DXR, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
Bernie McAdam, Infomail 1270, 12. Dezember 2024
Nach den Parlamentswahlen in Irland werden die liberal-konservative Fianna Fáil (FF) und liberale Fine Gael (FG) mit Unterstützung einer der kleineren Parteien oder Unabhängigen das Rückgrat der nächsten irischen Regierung bilden. Die jüngste Koalition aus Fianna Fail, Fine Gael und den Grünen war seit 2020 an der Regierung, wobei Fine Gael 14 Jahre lang die Amtsgeschäfte führte und Fianna Fail zuvor 18 Jahre lang. Tatsächlich hat entweder die eine oder die andere Partei den Staat seit etwas mehr als hundert Jahren regiert.
Der jüngste Haushalt sollte die Wähler:innen mit einigen kleinen Realeinkommenszuwächsen und Einmalzahlungen milde stimmen. In Wirklichkeit handelte es sich jedoch um einen zynischen Wahltrick, der den Lebensstandard der Arbeiter:innenklasse, die von all den Jahren der Sparmaßnahmen schwer getroffen wurde, nicht ernsthaft verbessert hat. Dieser knappe Haushalt muss vor dem Hintergrund der erstaunlichen unerwarteten Einnahmen aus der Körperschaftssteuer betrachtet werden: Bis September waren es 17,8 Milliarden Euro für das Jahr, plus eine Steuererhebung auf den IT-Giganten Apple von 14 Milliarden Euro.
Die Regierung verlor ihren Kampf, keine unbezahlten Steuern von Apple zu erhalten, nachdem sie bereits 8 Millionen Euro an Anwaltskosten verschwendet hatte. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof Irland für schuldig befunden, Apple illegale Steuervorteile gewährt zu haben, und trotz Protesten war die irische Regierung gezwungen, das Geld anzunehmen! Dies zeigt den halbkolonialen Status der irischen Wirtschaft ebenso wie ihre Rolle als lukrative Steueroase für imperialistische Unternehmen.
Nach über einem Jahrzehnt der Sparmaßnahmen und einer schweren Wohnungs- und Gesundheitskrise erlebten sowohl FF als auch FG einen deutlichen Rückgang ihrer Unterstützung. Sinn Féin (SF, eine irisch-republikanische Bewegung und Partei) schien auf dem Weg zur Regierung zu sein und lag im Oktober 2023 mit 32 % in den Umfragen weit vorne. Bei den letzten beiden Parlamentswahlen wurden die Stimmen und Sitze für diese drei Hauptparteien jedoch relativ gleichmäßig verteilt. Daher haben FF und FG ihre Ergebnisse weder deutlich verbessert noch sind sie weiter zurückgegangen, während der Aufwärtstrend von SF gestoppt wurde.
Obwohl die Migrationsfrage den politischen Dialog in Irland verändert hat, hat sie die Sitzverteilung im Dáil (Unterhaus des Parlaments der irischen Republik) nicht wesentlich umgekrempelt. Die rechtsextreme Herausforderung bei der Wahl ist ins Leere gelaufen, aber wir sollten die Fähigkeit der derzeitigen Gruppe rechtsgerichteter Abgeordneter nicht unterschätzen, die Hysterie gegen Einwander:innen weiter anzuheizen. Die Ausschreitungen der Rechtsextremen gegen Migrant:innen in Dublin im vergangenen November, die Angriffe auf ihre Unterkünfte und Lager und die Zunahme rassistischer Übergriffe haben die einwanderungsfeindliche Politik anderer Parteien geprägt und das Tempo vorgegeben. Insbesondere SF hat sich davon abschrecken lassen und verkündet nun ironischerweise ihre Ablehnung von „offenen Grenzen“ und die Beschleunigung von Abschiebungen.
Obwohl der rechtsextreme Einfluss eine Kettenreaktion ausgelöst hat, ist die irische Regierung für die jüngste Krise verantwortlich, die das Wachstum der rechtsextremen Rassist:innen begünstigt hat. Zunächst beschlossen die Amtsinhaber:innen, so viele ukrainische Flüchtlinge wie möglich in Unterkünften zusammenzupferchen, während alle anderen Migrant:innen auf sich allein gestellt waren. Dies führte zu Obdachlosenlagern, die zu leichten Zielen für Faschist:innen wurden. Dann schimpfte Taoiseach Harris, dessen Regierung das Problem verursacht hatte, scheinheilig über „Elendsviertel“ in Irland und ließ anschließend die Lager um das International Protection Office (Internationale Schutzbehörde) schließen, nur um die Flüchtlinge in Zeltunterkünften an anderer Stelle im Verwaltungsbezirk Dublin unterzubringen.
