Arbeiter:innenmacht

Kampf der Werksschließung: Streik bei Audi in Brüssel

Jona Everdeen, Mattis Molde, Infomail 1270, 13. Dezember 2024

Volkswagen hat gedroht, bis zu drei Werke schließen zu wollen. Am stärksten gefährdet sind das Werk in Osnabrück sowie die Werke in Ostdeutschland, die nicht unter den Haustarifvertrag fallen. Doch nicht nur Volkswagen selber will Jobs vernichten und Stellen streichen, auch seine Tochter Audi. Allerdings momentan noch nicht in Deutschland – so läuft das Audi-Hauptwerk in Ingolstadt noch verhältnismäßig gut –, sondern im Nachbarland Belgien. Um genauer zu sein, in dessen Haptstadt Brüssel. Dort sind die Begründungen und Bedingungen für die Schließung ähnliche wie die, die uns in Zukunft vermutlich auch in Deutschland erwarten werden. Doch der Kampf der Belegschaft ist ein ganz anderer, als wir es die letzten Jahre hier kannten.

Audi und das Werk in Brüssel

Bereits im Februar nächsten Jahres sollen nun in Brüssel die Werkstore schließen, für immer. Das Werk galt einst als „Fabrik der Zukunft“, als Leuchtturm der Autoproduktion in Europa. Doch der teure Luxus E-SUV „Q8 e-tron“ verkauft sich nicht. In diesem Segment hat man keine Chance gegen ausländische Konkurrenz. Wonach es eher verlangen würde, sind günstige E-Autos, nur, die wollte man bei Audi nicht bauen, der SUV versprach mehr Gewinn. Doch mit Ausbleiben dieses Gewinns sieht der Audi-Konzern nun keinen Wert mehr in seinem einstigen Vorzeigewerk, in dem statt wie geplant jährlich 40.000 im letzten Jahr nur einige tausend Autos dieses Modells gebaut wurden. Die Produktion des elektrischen SUVs wird man keineswegs grundsätzlich einstellen, sondern ins billigere Mexiko verlagern. Und ein anderes Modell produzieren will man auch nicht, oder zumindest nicht hier. Auch eine andere Firma, die das Werk übernehmen könnte, wurde nicht gefunden, obwohl, zumindest angeblich, eifrig gesucht worden war.

Insgesamt scheint man in der Konzernführung, trotz der insgesamt schwierigen Lage froh zu sein, das Werk in Brüssel bald loszuwerden. Sein Betrieb war teuer, seine zentrale Lage sorgte für logistische Probleme. Eigentlich war der Plan gewesen, das Werk noch bis Ende 2025 weiter laufen zu lassen, schrittweise Arbeitsplätze über ein Jahr abzubauen und die Lichter erst danach endgültig ausgehen zu lassen. Allerdings wurde nun beschlossen, den Termin vorzuverlegen. Betroffen davon werden direkt 3.000 Arbeitsplätze sein und indirekt 1.500 weitere in Zulieferbereichen, die nichts mehr zu beliefern haben und darum ebenfalls die Produktion einstellen müssen.

Audi-Brüssel steht nun als trauriges Beispiel für möglicherweise weit Schlimmeres. So befürchten belgische Gewerkschafter:innen, man könnte hier symptomatisch eine immer weiter voranschreitende Deindustrialisierung Europas beobachten. Darauf springen die Konzernbosse gerne an und lenken die Schuld weg von ihrer eigenen Profitmacherei. Während man „tief in der Krise steckt“, war das Ausschütten von Rekordividenden im letzten Jahr kein Problem. Die Klimagesetze der EU würden dafür sorgen, dass es unmöglich sei, in Europa noch profitabel zu produzieren. Was man nicht so offen sagt, aber sicherlich genau so meint: Auf Dinge wie Arbeitsrechte und angemessene Löhne muss man in den Ländern, in die man seine Produktion verlagert, wie eben Mexiko, Indien oder Brasilien, auch nicht so sehr achten. Und wenn die Regierungen denn diese nur eifrig einschränken und Löhne drücken würden und Gewerkschaften wie Sozialdemokratie das akzeptierten, dann könnte man, zusammen mit der Aufhebung des lästigen Klimaschutzes, auch wieder über mehr Produktion in Europa nachdenken.

Der Kampf gegen die Werksschließung

Doch während den Sozialpartner:innen von der IG Metall hier nichts anders einfällt, als lieb zu bitten, sich das Ganze vielleicht noch einmal, in Gedenken an die jahrzehntelange gute „Zusammenarbeit“, anders zu überlegen, haben die belgischen Gewerkschaften ihren Worten auch Taten folgen lassen! Im September kam es zu großen Streiks und Solidaritätsprotesten, an denen tausende Arbeiter:innen teilnahmen, auch aus anderen Bereichen als der Automobilindustrie. So wurde auch der öffentliche Nahverkehr in Solidarität bestreikt – etwas, das hier in Deutschland kaum vorstellbar ist! Und auch jetzt noch, wo die Schließung unvermeidbar scheint, geht der Kampf weiter. Vor ungefähr zwei Wochen stürmten 150 Kolleg:innen des Werkes eine Verhandlungssitzung für einen „Sozialplan“. Dort legten sie einen eigenen Vorschlag auf den Tisch. Anstatt diesen jedoch anzuhören, rief Audi die Polizei, die die Kolleg:innen dann mit Schlagstöcken herausprügelte. Gleichzeitig konnte die Produktion nicht weiter laufen, da die ebenfalls von der Schließung betroffenen Arbeiter:innen des Zulieferers Imperial Logistics streikten. Sie fürchten, dass ihre Abfindungen noch weitaus mieser ausfallen als die der Audi-Stammbelegschaft und sie mit fast nichts auf die Straße gesetzt werden.

