Arbeiter:innenmacht

Wir haben uns aber auch versammelt, um anzuklagen!

Rede von Georg Ismael auf der Demonstration „Keine Waffen für den Genozid“ am 10. Dezember, Infomail 1238, 11. Dezember 2023

Wir haben uns heute versammelt, um den Verlust unschuldiger Leben und zehntausender Toter zu beklagen, die in der Tragödie, die sich seit dem 07. Oktober entfaltet, ihr Leben verloren haben.

Wir haben uns aber auch versammelt, um anzuklagen!

Wir klagen Sie an: Herr Scholz, Herr Habeck, Frau Baerbock, Herr Lindner. Wir klagen die deutsche Bundesregierung und den deutschen Staat an. Wir klagen Sie an, sich der Volksverhetzung und der Unterstützung zum Völkermord schuldig zu machen.

Sie haben keine Gelegenheit versäumt, die diskursive Frage des Existenzrechtes von Staaten in den vergangenen Wochen zu betonen. Aber sie leugnen nicht nur das Existenzrecht der palästinensischen Nation und der palästinensischen Staatlichkeit – bis heute erkennt der deutsche Staat diese nicht an. Sie unterstützen aktiv einen genozidalen Krieg gegen die Palästinenser:innen in Gaza. Frau Baerbock und die deutsche Regierung blockieren nicht nur bis heute einen Waffenstillstand. Die deutsche Regierung hat ihre Waffenlieferungen an Israel seit Kriegsbeginn verzehnfacht.

Stimmungsmache

Die Stimmungsmache von deutschen Politiker:innen und deutschen Medien ist nichts anderes als die Einstimmung auf einen Genozid an den Palästinenser:innen, der von hochrangigen israelischen Militärs und Vertretern der israelischen Regierung bereits angekündigt ist und vor unseren Augen durchgeführt wird.

Seit Jahrzehnten unterstützt der deutsche Staat ein koloniales Apartheidregime. Nun hat er diese Unterstützung zur Staatsräson erklärt. Während die Palästinenser:innen sich seit 75 Jahren einer immer aggressiveren ethnischen Diktatur ausgesetzt sehen, regiert heute eine autoritäre Clique um Netanyahu in Israel. Diese stützt sich auf eine wachsende faschistische und bewaffnete Siedler:innenbewegung in der besetzten Westbank.

Diese Kräfte verschärfen seit langem das Besatzungsregime, dehnen illegale Siedlungen aus, führen willkürliche und rechtswidrige Verhaftungen durch, begehen Pogrome an der palästinensischen Bevölkerung in der Westbank und töten willkürlich Palästinenser:innen: 2023 waren es mehr als 200 bis Ende September.

Israel hat seit 2006 bereits sechs brutale Kriege in Gaza und dem Libanon ausgeführt, sowie massive Bombardements in Syrien ausgeführt. Kein Staat der Welt hat mehr UN Resolutionen gebrochen als Israel. Es ist dieser Staat, dem sie ihre bedingungslose Solidarität aussprechen und den Sie endlos mit Waffen beliefern.

In diesem Kontext – den sie der Weltöffentlichkeit und der deutschen Bevölkerung verheimlichen –  wagen Sie es, Palästinenser:innen, linken Jüd:innen und deutschen Sozialist:innen, die sich für eine demokratische, säkulare und sozialistische Einstaatenlösung einsetzen, Antisemitismus vorzuwerfen?

Sie beweisen damit nur, dass die deutsche Kapitalistenklasse und ihre politischen Eliten in Wahrheit bis heute nicht mit ihrer reaktionären Lebensraumideologie von Blut und Boden gebrochen haben. Eine Ideologie, die rechtsradikale und antisemitische Kräfte weltweit mit erneuter Leidenschaftlichkeit unter Schlagworten wie „Ethnopluralismus“ oder „Ethnischer Demokratie“ herausschreien.

Indem Sie ein friedliches Zusammenleben von Palästinenser:innen und Jüd:innen in einem gemeinsamen demokratischen Staat ablehnen und verleugnen, sind Sie es, die sich der Volksverhetzung schuldig machen. Sie vollbringen das Kunststück zugleich tatsächlich antisemitisch und rassistisch zu sein, indem Sie der jüdischen und palästinensischen Bevölkerung absprechen, in Harmonie koexistieren zu können.

Es ist daher kein Wunder, dass Sie für Ihre Israel-Politik frenetisch von der rassistischen und antisemitischen AfD im Parlament beklatscht werden. Diese üble Kriegspolitik ergänzen sie mit umso aggressiveren Unterdrückungspraktiken an der von ihnen praktisch erklärten Heimatfront im Inland.

Sie haben es erlassen und erlaubt, dass in den vergangenen Wochen trauernde Palästinenser:innen auf offener Straße von Polizeibeamten zusammengeschlagen wurden.

Sie haben kritische Jüd:innen, Palästinenser:innen und deutsche Sozialist:innen kriminalisiert und das Recht auf Versammlungs-, Meinungs- und Organisationsfreiheit genauso ausgehebelt, wie die akademische Freiheit.

Nun diskutieren Sie die Verschärfung politisch motivierter Abschiebungen und Ausbürgerungen. Ermutigt von diesem Klima der Angst haben sich in den vergangenen Wochen sowohl antimuslimische als auch antisemitische Angriffe durch deutsche Rechtsradikale massiv vermehrt.

Ich richte mich daher nun insbesondere an die schweigende deutsche Gesellschaft:

Nie wieder ist Jetzt!

Lasst nicht zu, dass die deutsche Regierung vor euren Augen nicht nur einen Genozid leugnet, sondern zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg in einer nie dagewesenen Aggressivität unterstützt.

Ich schäme mich heute mehr denn je ein deutscher Staatsbürger zu sein. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem nicht nur meine palästinensischen Genoss:innen, sondern auch meine linken jüdischen Genoss:innen, deren Verwandte in der Shoah ihr Leben verloren, ausgebürgert werden sollen, weil Sie sich weigern ein koloniales Apartheidregime anzuerkennen.

Sollte dieser Tag kommen, dann bitte ich Sie, bleiben Sie sich auch in dieser Hinsicht Ihren Vorvätern treu. Entziehen Sie diesem deutschen Kommunisten zuerst die Staatsbürgerschaft!

Dieser Pass, den ich in meinen Händen halte, ist erneut zu einem Pass der Schande geworden.

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