Flüchtlinge sind nicht das Problem. Es gab schon immer eine Wohnungskrise! Die völlig unzureichende Reaktion der Regierung wurde durch ihre Unfähigkeit, die Wohnungskrise zu bewältigen, trotz ihres soliden Haushaltsüberschusses, noch verstärkt. In Irland fehlen 250.000 Wohnungen, es herrscht ein chronischer Mangel an bezahlbarem Wohnraum zum Kauf oder zur Miete. Etwa 140.000 leerstehende Wohnungen im Land stehen leer. Fianna Fail und Fine Gael haben zu lange die Interessen multinationaler Konzerne, Immobilienentwicklerfirmen und abwesender Vermieter:innen geschützt. Die Vernachlässigung und diskriminierende Politik ihrer Regierung hat den Aufstieg der extremen Rechten angeheizt.
Wir müssen die Verwendung der Unternehmensmilliarden der Regierung fordern und die Superreichen besteuern, um die Einführung von Notfallmaßnahmen zur Unterbringung aller Obdachlosen zu finanzieren, indem wir leerstehende Gewerbe- und Unternehmensimmobilien umnutzen und ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm auflegen. Ein umfassendes Programm für sozial nützliche öffentliche Arbeiten zur Schaffung von Vollbeschäftigung und zur Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur ist erforderlich. Die Gemeinden der Arbeiter:innenklasse sollten in die Erstellung einer Bestandsaufnahme der sozialen Bedürfnisse als Teil eines demokratisch gestalteten Produktionsplans unter Arbeiter:innenkontrolle einbezogen werden.
Wir brauchen auch dringend eine Einheitsfront der Arbeiter:innen, um alle angegriffenen Migrant:innen zu verteidigen und die faschistischen Terrortrupps zu zerschlagen. Die Rechtsextremen werden nicht bei Flüchtlingen Halt machen, sondern alle sogenannten „Verräter:innen“ ins Visier nehmen, wie sie es bereits mit ihren Attacken auf die Abgeordneten von Sinn Fein und People Before Profit getan haben. Organisierte Selbstverteidigung ist eine Notwendigkeit und muss als Teil des Aufbaus einer gewerkschaftsorientierten antirassistischen und antifaschistischen Bewegung ernsthaft vorbereitet werden.
Die regierenden Parteien haben eine Koalition mit Sinn Fein strikt abgelehnt, zweifellos eine Strafe für ihre historische Verbindung mit dem bewaffneten Kampf gegen Großbritannien, obwohl es eindeutige Beweise dafür gibt, dass SF die parlamentarische Demokratie nördlich und südlich der Grenze begrüßt. Dies hat etwa 20 % der Wahlberechtigten nicht davon abgehalten, SF weiterhin ihre Unterstützung zu geben. Aber das macht sie nicht zu einer echten linken Alternative, vielmehr hat ihre jüngste Annäherung an die rassistische Rechte ihren Ruf als linke Partei weiter beschädigt. Es war jedoch nicht überraschend, im letzten Wahlkampf von zwei Sinn-Fein-Abgeordneten aus Cork zu hören, dass Sinn Fein nun mit der Idee antritt, eine linke Koalitionsregierung mit den Grünen, Labour, den Sozialdemokraten, People before Profit-Solidarity und unabhängigen Linken zu führen.
Die meisten der kleinen Parteien links der Mitte würden jedoch ohnehin eine echte Koalition mit ihren bürgerlichen Herr:innen in FF/FG bevorzugen. Trotz des Zusammenbruchs der Unterstützung für Labour und die Grünen aufgrund der Erfahrungen mit ihren früheren Koalitionen sehnen sie sich immer noch nach einer Regierungsbeteiligung. Natürlich verfügen die Grünen jetzt nur noch über einen Abgeordneten. Die Labour Party und die Sozialdemokratische Partei konnten ihre Zahl der Sitze im Dail auf 22 erhöhen, aber selbst die Sozialdemokrat:innen haben eine Koalition mit FF/FG nicht ausgeschlossen.
