Arbeiter:innenmacht

Tarifrunde Metall/Elektro: Die IG Metall hat´s in der Hand!

Bild: Simon Zamora Martin, https://www.klassegegenklasse.org/

Mattis Molde, Neue Internationale 285, September 285

Tariferhöhungen sind dringend nötig. Die aktuelle Inflation von 2,4 % liegt im Vergleich zu den Vorjahren zwar deutlich niedriger, aber auch aktuell steigen die Preise weiter. Zwar nicht mehr so schnell – dafür allerdings von einem deutlich höheren Preisniveau aus. 

Wenn wir die Tariferhöhungen der vergangenen Jahre anschauen, gab es seit 2018 gerade mal 12,8 % tabellenwirksame in der Metall- und Elektroindustrie. Die offizielle Inflation summiert sich aber in diesem Zeitraum mit ca. 24 % auf fast das Doppelte. 

Die Verhältnisse sind allerdings nicht gerade günstig für Tariferhöhungen. Die Wirtschaft in Deutschland stagniert, gerade in der Autoindustrie braut sich eine besondere Krise zusammen. Massenentlassungen drohen in vielen Betrieben. Alleine der Autozulieferer ZF will 14.000 Arbeitsplätze streichen. Entsprechend hat Dr. Harald Marquardt, stellvertretender Vorsitzender des Unternehmerverbandes Südwestmetall und dessen Verhandlungsführer, schon vor Monaten erklärt, selbst eine Forderung von null Prozent sei zu hoch.

Auf der anderen Seite haut die Regierung das Geld gerade für eine massive Aufrüstung heraus, spart an Bildung, Gesundheit, Sozialem (Bürgergeld) und treibt immer mehr Menschen in Armut. Finanziert werden neben der Rüstung damit auch fette Zuwendungen an die Unternehmen: Steuersenkungen, Subventionen wie Billigstrom, Transformationsfonds.

Forderungsdiskussion

Im Frühjahr wurde in der IG Metall die Tarifforderung diskutiert – in sehr geregelten Bahnen. Die Mitglieder durften einen Vorschlag machen. In der Befragung, an der 318.000 Beschäftigte (zu zwei Dritteln Mitglieder) teilgenommen haben, sprachen sich nur 10 % für eine Forderung unterhalb 4 % aus, 26 % plädierten für vier bis sechs Prozent, 30 % für 6 bis 8 % und 34 % für mehr als 8 %. Höhere Vorschläge waren nicht vorgesehen.

Durchgekommen ist dann der Vorschlag der Vorsitzenden Christiane Benner von 7 % sowie 170 Euro mehr für Auszubildende und dual Studierende. Alle regionalen Tarifkommissionen haben das wortgleich beschlossen.

Wie schon in anderen Tarifrunden ersetzt auch die IG Metall eine Forderungsdiskussion in den Betrieben, unter Mitgliedern und Vertrauensleuten durch eine pseudodemokratische Umfrage. Statt wenigstens in Ansätzen diskutierter und damit zumindest auf betrieblicher Ebene kollektiv verabschiedeter Forderungen entfällt bei den Umfragen jede gemeinsame Diskussion. Die aktiveren, kämpferischeren und fortschrittlicheren Mitglieder haben noch weniger Möglichkeit, rückständigere und zögerlichere in der Diskussion zu überzeugen. Die Entscheidungsmacht über die Tarifforderungen wird so noch mehr beim Vorstand konzentriert, der sich zudem noch als „demokratischer“ Vermittler zwischen den verschiedenen Wünschen inszeniert. So erscheint dann auch die 7 %-Forderung als ausgewogenes Mittel zwischen höchsten und niedrigsten Forderungen. Statt wenigstens in Ansätzen diskutierter und damit zumindest auf betrieblicher Ebene kollektiv verabschiedeter Forderungen entfällt bei den Umfragen jede gemeinsame Diskussion und damit auch jede aktivierende Vorbereitung auf die Auseinandersetzung.

Beschwichtigen statt kämpfen?

