Arbeiter:innenmacht

Stadtverwaltung Stuttgart: Der Streik ist legal!

Interview mit einer Beschäftigten der Stadtverwaltung, Infomail 1238, 11. Dezember 2023

Die Beschäftigten der Stuttgarter Stadtverwaltung kämpfen seit Wochen für Einkommensverbesserungen. Am 4. Dezember streikten sie für Einkommensverbesserungen im Rahmen der Altersteilzeit und eine Ballungsraumzulage. Das folgende Interview führten wir mit einer Streikenden.

Arbeiter:innenmacht (AM): Hallo, warum habt Ihr am 4. Dezember gestreikt? Der Tarifvertrag TVöD läuft doch noch?

Antwort: Das stimmt. Aber bei der letzten Tarifrunde zum TVöD wurde nicht über das Thema Altersteilzeit entschieden, da ein Abschluss dazu damit verbunden gewesen wäre, eine spätere Tabellenerhöhung zu bekommen. Dies wurde von der Tarifkommission damals abgelehnt.

Dadurch ist man rechtlich beim Thema Altersteilzeit außerhalb der Friedenspflicht und darf dafür streiken. Neben den Beschäftigten in Stuttgart machen auch die in Köln davon Gebrauch. Die Stadt Stuttgart ist gegen den ersten Streikaufruf rechtlich vorgegangen und hat vor Gericht verloren, was schon mal ein wichtiger Erfolg für uns Beschäftigte war.

AM: Es geht also um eine Regelung zur Altersteilzeit?

Antwort: Ja, und um eine Stuttgartzulage: Bei uns in der Betriebsgruppe (BG) ist das Thema Ballungsraumzulage schon länger präsent und es war klar, dass wir es nach der Tarifrunde angehen wollten. Die Stadt München hat ja schon jahrelang eine tarifierte Zulage. In der BG war uns deshalb immer klar, die Zulage wollen wir nur tarifiert. Die Höhe haben wir in der BG diskutiert und haben uns an der Zulage, welche sich die Bürgermeister:innen im März selbst gegeben haben, orientiert: 472,52 Euro im Monat für alle Beschäftigten mehr.

Nachdem wir ja für die Zulage nicht streiken dürfen, haben wir das Streikrecht für die Altersteilzeit genutzt, um das Thema Zulage zu platzieren. Seit Juli haben wir für eine Stuttgartzulage über 7.300 Unterschriften von 11.000 Beschäftigten gesammelt.

AM: Und dann habt ihr losgelegt?

Antwort: Im November war dann der erste Streiktag. Hier wurde der Tag der ersten Lesungen für die Haushaltsberatungen gewählt, da dort der Gemeinderat über das Thema diskutieren und beschließen sollte. Doch der Tagesordnungspunkt wurde verschoben auf den 4. Dezember, also haben wir gestern diesbezüglich nochmal gestreikt. Kurzerhand haben Sie das Thema auf den nächsten Tag, also heute, 5. Dezember, verschoben, was uns alle sehr aufgeregt hat, und wir fanden es auch sehr feige, weil man offensichtlich den Streikenden aus den Weg gehen wollte. Der Streik hat direkt vorm Rathaus und Sitzungssaal stattgefunden.

Doch ver.di hat dann direkt beschlossen, dass wir spontan am Dienstag auch streiken. Das haben wir heute auch getan und der Gemeinderat hat beschlossen, dass es eine Zulage in Höhe von 150 Euro ab 01.07.24 geben solle, aber nicht tarifiert, sondern im Rahmen der Haushaltsbeschlüsse. Das ist eine Klatsche ins Gesicht, da der OB schon vor einigen Monaten angekündigt hat, dass er sich höchstens eine untarifierte Zulage in Höhe von 150 Euro vorstellen kann. Das heißt, unser Streik hat hier an seinem Vorschlag nichts geändert. Ein Gewinn ist nur, dass im nächsten Jahr nochmal über die Tarifierung entschieden werden soll. Anscheinend kann über die Tarifierung nur alle 6 Monate entschieden werden, daher momentan nicht. Was jetzt bzgl. Altersteilzeit beschlossen wurde, weiß ich gar nicht. Ich glaube, über das Thema wurde heute gar nicht gesprochen.

AM: Wie geht es weiter?

Antwort: Die meisten Beschäftigten sind wütend auf den OB. Aufgrund des Ergebnisses treffen wir uns nächsten Montag, den 11.12., wieder in der Betriebsgruppe und diskutieren, wie es weitergeht und ob wir nochmal streiken und wann. Vielleicht im nächsten Jahr erst.

Frage: Kannst du noch was zum Ablauf des Streik sagen?

Antwort: Am Streiktag vom 4.12. gab es eine große Streikversammlung mit offenem Mikro. Das war super, das gab es so während der Tarifrunde TVöD nicht in dieser Form. Die Stimmung war auch sehr gut. Die Beschäftigten im Erziehungs-/Pflegebereich sind einfach komplett am Ende und verzweifelt wegen Überlastung. Die Beschäftigten der Gärtnerei sind komplett unterbezahlt und versuchen, sich mit Nebenjobs über Wasser zu halten. Sie fanden die 470 Euro Zulage im Monat zu wenig – verständlich!

Sonst kamen kaum politische Statements, obwohl bei dieser Versammlung auch politische Gruppen anwesend waren mit ein paar Plakaten oder Flyern.

AM: Was denkst du, wie der Konflikt erfolgreich gewonnen werden kann?

Antwort: Ich finde es schwierig, dieses Thema zuzuspitzen und weiterführende Forderungen zu finden. Es braucht mehr Geld, völlig klar, und ich denke, man könnte in dem Rahmen auch einfach mal Vorschläge machen, woher das Geld kommen soll. Cuno Burne-Hägele, Geschäftsführer von ver.di (Bezirk Stuttgar), ist z. B. auf Stuttgart 21 eingegangen, was ich auch ein gutes Beispiel finde, um zu zeigen, dass Geld da ist.

Wir müssen das auch in der Betriebsgruppe nächsten Montag diskutieren. Die Forderung einer Ballungsraumzulage spielt ja auch bei der Tarifrunde der Länder eine Rolle. Das Teuere in der Stadt sind ja v. a. die Mieten, die dazu führen, dass eine Zulage notwendig wird. Die Forderung, dass der/die Arbeit„geber“:in für die teueren Mieten aufkommen soll, finde ich nicht schlecht, aber eine solche Zulage schließt Personen in anderen Städten aus oder die Leute, die in Stuttgart leben, aber woanders arbeiten. Es braucht ja eigentlich auch eine Zulage wegen Inflation, aber das sollte eigentlich die Tarifrunde ausgleichen,was sie ja nicht getan hat.

Jetzt stellt sich mir die Frage, ob man mit der Forderung einer Zulage einfach dem schlechten Tarifergebnis aus dem Weg geht und versucht, anders an Lohnerhöhungen zu kommen, weil ver.di es in der Tarifrunde verkackt hat, die Reallöhne zu sichern.

AM: Danke Dir, Du hast da wichtige Fragen angeschnitten, die ja auch anderswo gestellt werden. Es braucht wohl noch einige Debatten dazu in ver.di und darüber hinaus. Für Euren Kampf viel Erfolg!

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