Eine „Linksregierung“ mit Sinn Fein ist also kaum realistisch, und selbst wenn sie gebildet würde, wäre sie nur dem Namen nach linksgerichtet. Sinn Fein ist weder eine sozialistische noch eine Arbeiter:innenpartei mit organischen und repräsentativen Verbindungen zur organisierten Arbeiter:innenklasse, auch wenn ein erheblicher Teil daraus für sie stimmt. Das politische Vakuum auf der linken Seite in Irland spiegelt seit jeher das historische Fehlen einer auf den Gewerkschaften basierenden Arbeiter:innenpartei wider.
Eine Regierung von Sinn Fein wäre genauso prokapitalistisch und proimperialistisch wie die Stormont-Regierung im Norden, wo sie die Austeritätspolitik von Westminster umgesetzt und die Teilung zementiert hat. Sie hat dies in Koalition mit der DUP (Demokratisch-Unionistische Partei; größte protestantisch-loyalistsche Partei Nordirlands) getan, einer der reaktionärsten Parteien Europas. Ihre natürliche Heimat wäre ein parlamentarisches Zusammengehen mit der FF im Süden, wie unwahrscheinlich dies auch sein mag, aber selbst eine von Sinn Fein geführte Regierung ohne die FF oder FG würde sie nicht automatisch zu einer linksgerichteten progressiven Amtswaltung machen.
Sinn Fein hat häufig ihren Wunsch deutlich gemacht, der herrschenden Klasse im Süden ein sicherer Partner zu sein, indem sie die Macht der Unternehmen im Staat respektiert und verteidigt. Pearse Doherty, stellvertretender Vorsitzender, flog sogar nach London, um sich mit Investor:innen und Vermögensverwalter:innen zu treffen und ihre Ängste zu zerstreuen. Und wenn Sinn Fein nicht gegen das Großkapital vorgehen will, wie Doherty betont, wie sonst kann dann der Lebensstandard der Arbeiter:innenklasse verteidigt und verbessert werden? Sozialist:innen können eine von Sinn Fein geführte, prokapitalistische Regierung politisch nicht unterstützen, obwohl sozialistische Abgeordnete im Dáil selbstverständlich für jede fortschrittliche Gesetzgebung stimmen würden, wenn sie von Sinn Fein eingebracht wird.
People before Profit (PbP – Menschen vor Profit) ist die einzige linke Partei, die bei den Wahlen antritt und eine Koalition mit den beiden wichtigsten bürgerlichen Parteien definitiv ausgeschlossen hat. Der Wahlblock von PbP mit Solidarity (Socialist Party) wurde nun von fünf auf drei Abgeordnete im Dáil reduziert, und das bei einem Anstieg von nur 5.000 Erstpräferenzstimmen. Die verbliebene Wählerschaft von PbP war ursprünglich auf der Grundlage ihres hohen Bekanntheitsgrads in der siegreichen Anti-Wasser-Gebühren-Bewegung vor einem Jahrzehnt gesichert worden. In jüngerer Zeit trat PbP die Hauptakteurin beim Aufbau und der Initiierung von Maßnahmen zum Schutz von Migrant:innen und im Kampf gegen Rassismus von Dublin bis Belfast, von Cork bis Dundalk auf. Die Partei war an vielen Gemeinschafts- und Wohnungsbaukampagnen beteiligt und spielte eine herausragende Rolle in der palästinensischen Solidaritätsbewegung. Sie Als einzige linke Gruppe war sie bei den Parlamentswahlen eine Stimme wert.
Die Wahl einer starken Gruppe von PbP-Abgeordneten hätte die Frage aufwerfen können, welche Art von Massenpartei die irische Arbeiter:innenklasse braucht, und ob dies das Mittel dafür sein könnte. In dieser Debatte wird es den Sozialist:innen obliegen, absolut klar zu machen, warum eine neue Arbeiter:innenpartei eine revolutionäre sein muss. Wir müssen über den Kampf für Reformen hinausgehen, die nicht mit dem Ziel verbunden sind, den Kapitalismus abzuschaffen und durch den Sozialismus zu ersetzen.