Doch nicht nur die Gewerkschaftsbewegung, die sich in Belgien ganz generell wesentlich kämpferischer gibt als in Deutschland – so gab es in den letzten Jahren bereits eintägige Generalstreiks gegen das Abladen der Krisenkosten auf unsere Rücken – unterstützte den Kampf bei Audi. Auch die belgische Klimakoalition, eine Allianz zahlreicher verschiedener Klimagruppen, erklärte sich mit den Arbeiter:innen solidarisch und bezeichnete die Werksschließung als „Symbol eines gescheiterten Strukturwandels“. Worte, die wir von Fridays for Future wohl nicht so schnell hören werden, da freut man sich eher über die Werksschließungen bei VW.

Was jetzt wirklich noch Audi-Brüssel retten könnte, wäre ein gemeinsamer Streik mit VW in Deutschland und den anderen bedrohten Autobelegschaften in Europa. Ford z. B. will Tausende Arbeitsplätze vor allem in England und Köln vernichten, Saarlouis soll demnächst geschlossen werden. Statt die Konkurrenz der Kapitalist:innen mitzumachen, sollten sich die Belegschaften solidarisieren gegen diese. Sonst werden wieder die Arbeiter:innen die Verlierer:innen sein und müssen sich mit mehr oder weniger ordentlichen Entschädigungen zufriedengeben.

Ob Italien, Belgien, Deutschland – Arbeiter:innenkontrolle statt Jobverlust!

Die Gewerkschaftsseite verhandelt über Abfindungen sehr hart. Am 11.12.2024 wurde erneut das Angebot von Audi abgelehnt: Wir wollen unsere Jobs behalten und zwar jeden einzelnen! Ob unsere Arbeit irgendwelchen Nichtstuer:innen, gemeinhin bekannt als „Aktionär:innen“, Profit bringt oder nicht, ist uns dabei völlig wurscht. Was uns aber nicht wurscht ist, ist, dass unsere Arbeit einen Sinn hat. Dass wir Dinge produzieren, die auch wirklich gebraucht werden. Viel zu schwere Luxuskarossen mit E-Antrieb gehören sicher nicht dazu. Für jede/n von uns bezahlbare Kleinwagen sowie schon eher für den Transport geeignete LKWs mit E-Antrieb. Und noch viel mehr andere Produkte, die es für eine echte Verkehrswende, nicht bloß die dem Irrlicht E-Mobilität folgende Antriebswende, braucht. Wo Autos montiert werden können, können auch mit geringen Umbauarbeiten Straßenbahnwagen montiert werden. Wo Autoteile hergestellt werden können, können auch Teile für Busse und Regionalzüge hergestellt werden. Und damit eine vernünftige ökologische Transformation, der nötige Strukturwandel, den Regierung und Konzerne bisher verschissen haben, funktionieren kann, braucht es eine Menge Produktionskapazitäten, eine Menge Arbeitskraft – Ressourcen und Fähigkeiten, die zur Verfügung stehen. So würden die Kolleg:innen in Brüssel sicherlich gerne ihr Werk und ihre Jobs behalten. Nur Audi will das nicht. Und auch hier in Deutschland wollen wir alle Werke behalten und die Kolleg:innen dort ihre Jobs. Nur VW will das nicht. Aber wenn VW die Werke nicht haben will, wir aber schon, warum übernehmen wir sie nicht einfach? Warum besetzen wir nicht einfach unsere Werke, bevor Audi, VW oder sonst wer sie einstampfen kann und fordern den Staat auf, die Werke zu enteignen, die von den Konzernen freiwillig aufgegeben werden? Das mag abenteuerlich klingen, und vielleicht ist es das auch ein wenig, aber unmöglich ist es nicht! So bereits geschehen im italienischen Florenz, wo der Automobilzulieferer GKN sein Werk nicht mehr haben wollte. Die Kolleg:innen wollten es aber behalten, also haben sie das getan, die Kontrolle selber übernommen und die Produktion umgestellt auf Teile, die gebraucht werden, in diesem Fall für Fahrräder und Solarmodule. Warum sollte etwas, das in Florenz geht, nicht auch in Brüssel oder Osnabrück funktionieren? Alles, was wir dafür tun müssen, ist erkennen, dass uns der Konzern nicht retten wird. Im Gegenteil, der ist froh, dass er die lästige „Partnerschaft“ mit uns endlich los ist. Und die Gewerkschaftssekretär:innen, in Deutschland noch mehr als in Belgien, schauen hilflos dabei zu, wie ihre jahrzehntelang ausgetüfftelte Strategie in sich zusammenfällt. Warten wir nicht länger und nehmen wir das Heft selbst in die Hand! Retten wir unsere Arbeitsplätze und arbeiten wir weiter zu unseren Bedingungen!

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