Arbeiter:innenmacht

Gegenwehr organisieren, Kürzungen verhindern – aber wie?

Flugblatt der Gruppe Arbeiter:innenmacht Berlin, Infomail 1270, 13. Dezember 2024

Drei Milliarden Euro sollen gekürzt werden – es ist das größte Kürzungspaket seit Jahrzehnten. Schon am 19.12. will der Senat darüber abstimmen. Dabei sind die Folgen gravierend: Kunst, Kultur, Teile der öffentlichen Infrastruktur – überall wird gestrichen und Berlin droht, zu einer Stadt zu werden, die nur für die da ist, die es sich leisten können. Wenn wir unsere Stellen sicher behalten, unsere Stunden ohne vollen Lohnausgleich nicht reduzieren wollen, wenn wir weiterhin Jugendfreizeiteinrichtungen besuchen, Kinderbetreuungs- und Bildungsangebote haben möchten, dann müssen wir jetzt darum kämpfen!

Die Situation am Arbeitsplatz erfassen

Klar ist: Wir brauchen einen gemeinsamen Kampf von allen, die von den Angriffen betroffen sind. Angestellte, Besucher:innen, Studierende, Jugendliche – wir alle müssen auf die Straße, wenn wir das Kürzungspaket abwehren wollen! Das heißt auch, dass alle betroffenen Bereiche gemeinsam kämpfen müssen, anstatt vereinzelt Aktionen zu organisieren. Der Aufruf des DBG zur #unkürzbar-Demonstration vor dem Abgeordnetenhaus ist dafür ein guter Anfang. Doch um möglichst viele Kolleg:innen in diese Kämpfe einzubinden, ist es wichtig, in den einzelnen Betrieben zu intervenieren, wo sie sich befinden, und gleichzeitig die Perspektive des gesamten Kampfes aufzuzeigen.

Insbesondere an Universitäten oder bei Menschen, die Dienstleistungen der sozialen Hilfseinrichtungen in Anspruch nehmen, ist oft nicht klar, inwiefern sie die aktuellen Kürzungen direkt betreffen. Selbst in den Betrieben ist dies nicht allen Kolleg:innen bewusst. Wir müssen deswegen Betriebs- und Vollversammlungen organisieren, die klarmachen, wie unsere Einrichtungen von den Kürzungen betroffen sind, um möglichst viele zu informieren und in Bewegung zu bringen! Klar muss sein: Das Kürzungspaket ist keine abstrakte Finanzentscheidung. Es um Geld, das direkt verwendet wird, um unsere Löhne und Gehälter zu zahlen. Es sind unsere Arbeitsplätze und damit Angebote, welche ohnehin schon knapp sind, die vollständig wegfallen oder reduziert werden. Deswegen brauchen wir Materialien wie Flyer, um auf Kolleg:innen, aber auch Besucher:innen und Nutzer:innen (Studierende, Jugendliche der Einrichtungen der Jugendhilfe, Eltern) zuzugehen und diese in den Kampf einzubeziehen, der auch in ihrem Interesse geführt wird.

Wie müssen wir kämpfen?

Vielen Kolleg:innen ist absolut klar, dass ihre eigenen Interessen durch die Kürzungen und anderen Angriffe direkt bedroht sind, doch stellt sich die Frage, wie man am besten dagegen kämpft. Demonstrationen und Veranstaltungen werden nicht ausreichen, um die Entscheidung des Senats zu kippen. Am 19. Dezember 2024 wird der soziale Kahlschlag wahrscheinlich beschlossen – aber das heißt nicht, dass unser Kampf vorbei ist!

Lasst uns deswegen weiter gehen: Es ist ein gutes Zeichen, wenn der DGB „aus allen unseren Mitgliedsgewerkschaften ein lautes Signal an die Politik senden [will], dass Kürzungen auf unserem Rücken und zulasten der sozialen und wirtschaftlichen Zukunft unserer Stadt mit uns nicht zu machen sind.“ Wenn wir unsere Arbeitsplätze jedoch verteidigen wollen, dann müssen wir zum Mittel des Streiks greifen und eine gesamtgesellschaftliche Bewegung aufbauen! Gemeinsam, projekt- und branchenübergreifend! Lasst uns also den DGB beim Wort nehmen und in den Gewerkschaften dafür kämpfen, dass dieses Versprechen der Einheit tatsächlich eingelöst wird! Wenn GEW, ver.di, IG BAU und IG Metall gemeinsam zu Aktionen mobilisieren, dann müssen sie auch gemeinsam Veranstaltungen an Unis und Betrieben organisieren und gemeinsame Strategien besprechen und verfolgen. Uneinigkeit und die Weigerung, die Aktionen der jeweils anderen Gewerkschaft zu unterstützen, wie zuletzt beim TVL, spielen lediglich dem Senat in die Hände. Wenn neben den sozialen Trägern, Kultureinrichtungen und Universitäten Bereiche streiken, die mehr wirtschaftlichen Druck aufbauen, ist unsere Kampfkraft größer – und die werden wir brauchen!

Streikrecht verteidigen!