Doch diese versucht der IG Metall-Vorstand, ohnedies zu vermeiden. Auf den provokanten Angriff des Herrn Marquardt fand die Vorsitzende Benner besänftigende Worte: Die „volatile Lage einiger Unternehmen“ sei ihr bekannt und „Unsere Tarifpolitik zeichnet sich durch Verlässlichkeit und Verantwortung aus.“ Die Arbeiter:innen „hätten während der Corona-Pandemie und in unruhigen Zeiten der Teuerungswelle Enormes geleistet und gleichzeitig auf viel verzichtet.“

Schon die Aussagen der Kapitalist:innen zeigen, dass sie diesen „Verzicht“ nicht „respektieren“, wie es Benner fordert, sondern die Absenkung der Reallöhne um rund 11 % freudig eingesackt, hohe Profite erzielt und fette Boni eingesteckt haben.

Das Vorgehen auch der neuen Vorsitzenden macht jetzt schon klar, dass die Verluste der letzten Jahre nur ausgeglichen werden können, wenn sich in der IG Metall mehr ändert als der Name der/s Chef:in: Die Forderung ist schon zu tief angesetzt, Beschwichtigung statt Kampfansage, keine offensiven Konzepte gegen die drohenden erneuten Arbeitsplatzverluste.

Schlechte Erfahrung

Dass Benner auch noch mit dem „Verzicht“ der Beschäftigten „während der Corona-Pandemie und in unruhigen Zeiten der Teuerungswelle“ argumentiert, zeigt, dass sie diesen – wenig überraschend – mit getragen hat. Niemand unter den Beschäftigten hat das gewollt. Gerade vor 2 Jahren standen die Zeichen eigentlich deutlich auf Kampf. 8 % waren gefordert für 12 Monate Laufzeit, über 900.000 Metaller:innen gingen in Warnstreiks.

Die Arbeit„geber“:innen boten erst nichts, dann die steuerfreien Einmalzahlungen. Am Ende wurden diese akzeptiert und die Laufzeit auf 24 Monate ausgedehnt mit späten Tabellenerhöhungen von 5,2 % und 3,3 %. Die IG-Metall-Führung rechnet das alles schön, was Benner jetzt zu Recht als auf „vieles verzichtet“ bezeichnet. Was sie verschweigt: Ihr Vorgänger Jörg Hofmann hatte die Möglichkeit der 3.000 Euro Einmalzahlung steuer- und abgabenfrei in einem Deal mit Kanzler und Kapitalist:innen schon vorher ausgehandelt. So wurde das zum Mittel in allen Branchen eingesetzt, um die nötigen Lohnerhöhungen zu verhindern. Das geschah unter dem Motto „Inflation bremsen“. Herausgekommen sind: kurzfristige Überbrückung für die Lohnabhängigen – dauerhafte Lohnsenkung für die Kapitalist:innen.

Auch die Tatsache, dass aus diesem „Inflationsausgleich“ keine Rentenbeiträge anfallen, kein Arbeitslosen-, kein Elterngeld, wurde damals in der IG Metall nicht diskutiert, sondern totgeschwiegen. Besonders peinlich für den Linken im Vorstand, Hans-Jürgen Urban, dessen Aufgabe als Verantwortlicher für Sozialpolitik dies gewesen wäre.

Tarifritual durchbrechen

Es ist klar, dass Benner und der Rest  des Vorstandes nicht vorhaben, das Geld, das sie damals verschenkt haben, jetzt zurückzuholen. Sie streben einen Abschluss von etwa 2,5 % an. Um das zu verkaufen, werden sie die Laufzeit verlängern, also statt 12 Monaten auf gute anderthalb oder wieder 2 Jahre. Die angekündigte, aber nirgends bezifferte „soziale Komponente“ wird bedeuten, dass ein Teil als Einmalzahlung oder tariflicher Festbetrag kommt. Dann kann niemand genau sagen, wie viel das eigentlich ist, und die Spezialist:innen in den Bezirksleitungen werden das so schönrechnen, dass die Tarifkommissionen das absegnen. Kommissionen, deren Mitglieder nicht frei wählbar sind, sondern von den Ortsvorständen vorgeschlagen und von den örtlichen Delegiertenversammlungen abgesegnet werden.

