Andy Yorke, Infomail 1285, 26. Juni 2025
In seiner Antrittsrede drohte Trump mit der Abschiebung von „Millionen und Abermillionen krimineller Ausländer:innen“, ein immer wiederkehrendes rassistisches Thema, mit dem er Migrant:innen mit der Gewalt von Drogenbanden in Verbindung brachte. In einer seiner ersten Verfügungen, „Protecting the American People Against Invasion“ (Schutz des amerikanischen Volkes vor Invasion), versprach er, illegale Migrant:innen, deren Zahl offiziell auf über 11 Millionen geschätzt wird und die eine wichtige Arbeitskraft in Sektoren der US-Wirtschaft, insbesondere in der Landwirtschaft, im Gastgewerbe und im Baugewerbe, darstellen, zusammenzutreiben und abzuschieben.
Die Welle von Razzien und Verhaftungen durch die gefürchtete Einwanderungs- und Zollbehörde (Immigration and Customs Enforcement; ICE) seit Trumps Amtseinführung hat sich jedoch auf Asylsuchende, etablierte legale Communites und Personen ausgeweitet, die sich gegen die US-Außenpolitik ausgesprochen haben, insbesondere Aktivist:innen, die sich für Palästina einsetzen.
In den USA sind 15,6 % der Bevölkerung im Ausland geboren, das sind etwa 52 Millionen Menschen. Fast die Hälfte davon sind eingebürgerte Staatsbürger:innen, ein Viertel hat einen legalen Aufenthaltsstatus und ein Viertel ist ohne Papiere, während 4,4 Millionen Kinder von „illegalen“ Migrant:innen geboren wurden. Nach US-Recht wären sie somit Staatsbürger:innen, da sie im Land zur Welt kamen. Unter Verletzung der US-Verfassung versucht Trump, ihnen aber die Staatsbürger:innenschaft zu entziehen, und biegt das Gesetz bis zum Äußersten, um sie zu verhaften, einzusperren und abzuschieben. Migrant:innen und ihre Kinder haben Angst, zur Arbeit, zur Schule, zum Arzt oder sogar zum Supermarkt zu gehen, aus Furcht, dass ICE-Beamt:innen sie „verschwinden“ lassen könnten.
Sobald Trump sein Amt antrat, „bereinigte“ die US-Zoll- und Grenzschutzbehörde (Customs and Border Protection; CBP) ihre wichtige App für Asylsuchende, mit der sie Termine für Vorstellungsgespräche buchen konnten, sagte dabei einfach Zehntausende Termine ab und ersetzte sie durch Anweisungen, die USA sofort zu verlassen.
Trump hat befristete Schutzprogramme beendet, die über einer Million Migrant:innen, darunter Ukrainer:innen, Afghan:innen, Kubaner:innen, Haitianer:innen, Nicaraguaner:innen und Venezolaner:innen, einen unbefristeten Aufenthalt und Arbeit auf „Bewährung“ ermöglichen.
Die Ministerin für Heimatschutz, Kristi Noem, forderte die Betroffenen auf, sich selbst auszuweisen, bevor die ICE sie aufspürt, und startete eine App für illegale Migrant:innen, die ihnen 1.000 Dollar Bestechungsgeld und einen kostenlosen Flug anbietet.
Trump hat Panama und andere Staaten unter Druck gesetzt, als „Brückenländer“ zu fungieren, in denen Asylbewerber:innen untergebracht werden, während die lokale Regierung über ihre Rückführung oder alternative Aufnahmeländer verhandelt. Da jeder vierte Dollar, der in Mittelamerika im Umlauf ist, aus Überweisungen stammt, wird dies den Ländern wirtschaftlich schwer schaden – ein weiteres Beispiel dafür, wie Trump die Kosten für „Making America Great Again“ auf ärmere Länder abwälzt.
Als im Februar drei Flugzeuge mit 299 Asylbewerber:innen in Panama landeten, wo sie in einem streng bewachten Hotel untergebracht wurden, hängten sie Schilder mit der Aufschrift „Hilfe“, „Bitte retten Sie die afghanischen Mädchen!“ und „Wir sind in unserem Land nicht sicher“ an die Fenster. Viele hatten keinen Zugang zu Anwält:innen. Unterdessen sitzen 120.000 Asylsuchende außerhalb der USA fest, ihre Anträge wurden abgelehnt, während Trump 59 weiße südafrikanische Farmer:innen einfliegen ließ, die angeblich von „Völkermord“ bedroht sind.