Dafür ist es nötig, die künstliche Trennung von wirtschaftlichen und politischen Forderungen für Streiks zu durchbrechen. Wenn der Topf, aus dem meine Stelle bezahlt wird, vom Abgeordnetenhaus als Haushalt beschlossen wird, dann ist die Forderung eine wirtschaftliche, eine tarifliche und damit eine legitime Forderung, die bestreikt werden kann. Gleichzeitig weist jede ökonomische Forderung im sozialen, im Bildungsbereich, aber auch in der Frage der Arbeitszeit einen politischen Bezugspunkt auf. Die Finanzierung des Staatshaushaltes und die Frage, wer welche Steuern zahlt, ist schließlich auch eine politische. Deshalb ist die Vorstellung, es sei nicht legitim, gegen die Einschränkung von Streiks streiken zu dürfen, geradezu absurd! Natürlich darf nicht nur gestreikt werden – es muss!
Es geht nicht nur um die Frage, ob es richtig oder falsch ist, dass Streiks sich ausschließlich auf tarifliche Forderungen beschränken müssen. Es kann nicht nur darum gehen, ob Gerichte diese Streiks billigen oder nicht. Die Gerichte verbieten bereits unsere Streiks, obwohl sie „nur“ tariflich sind, wie wir am Kitastreik sehen konnten. Solche Entscheidungen werden häufiger, während gleichzeitig der Druck von den öffentlichen und privaten Arbeit„geber“:innen zunehmen wird.

Wir müssen dies durchbrechen, wenn wir solche Einschränkungen verhindern wollen. Und wir müssen eine Bewegung aufbauen, welche durch Streiks und Demonstrationen, die Öffentlichkeit schafft, welche solche Arbeitsniederlegungen auch verteidigt und durchsetzt. Als die ersten Gewerkschaften entstanden, waren Streiks wirklich verboten, nicht nur nicht geschützt, wie es die Folge von heutigen Gerichtsurteilen ist, sondern mit Haftstrafen und Schlimmerem belegt. Doch Demonstrationen und Streiks haben das Streikrecht überhaupt erst durchgesetzt. Wir müssen uns nun auf die gleichen Mittel verlassen es zu verteidigen.

Schluss mit Sozialpartnerschaft und Standortpolitik!

Diesen Konflikt erfolgreich zu führen, wird nicht leicht. Die deutsche Wirtschaft ist in der Krise, es wird immer mehr Geld für Militär ausgegeben. Begleitet wird das gesellschaftlich von einem Rechtsruck und weiteren Angriffen auf die Rechte von Arbeiter:innen, Armen und Betroffenen von Sexismus, Rassismus und weiteren Diskriminierungen. Warum schreiben wir das?
Die Politik der Sozialpartner:innenschaft, also der Klassenzusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Unternehmen, führt dazu, dass faule Kompromisse geschlossen und immer mehr Zugeständnisse gemacht werden. Das ist in der  Rezession besonders dramatisch, wie die Abschlüsse in der Metallindustrie, die Schließungen bei VW oder die Aufkündigung der Hauptstadtzulage zeigen. Es liegt in der Natur der kapitalistischen Krise, dass sie jemand bezahlen muss, und die Unternehmer:innen werden immer alles daransetzen, dass es nicht sie sein werden. Wir sollten daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und dafür kämpfen, dass sie es sind, die zahlen müssen. Nicht nur, weil sie es sich mehr leisten können als wir, sondern auch, weil das kapitalistische System, von dem sie profitieren, die Krise verursacht hat. Wenn wir verhindern wollen, dass Konzerne wie VW erst Milliardensummen an die Aktionär:innen ausschütten und dann Stellen abbauen, weil nicht genug Geld da ist, dann müssen wir das bekämpfen.

Und was für VW die Dividendenausschüttungen darstellen, sind für den Staat die Steuergeschenke an die Reichen. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die Forderung nach einer Vermögensteuer und einer „gerechteren Erbschaftsteuer“ des DGB. Dies sind zwar letztlich nur Reformmaßnahmen, die noch nicht den Kapitalismus selbst in Frage stellen – aber es sind Maßnahmen, die einen Schritt vorwärts bedeuten, wenn wir das Absterben unserer kranken Gesellschaft verhindern wollen. Doch sie gehen nicht an die Wurzel und werden deshalb nicht zur Heilung beitragen.

Welche Forderungen brauchen wir?

Der Kampf gegen die Kürzungen stellt die Frage in den Raum: Was soll staatlich finanziert werden, in welcher Höhe und zu welchem Zweck?