Wir müssen eine Brücke zwischen beiden schlagen, und zwar durch ein Programm von Übergangsforderungen, die auch die Art von Kampforganen der Arbeiter:innen darstellen, die den kapitalistischen Staat herausfordern können. Kurz gesagt, wir brauchen eine neue revolutionäre Partei mit einem revolutionären Aktionsprogramm, das sich auf die täglichen Klassenkämpfe der Arbeiter:innen stützt, um den Kampf für den Sozialismus zu eröffnen.
Leider hat PbP diese Perspektive nicht. Es handelt sich um eine eher reformorientierte Bewegung mit einer losen Organisation und nicht um eine geschlossene Partei, die auf demokratisch-zentralistische Weise effektiver agieren könnte. Während die Notwendigkeit sozialer Kämpfe und Militanz am Arbeitsplatz anerkannt wird, gibt es eine Ehrerbietung gegenüber wahlpolitischen Prioritäten. Ihre Haltung zu der Frage, welche Art von Regierung die Arbeiter:innenklasse in Irland braucht, verrät einen schwerwiegenden Fehler, sich SF anzupassen.
PbP besteht weiterhin darauf, dass eine Unterstützung für eine von Sinn Fein geführte Regierung (oder ein Beitritt zu ihr) ohne FF oder FG willkommen wäre, obwohl Sinn Fein nicht vertraut werden kann, „ein konsequentes linkes Programm durchzusetzen“, und dass ihre „Arbeiter:innenklasse-Bestrebungen“ auf die Probe gestellt werden müssen. Das Problem hierbei ist, dass es keine Organisationen des Proletariats oder „People Power“-Gremien gibt, die Sinn Fein zur Rechenschaft ziehen könnten. Wenn Sinn Fein außerhalb der Regierung nach rechts rutschen kann, stellen Sie sich vor, was sie tun würden, wenn sie unter dem Druck der US-amerikanischen, britischen und EU-Imperialist:innen sowie der irischen Kapitalist:innenklasse in der Regierung wären. Es kann kategorisch festgestellt werden, dass diese Partei kein konsequentes linkes Programm durchführen wird.
Natürlich sind nicht alle PbP-Mitglieder von dieser „Taktik“ überzeugt, da sie beobachten, wie SF nach rechts rückt, insbesondere in der Migrationsfrage, und zweifellos wird die Debatte weitergehen. Aber es ist nicht sinnvoll, die Illusion zu wecken, dass sie einen „linken Deal“ machen sollten, z. B. indem sie Mary Lou McDonald (SF-Vorsitzende) vor der Wahl als Taoiseach (Regierungschefin) unterstützen! Es ist weitaus besser, die Arbeiter:innen im Voraus zu warnen, dass eine von Sinn Fein geführte Regierung sich für die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems einsetzen wird. Mit einer echten Arbeiter:innenregierung hat das nichts zu tun. Wenn wir Sinn Fein auf die Probe stellen wollen, dann fordern wir durch unsere Kampagnen und Gewerkschaftsarbeit, zusammen mit ihren einfachen Mitgliedern, dass ihre Anführer:innen im Interesse der Arbeiter:innen kämpfen, indem sie eine klare Strategie für Aktionen der Arbeiter:innenklasse entwickeln. Wir werden uns nicht durch Anbiederung an Sinn Fein beliebt machen, sondern durch ehrliche und scharfe Kritik an ihrer prokapitalistischen Politik.
Es stimmt auch, dass eine echte Arbeiter:innenregierung außerhalb einer Zeit des zunehmenden Klassenkampfes nach dieser Wahl keine Option ist, aber eine revolutionäre sozialistische Partei sollte erklären, warum wir eine brauchen. Bei allen brennenden Fragen, mit denen die irischen Arbeiter:innen konfrontiert sind, sollten wir uns damit befassen, wie eine Arbeiter:innenregierung ihre Interessen am besten verteidigen und erweitern könnte. Sie müsste sich auf Kampforgane und Rechenschaftspflicht stützen, wie Aktionskomitees, Arbeiter:innenräte und Arbeiter:innenverteidigungstrupps, die ein alternatives Machtzentrum gegen den kapitalistischen Staat schaffen würden. Die dringende Aufgabe für Revolutionär:innen besteht derzeit darin, ein revolutionäres Programm in der Anstrengung für eine Arbeiter:innenrepublik und beim Aufbau einer neuen revolutionären Partei in Irland auszuarbeiten.