Um seine harte Vorgehensweise zu rechtfertigen, hat Trump die Zahl der Personen mit Vorstrafen oder Gang-Mitglieder stark übertrieben. Im März wurden 200 venezolanische Migrant:innen, angeblich Gang-Mitglieder, mit Hilfe des autoritären Präsidenten und MAGA-Günstlings Nayib Bukele illegal nach El Salvador abgeschoben. Viele von ihnen hatten Berichten zufolge gültige Visa für den Aufenthalt in den USA und waren unschuldig.
Als sie in das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis von El Salvador gebracht wurden, mussten sie sich in Unterwäsche hinknien und wurden gewaltsam kahl geschoren, bevor schwer bewaffnete Polizist:innen in Sturmhauben sie in Zellen führten.
Als Bundesrichter James Boasberg am 15. März die Abschiebungen stoppte, ließ Trump die Flugzeuge mit den Abgeschobenen um 16 Uhr starten, um die Entscheidung zu umgehen. Trotz einer gerichtlichen Anordnung, umzukehren, landeten die Flugzeuge in El Salvador und Honduras, woraufhin Bukele triumphierend „Oopsie … Too late“ auf X mit einem „lol“-Emoji twitterte, was von Trumps Außenminister Marco Rubio zustimmend kommentiert wurde.
Trump versprach vor seiner Wahl mehrfach: „Ich werde das Gesetz über feindliche Ausländer:innen von 1798 anwenden, um jedes kriminelle Migrant:innennetzwerk, das auf amerikanischem Boden operiert, zu zerschlagen.“ Dieses Gesetz, das ausdrücklich auf Kriegszeiten beschränkt ist und bisher nur dreimal (alle während tatsächlicher Kriege) angewendet wurde, erlaubt es dem Staat, Bürger:innen feindlicher Länder ohne Rechtsmittel, einschließlich des Rechts auf Vorführung vor einem/r Einwanderungs- oder Bundesrichter:in, zu verhaften und abzuschieben. Trump-Beamt:innen bestehen darauf, dass nur der Präsident das Recht habe, zu entscheiden, ob das Land angegriffen werde!
Trump hat seine Angriffe auf Nichtstaatsangehörige ausgeweitet, die legal in den USA leben, arbeiten oder studieren, und nutzt dabei die Grauzone ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung aus. Mahmoud Khalil, ein palästinensischer Aktivist der Columbia University, wurde am 8. März trotz eines Visums, das ihm einen legalen Daueraufenthalt gewährt, entführt. Viele andere ausländische Akademiker :innen wurden seitdem trotz gültiger Visa verhaftet oder an der Einreise in die USA gehindert.
Dies wird nun aufgrund ihrer politischen Aktivitäten auf Hunderte von ausländischen Student:innen ausgeweitet. Marco Rubio prahlte: „Wir machen das jeden Tag. Jedes Mal, wenn ich eine/n dieser Verrückten finde, entziehe ich ihm/r das Visum.“ Es wurde ein neues KI-Tool entwickelt, um die Social-Media-Konten derjenigen zu durchsuchen, „die Hamas oder andere als terroristisch eingestufte Gruppen zu unterstützen scheinen“, wobei rechtsextreme Gruppen dabei helfen, potenzielle Ziele zu identifizieren.
Die Frage nach dem Recht von Migrant:innen auf freie Meinungsäußerung wurde seit den McCarthy-Hexenjagden in den 1950er Jahren nicht mehr vor US-Gerichten verhandelt.
An seinem Amtseinführungstag zitierte Trump Napoleon Bonaparte: „Wer sein Land rettet, bricht kein Gesetz.“ Und tatsächlich hat Trump offene Verachtung für widrige Urteile von Richter:innen oder ausdrückliche Klauseln der US-Verfassung gezeigt.
Er hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die berühmte „Gewaltenteilung“ zu brechen und die Autorität des Präsidentenamtes zu stärken. Aber hat es funktioniert? Trumps Kundgebungen, bei denen er seine MAGA-Anhänger:innen aufwiegelt, die Razzien der Einwanderungsbehörde ICE und die im Fernsehen übertragenen Abschiebungen haben sicherlich viele davon abgehalten, die Grenze zu überqueren. Im Februar waren es nur noch 8.347, der niedrigste Stand seit Jahrzehnten. Die „New York Times“ berichtete: „Einst überfüllte Migrant:innenunterkünfte sind leer. Anstatt nach Norden zu ziehen, kehren immer mehr Menschen, die in Mexiko gestrandet sind, in ihre Heimat zurück. Die Grenze ist fast nicht wiederzuerkennen.“ Diese Razzia gegen Migrant:innen hat die ohnehin schon immensen verfassungsmäßigen Befugnisse des US-Präsidenten bis an ihre Grenzen ausgereizt und zu Konflikten mit der Justiz geführt. Thomas Homan, Trumps rechtsradikaler ICE-Direktor, erklärte gegenüber Fox News, die Abschiebungsflüge würden „nicht eingestellt werden“.„Es ist mir egal, was die Richter:innen denken“, obwohl er nun erklärt, dass man die Gerichtsentscheidungen respektieren werde.