Natürlich ist es richtig, dass der DGB stärkere Finanzierungen im sozialen Bereich fordert und auch im Verkehr, beim Umweltschutz usw. Doch damit ist die Frage leider nicht beantwortet, ja nicht einmal angesprochen. Wir befinden uns nicht erst am Beginn von sozialen Angriffen. Wenn wir nicht wollen, dass mehr und mehr weggekürzt wird, müssen wir a) nicht nur gegen die Kürzungen, sondern auch für konkrete Verbesserungen eintreten, b) konkret aufzeigen, wer dafür zahlen soll: die Reichen und Unternehmer:innen, und c) sehr deutlich machen, dass wir uns gegen jegliche Form der rassistischen Spaltung, jeden Ausbau der staatlichen Überwachung und Repression und jede Militarisierung stellen. Das heißt:

Wir brauchen nicht (nur) mehr Geld für Krankenhäuser, wir brauchen die Verstaatlichung ALLER Krankenhäuser, die Abschaffung der Fallpauschalen und den Ausbau des Gesundheitswesens unter Kontrolle der Beschäftigten und Patient:innen! Wir brauchen nicht (nur) mehr Geld für Bildung und Erziehung, sondern müssen das Profitinteresse vollständig aus Bildung und Kindererziehung entfernen, um Erziehung und Bildung erst wirklich zur Aufgabe der Gesellschaft zu machen! Wir brauchen nicht (nur) mehr Geld für Infrastruktur, sondern die Verstaatlichung aller Verkehrsbetriebe und die demokratische Kontrolle durch die Beschäftigten, ihre Gewerkschaften und die lohnabhängige Bevölkerung, welche über Ausbau, Finanzierung und Umfang entscheiden.

Deshalb ist es wichtig, auch innerhalb der Gewerkschaften dafür zu argumentieren und zu kämpfen, dass wir die Zusammenarbeit mit anderen Gewerkschaften ausbauen. Dass wir Streiks gegen Kürzungen ausrufen und wenn diese von Gerichten verboten werden, dann Streiks gegen diese Verbote! Es geht um unsere Interessen als Arbeitende, um unsere Stellen und um unser Recht auf Streik!

Diese Auseinandersetzung erfordert einen langen Atem. Sie erfordert aber auch, ihn nicht nur gewerkschaftlich, sondern auch politisch zu führen und als Teil des Kampfes nicht nur gegen die aktuellen Angriffe, sondern auch gegen das kapitalistische System, das sie hervorbringt.

• Keine Kürzungen, nirgendwo! Erstreiken wir uns unsere Zukunft!

 • Gemeinsam auf die Straße – für ein großes Aktionsbündnis und flächendeckende Mobilisierungen der Gewerkschaften!

 •  Vollversammlungen an allen Unis, in allen Betrieben und Projekten! Lasst uns im Betrieb, an Schule und Uni Streikkomitees aufbauen!

 • Wir zahlen ihre Krise nicht: Für die sofortige Wiedereinführung der Vermögensteuer! Für die massive Besteuerung von Vermögen und Profiten! 115 Mrd. Euro jährlich durch progressive Besteuerung!

 • Hauptstadtzulage statt Einsparungen, massive Investionen in soziale Infrastruktur statt 100 Mrd. für den deutschen Kriegskurs!

Anhang: Kommentar: Kommentar eine Gewerkschafterin


Zur Kundgebung vor dem Abgeordnetenhaus am 5.12.2024 versammelten sich etwa 3.000 Menschen. Sie waren laut und wütend. Und trotz der räumlichen Trennung zwischen sozialen Einrichtungen und Gewerkschaften, die um die Ecke einen eigenen Wagen hatten, mischten sich die Gruppen schnell durcheinander. Denn der Basis ist klar: Nur gemeinsam können wir die Kürzungen stoppen. Also, was soll die Trennung überhaupt?! Unter den Protestierenden fanden sich viele Gewerkschafter:innen von ver.di, GEW und auch andere wie von der IG Metall. Denn es geht nicht „nur“ darum, einen Träger oder Bereich zu „retten“. Es geht darum, diese Angriffe insgesamt abzuwenden und für uns alle Verbesserungen zu erkämpfen!

Die Mitglieder scheinen verstanden zu haben, dass wir Seite an Seite stehen und uns auch über die Differenzen zwischen den Gewerkschaften hinwegsetzen müssen. Als aktive Gewerkschafter:innen rufen wir daher die Führung von DGB, ver.di, GEW und IG Metall auf, die Proteste zu vereinen und nicht von den Arbeit„geber“:innen, auch nicht im sozialen Bereich oder in der Kultur, vereinnahmen zu lassen! Denn eine solche Vereinnahmung birgt auch die Gefahr, dass demokratische und ökonomische Kämpfe im Betrieb dem derzeitigen „allgemeinen Interesse“ gegen die Kürzungen untergeordnet werden. Das dürfen wir nicht zulassen und rufen dazu auf, Aktionskomitees in den betroffenen Betrieben und Projekten zu gründen. Wir müssen notfalls auch den Bruch mit dem/r eigenen Arbeit„geber“:in riskieren anstelle eines Bruchs mit den politischen Forderungen! Ansonsten geht es nach dem kapitalistischen Konkurrenzprinzip: jeder/s (Konzern, Betrieb, Projekt) ist sich selbst am nächsten und wenn es hart auf hart kommt, zeigt sich das auch. Das dürfen wir nicht zulassen und rufen dazu auf, Aktionskomitees in den betroffenen Betrieben und Projekten zu gründen!

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