Die Vertrauensleute und Mitglieder, die am aktivsten sind und ihre Kolleg:innen für Aktionen mobilisieren, werden enttäuscht oder wütend sein und die Gewerkschaftssekretär:innen werden ihnen erzählen, dass leider die Kampfkraft nicht ausgereicht hat.

Natürlich müssen wir mobilisieren. Sonst gibt’s noch weniger oder gar nichts. Aber auch, wenn wir die Verhältnisse in der IG Metall nicht kurzfristig ändern werden, müssen wir die Tarifrunde und die Auseinandersetzungen darum nutzen, um möglichst große Kampfkraft um sie herum zu entfalten, so dass für die 7 % auch ernsthaft mobilisiert wird, nicht nur mit Warn-, sondern auch Erzwingungsstreiks. Zweitens erlaubt das, jene Kräfte zu sammeln, die sich der drohenden Entlassungswelle in der Metall- und Elektroindustrie entgegenstellen, die keineswegs nur bei ZF droht. Diese muss in den Tarifrunden nicht nur thematisiert werden, sondern wir müssen auch einen Kampf gegen Schließungen vorbereiten, der über das sozialpartnerschaftliche Ritual hinausgeht und mit den Methoden des Klassenkampfes wie politischen Streiks und Besetzungen geführt wird.

All das muss im Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung gegen die Bürokratie und die Politik der Sozialpartner:innenschaft zusammengeführt werden.

Die Politik und Strategie der Gewerkschaftsvorstände hingegen läuft auf die Unterstützung der Regierung und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Konzerne hinaus.

Wettbewerbsfähigkeit der Konzerne heißt Lohndrückerei, in Deutschland oder im Ausland. Ausland heißt Verlagerung der Betriebe oder Zulieferer:innen. Inland heißt Stellenabbau, Reallohnverlust, Leiharbeit, Fremdvergabe. Die Hoffnung, dass mehr Wettbewerbsfähigkeit Stellen sichert, hat sich zu oft als Trugbild erwiesen. Zugleich hat sie zu einer tiefen Entsolidarisierung der Metaller:innen geführt: international, aber auch in Deutschland und sogar innerhalb desselben Konzerns.

Unterstützung der Regierung heißt, das Scheißspiel der letzten Tarifrunde mit der Mogelpackung „Inflationsausgleich“ mitzumachen, das Bürgergeld angreifen und somit letztlich alle Löhne drücken zu wollen, Steuererleichterungen für die Reichen, aber keine Kindergrundsicherung, das Streikrecht anzugreifen, dazu noch Milliarden für Rüstung und Krieg aufzubringen, finanzielle, militärische und politische Unterstützung für den Völkermord in Gaza zu leisten.

Kriegsvorbereitung, Aufrüstung und Völkermord – zu allem schweigt die IG-Metall-Spitze, entgegen ihren eigenen Beschlüssen und denen der internationalen Gewerkschaftsverbände, denen die IG Metall angehört. Die eigenen Mitglieder im Stich lassen geht Hand in Hand mit Entsolidarisierung gegenüber den arbeitenden Menschen weltweit.

Selbst aktiv werden!

Deshalb:

  • Die Forderung heißt 7 % Tariferhöhung für 12 Monate!
  • Öffentlich geführte, transparente Tarifverhandlungen!
  • Gewählte Aktions- und Streikkomitees in allen Betrieben, die über alle Aktionen beraten und entscheiden!
  • Urabstimmung jetzt durch breite Debatten vorbereiten! Nach einer Entscheidung für Streik keine weiteren Verhandlungen vor dessen Beginn!

Aus den kritischen Stimmen an der Basis muss eine Bewegung geformt werden! Wir müssen gemeinsam die Initiative in der IG Metall ergreifen! Schließt Euch der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) an, um gemeinsam für eine andere Tarifpolitik zu kämpfen, für eine IG Metall, die kämpfen und gewinnen kann!

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