Frederik Haber, Neue Internationale 239, Juli/August 2019
Die großen Auto-Konzerne wie VW und Daimler, aber auch ZuliefererInnen haben klare Kampfansagen formuliert: Die Beschäftigten sollen die Kosten für E-Mobilität bezahlen. Zehntausende Arbeitsplätze sollen wegfallen und Werke geschlossen werden. Die bisher angekündigten Angriffe werden nicht die letzten sein. Maschinenbau und Stahl werden folgen. Dazu kommen die Digitalisierung und die nächste Krise. Auch damit wollen sie zehntausende Stellen vernichten.
Ob wir die E-Mobilität wollen, ob es sinnvoll ist, Verbrennungsmotoren durch Batterien zu ersetzen, das werden wir weder als Beschäftigte noch als VerbraucherInnen gefragt. Aber zahlen sollen wir! Die Digitalisierung hat den Zweck, menschliche Arbeit überflüssig zu machen. Grundsätzlich ist gegen höhere Produktivität nichts einzuwenden, aber im Kapitalismus bedeutet dies immer mehr Arbeitslosigkeit und Arbeitsverdichtung.
Die BetriebsratsfürstInnen und die IG Metall-Spitze reagieren bislang hilflos auf diese Kampfansagen. Sie schaffen es meist nicht mal deutlich und klar, die Sparprogramme abzulehnen und dagegen zu mobilisieren. Nur in Ausnahmefällen, z. B. bei Bosch, gab es Proteste. Mobilisierung ist gut, aber die Bosch-Betriebsräte haben unter anderem die Aufhebung der Fahrverbote gefordert. Kann es die Arbeitsplätze retten, wenn dafür die Städte verpestet werden und das Klima kippt?
Auch die Kundgebung in Berlin wich vor den Problemen aus: Es scheint so, als ob Digitalisierung und E-Mobilität aus Naturgesetzen entspringen. Zugleich erkannte auch der Vorsitzende Hofmann, dass die sog. „ArbeitergeberInnen“ versuchen werden, die anstehenden Umstrukturierungen zur Verschlechterung von Arbeitsbedingungen, zu Lohnkürzungen, zu Personalabbau und weiterer Flexibilisierung zu nutzen.
Seine Schlussfolgerung bleibt freilich weit hinter dem zurück, was notwendig ist, ja widerspricht geradezu seinen eigenen Warnungen. Die eben noch als profitgierig denunzierten Unternehmen und „die Politik“ werden aufgefordert, „endlich zu handeln“ und zur guten alten Sozialpartnerschaft „zurückzukehren“. Dabei ist doch gerade das Schlimme, dass diese handeln! Sie haben sich für die „Lösung“ entschieden, die ihnen weiter Profite sichern soll; die die Beschäftigten dreifach mit Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen und Verlagerungen bezahlen sollen; die der Menschheit neue Umweltprobleme bescheren wird. Die KapitalistInnen haben ein Konzept, das sie mit aller Macht durchsetzen wollen – die IG Metall bittet um „Fairwandel“.
In den Betrieben werden die Sparprogramme von den Betriebsratsspitzen abgenickt, wenn nur keine/r direkt gekündigt wird. Beispiel Daimler: Wenn von den Angestellten keine/r rausfliegt und in der Produktion alles mit Leiharbeit geregelt wird, nennen sie das „sozialverträglich“. Nein, Leiharbeit bedeutet Lohndrückerei und Unsicherheit! Arbeitsplatzvernichtung ist nicht sozialverträglich!
Auf der Kundgebung am 29. Juni gab sich die IG Metall linker und „kämpferischer“ als in den letzten Jahren. Nicht nur Entschlossenheit bei der Durchsetzung der Interessen der Beschäftigten wurde beschworen, sondern die RednerInnen und ModeratorInnen betonten auch immer wieder Antirassismus und ökologische Nachhaltigkeit. Wiederholt wurde dazu aufgerufen, der AfD keine Stimme zu geben, und der gewerkschaftsfeindliche Charakter der Partei betont. Ein Vertreter des NABU fungierte als Hauptredner. Der Schulterschluss mit der Umweltbewegung und mit Fridays for Future wurde zumindest verbal beschworen. Auf den globalen Klimastreik vom 20. September wurde mehrfach hingewiesen, wenn auch ohne irgendeine konkrete Aussage zur Mobilisierung der IG Metall selbst.
Kurz gesagt, die Gewerkschaftsführung blinkte links, ohne sich die Hände für zukünftige Rechtsabbieger am Verhandlungstisch zu binden.
Dass 40.000 aus der ganzen Bundesrepublik kamen, zeigt, dass die IG Metall mobilisieren kann, wenn sie wirklich will. Viele Beschäftigte nutzten den Weg vom Hauptbahnhof, wo die Sonderzüge eintrafen, um wenigstens die kurze Strecke zum Brandenburger Tor als eine Art Demo mit Sprechchören, Transparenten und Fahnen zu gestalten. Die IG-Metall-Jugend hatte eine kleine, aber lautstarke Zubringerdemo vom Alexanderplatz zur Kundgebung organisiert.
Wie die letzte Tarifrunde zeigte das, dass die Gewerkschaft durchaus kampf- und mobilisierungsfähig ist. Es geht aber jetzt um ganz andere Dinge als den Tarifzug oder eine Kundgebung mit Reden, Bierzelten und Kulturprogramm. Gegen die Angriffe der Konzerne wird eine einzelne Demo in Berlin ohne klare Forderungen bei weitem nicht reichen.
Diese Forderungen können nicht durchgesetzt werden, wenn jede Belegschaft alleine mit Angriffen konfrontiert ist. Alle gemeinsam – wie hier in Berlin – ist der richtige Ansatz. Aber die Zersplitterung in einzelne Unternehmen und Werke hat einen Grund: Das politische Muster der Betriebsratschefs und der ganzen IG Metall-Spitze ist, dass es für „unsere Leute“ das Beste wäre, wenn „unsere Unternehmen“ fette Gewinne machen würden. Dann würde für alle was abfallen: ein paar Prozent Lohnerhöhung für die Kernbelegschaften der Auto-Industrie, auch mal ein paar Tausender Jahresprämie.
Diese Rechnung ist in den letzten Jahren scheinbar aufgegangen, weil die deutsche Auto-Industrie und auch Stahl und Maschinenbau die anderen Industrieländer nieder konkurriert haben.
In Wirklichkeit waren die „Belohnungen“ für die MetallerInnen aber bescheiden, gemessen an den Profiten des Kapitals. Viele Beschäftigte in der Zulieferindustrie, in der sogenannten „Produktionslogistik“ oder in Leiharbeit haben davon nichts abbekommen. Sie haben oft sogar Reallohnverluste erlitten oder waren die Opfer, mit deren Lohneinbußen, Ausgliederungen und Arbeitsplatzverlusten die Profite der Konzerne gesteigert wurden. Die Bedingungen im Osten wurden bis heute nicht an jene des Westens angeglichen und die Beschäftigen in den Leiharbeitsfirmen werden nicht nur schlechter bezahlt, sondern dienen auch als Reserve, die viel leichter gefeuert werden kann.
Ganz sicher ist, dass angesichts des Konjunkturrückgangs, der massiven Arbeitsplatzvernichtung durch Digitalisierung und E-Mobilität diese „Partnerschaft“ mit dem Kapital noch weniger funktionieren kann.
Die nötige Wende in der IG Metall kann nicht mit einem Hofmann kommen, der vor den Kampfansagen des Kapitals die Augen verschließt, und, selbst wenn er etwas linker auftritt, weiter von „Partnerschaft“ träumt!
Es gibt in vielen Betrieben Kolleginnen und Kollegen, die gegen die Kungelei der BR-Spitzen und der GewerkschaftssekretärInnen mit den Vorständen vorgehen, die versuchen, Vertrauensleute zu stärken oder die eigene BR-Listen aufstellen. Wir müssen erkennen, dass das Problem nicht an einzelnen Führungspersonen liegt. Dahinter steht ein politisches Konzept. Die Sozialpartnerschaft können wir nur mit einer entgegengesetzten Strategie bekämpfen, die von den Interessen aller MetallerInnen und der ganzen Klasse ausgeht und nicht einer Elite von Stammbelegschaften in den Großkonzernen. Wir müssen dies gemeinsam erarbeiten und uns zusammenschließen, weil die Macht in der IG Metall völlig unter der Kontrolle des Apparates ist.
Am 25./26. Januar 2020 wird in Frankfurt/Main eine Strategie-Konferenz stattfinden, die Kolleginnen und Kollegen in diesem Sinne zusammenbringen soll. Wir rufen Metaller und Metallerinnen auf, sich jetzt schon auszutauschen und zu verbinden: Für eine oppositionelle Bewegung, die die Angriffe der Unternehmen nicht sozial gestaltet, sondern konsequent bekämpft! Für eine Bewegung, die auf Klassenkampf setzt statt auf Sozialpartnerschaft, auf ein Aktionsprogramm gegen die Krise und für die Interessen aller ArbeiterInnen statt auf Kungelrunden mit Kapital und Kabinett!
Diese muss schon jetzt beginnen, als organisierte Kraft in den Gewerkschaften sichtbar zu werden.
Es gibt keine bevorstehenden Veranstaltungen.