Vizepräsident Vance hat seinerseits getwittert: „Richter:innen dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren.“ Ein Großteil dieser Angelegenheiten ist nun vor Gericht anhängig und wird vor dem mit Trump-Anhänger:innen besetzten Obersten Gerichtshof verhandelt – wie wird dieser entscheiden?
Um zurückzuschlagen, hat der Präsident den Druck seiner Gefolgsleute außerhalb der Verfassung genutzt. Auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social hat er den „radikalen linken verrückten Richter“ und „Unruhestifter“ James Boasberg angegriffen: „Dieser Richter sollte, wie viele der korrupten Richter:innen, vor denen ich erscheinen muss, seines Amtes enthoben werden!!!“ Er hat sich mit der republikanischen Mehrheit im Kongress abgestimmt, um Gesetzesvorlagen zur Amtsenthebung von Boasberg und anderen „Unruhestifter“-Richter:innen einzubringen.
In seiner ersten Amtszeit verlor Trump 80 % der 246 Fälle, die vor Gericht kamen, was die Beamt:innen zwang, ihre Vorschläge so zu überarbeiten, dass sie mit der Verfassung und dem Bundesrecht vereinbar waren, was eine erhebliche Einschränkung für Trumps Initiativen darstellte. Jetzt zieht er alle Register und erlässt Durchführungsverordnungen gegen Anwaltskanzleien, die Fälle gegen seine Politik übernehmen, indem er ihnen Bundesaufträge verbietet und sie wegen Fehlverhaltens anzeigt. Interessenverbände und Menschenrechtsgruppen berichten bereits, dass sie von Kanzleien, die sie früher verteidigt hätten, nun ausgegrenzt werden.
Doch wenn Trump mit ernsthaften rechtlichen und verfassungsrechtlichen Einschränkungen konfrontiert ist, steht hinter ihm eine massive, potenziell gewalttätige MAGA-Bewegung, die in den Strukturen der Republikanischen Partei verankert ist. Darin eingebettet sind offen faschistische Gruppen, wie diejenigen, die 2021 den Sturm auf den Kongress angeführt haben.
Er könnte durchaus radikalere Taktiken verfolgen, wenn die Justiz seine öffentlichkeitswirksamsten Maßnahmen blockiert. Der US-Präsident hat ein starkes Interesse daran, seine Basis mit „großen Erfolgen“ wie dem Rückgang der Migration und dramatischen, im Fernsehen übertragenen Razzien auf Kurs zu halten. Wenn jedoch seine versprochenen Investitionen und Arbeitsplätze ausbleiben, könnte Trumps Einwanderungspolitik hässliche Auswirkungen in Form von gewalttätigen Ausschreitungen haben.
Welche Opposition gab es bisher gegen Trumps brutale Anti-Einwanderungspolitik? Die Demokrat:innen haben sich im Kongress weitgehend zurückgehalten und sind mit der Vorbereitung der Zwischenwahlen im nächsten Jahr beschäftigt. Und obwohl Migrant:innen in den letzten zwei Jahrzehnten eine wichtige Rolle bei der Organisation und Durchführung von Streiks gespielt haben, haben die Gewerkschaften „toxische“ Themen wie Einwanderung gemieden.
Die Streiks am 3. Februar, dem „Tag ohne Migrant:innen“, waren ein kleiner Anfang, aber die US-Arbeiter:innen und die Jugend müssen kämpfen, um eine Basisverteidigung gegen ICE-Razzien aufzubauen und die Gewerkschaften in den Widerstand gegen Trump einzubeziehen. Dabei müssen sie sich von der Taktik des Wartens auf die Demokrat:innen lösen und eine neue kämpferische „Partei der Arbeit“ aufbauen, mit einem Programm, das darauf abzielt, den Kapitalismus mit seinem Rassismus, Nationalchauvinismus und seinen Grenzen durch eine Revolution abzuschaffen.