nicht einhalten.
Nichtsdestotrotz sitzen Starmer und Rachel Reeves (Schatzkanzlerin) jetzt im Regierungssitz in der Downing Street. Sie und andere Labour-Minister:innen können sich nicht länger hinter nichtssagenden Slogans wie „Wandel“ verstecken. Sie müssen Taten folgen lassen. Millionen von Gewerkschafter:innen und Labour-Anhänger:innen werden sie mit Argusaugen beobachten und ihren eigenen Forderungen Nachdruck verleihen müssen.
Dass Labour an der Regierung ist, ändert nichts an den Zielen unseres Kampfes – wir werden weiterhin an allen Fronten kämpfen müssen –, aber es verändert das Schlachtfeld. Labour ist im Wesentlichen die Partei der bürokratischen Führer:innen der Gewerkschaften und teilt deren Ansichten: Kompromisse mit den Boss:innen, Vorrang für die Finanzen des Landes, Loyalität gegenüber dem britischen Imperialismus usw.
Wir wissen, wie eine Labour-Regierung von der ersten Woche an versuchen wird zu „handeln“. Starmer, David Lammy (Außenminister) und John Healy (Verteidigungsminister) forderten auf der NATO-Konferenz in Washington mehr Massenvernichtungswaffen, um die globale Macht des Westens zu sichern.
Finanzministerin Reeves ging direkt ins Bankenzentrum, die City, um günstige, d. h. profitable Bedingungen für ihre Investitionen in „Wachstum“ auszuhandeln. Gesundheitsminister Wes Streeting könnte mit den Ärzt:innen eine Einigung über die Gehälter erzielen, aber die großen Gewinner :innen sind die multinationalen privaten Gesundheitsunternehmen, denen große Teile des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS angeboten werden.
Einige Gewerkschaftsführer:innen haben erklärt, dass es keine „Flitterwochen“ für die neue Regierung geben sollte. Aber die meisten werden sich zunächst mit dem Angebot zufriedengeben, das ihnen im Allgemeinen mehr Verhandlungsrechte einräumt.
Selbst Sharon Graham, Generalsekretärin der Gewerkschaft Unite, wird sich wahrscheinlich nur um einen Abbau von Arbeitsplätzen und eine Rettungsaktion für den Stahlkonzern Tata Steel bemühen, obwohl sie fordern sollte, dass Labour das Unternehmen ohne Entschädigung und unter Arbeiter:innenkontrolle verstaatlicht. Nachdem wir so lange von Brosamen gelebt haben, müssen wir aufholen und die volle Wiederherstellung von Arbeitsplätzen, Löhnen und öffentlichen Ausgaben fordern.
So wie die Mitglieder der Basis mit ihren Gewerkschaftsführer:innen darüber streiten müssen, was wir von Starmer und Reeves fordern können, so wird auch die breitere Arbeiter:innenklasse in unseren Gemeinden, an unseren Schulen, Universitäten und Arbeitsplätzen an die Grenzen einer Labour-Regierung stoßen.
Unsere Aufgabe ist es also, die Gewerkschaften und sozialen Bewegungen dazu zu bringen, die kommenden Angriffe von Labour zu bekämpfen – mit der bestehenden Führung, wo möglich, und ohne, wo nötig. Deshalb ruft Workers Power zu einer Einheitsfront all jener Kräfte auf, die bereit sind zu kämpfen. Diese Einheitsfront sollte sich auf Aktionsausschüsse stützen, die auf die Bedürfnisse der Bewegung reagieren können, mit Delegierten von Gewerkschaften, der Uni-Camps der Student:innen, sozialen Bewegungen wie Palästinasolidarität und Umweltschützer:innen. Gemeinsam können wir entweder Labour dazu zwingen, für uns und nicht für die Boss:innen zu liefern, oder, wenn sie sich weigert, Massenkräfte zu sammeln, die eine kämpferische Alternative zu ihr als Partei der britischen Arbeiter:innenklasse aufbauen können.
Wir schlagen die folgende Ausgangsbasis für ein gemeinsames Vorgehen vor: