Arbeiter:innenmacht

Kampf gegen Pflegenotstand: Perspektive Massenstreik!

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Oktober 2018

Vom 19. – 21. Oktober findet in Stuttgart ein Kongress auf Einladung des Bündnisses „Krankenhaus statt Fabrik“ zum Thema „Was kommt nach den Fallpauschalen?“ statt. Das Bündnis besteht derzeit aus den ver.di-Landesfachbereichen 03 Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, der Soltauer Initiative sowie Einzelpersonen und wendet sich gegen die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und insbes. das deutsche System der Krankenhausfinanzierung durch sog. Fallpauschalen (DRGs). Schließlich lädt das Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus zu einem bundesweiten Treffen aller Bündnisse gegen den Pflegenotstand am 9./10. November in Hamburg ein.

Dieses Flugblatt soll allen KollegInnen und Interessierten, die es nicht bei Diskussionen belassen, sondern den Kampf gegen den Pflegenotstand aufnehmen wollen, unsere Ziele und Vorschläge, wie dieser effektiv geführt werden kann, unterbreiten. Nutzen wir die Konferenzen gemeinsam zu einem Startsignal für aktives Handeln statt ergebnisloser Debattenrunden!

Aktionen und Initiativen

Grob gesagt gibt es 3 Stoßrichtungen: Lobbypolitik gegenüber den Regierenden, Tarifkämpfe und eine Ausrichtung auf Volksentscheide. Ver.di als potenziell mächtigste Kraft reitet mittlerweile auf allen drei Pferden. In Berlin gelang es dem Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus, in der 1. Stufe des Volksentscheids für ein Volksbegehren, dem Senat mehr als doppelt so viele Unterschriften wie nötig (über 40.000) zu präsentieren. Der Senat prüft die Zulässigkeit des Antrags juristisch. Das kann eine Ewigkeit dauern. Wir unterstützen Volksentscheidsinitiativen kritisch und beteiligen uns nach Kräften an ihnen. Wir weisen aber darauf hin, dass selbst bei einem positiven Ausgang die Regierung(en) nicht daran gebunden ist/sind.

Streiken – aber richtig!

Wäre mit der gleichen Begeisterung, mit der zahlreiche Aktive sich jetzt für Volksentscheide ins Zeug legen, gestreikt worden, sähen die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal bedeutend besser aus. Der Arbeitskampf an der Berliner Charité spielte eine Vorreiterrolle. Neuartige Streikformen (Bettenstreik, TarifberaterInnen) führten 2016 dort zu einem Tarifvertrag (TV) Entlastung. Die Achillesferse neben einer nur für Teilbereiche geltenden Personalregelung stellte jedoch die schwerfällige sog. Interventionskaskade dar.

Das Personal besaß keine Kontrolle über seine Arbeitsbedingungen, durfte z. B. keine Betten sperren. Nach einjährigem Testlauf kündigte ver.di den TV. Doch 2 Streiktage im September 2017 führten zu keiner besseren Regelung. Das Beispiel ihres ins Stocken geratenen Paradepferds veranlasste darum mutmaßlich die ver.di-Bürokratie, die Gäule zu wechseln und das Terrain des ökonomischen Klassenkampfs zu verlassen – zugunsten bürgerlich-demokratischer „Kampf“formen. Doch das sind selbstgemachte Leiden!

Auseinandersetzungen und beachtliche Teilerfolge

Nach der Gesundheitsministerkonferenz am 20. Juni 2018 gab es Warnstreiks an den Unikliniken Homburg/Saar und im Klinikum Niederlausitz. Die Vollstreiks an den Unikliniken Essen und Düsseldorf kamen ebenso zu einem Abschluss wie ein 51-tägiger Ausstand der Vivantes Service GmbH (VSG Berlin). Am 22. September demonstrierten 1.500 in Hamburg und forderten, die Vorschläge der Volksinitiative gegen den Pflegenotstand im Krankenhaus sofort umzusetzen.

Seit Mai gibt es für 27.000 Beschäftigte an den 4 Universitätskliniken Baden-Württembergs eine Einigung über 120 neue „SpringerInnen“, wenn der Personalschlüssel unterschritten wird. In Düsseldorf und Essen währte die Tarifauseinandersetzung seit Juni. In beiden Regionen führten Streiks zu beachtlichen Resultaten!

Eine PatientInneninitiative sammelte in Düsseldorf 5.000 Euro und Unterschriften für die Unterstützung des Streiks. Während die VSG-Berlin-Beschäftigten auf sich allein gestellt kämpften, war das hier anders. Es traten nahezu alle Berufsgruppen in den Ausstand, was erheblich dazu beitrug, alle Widrigkeiten zu überwinden (lange Streikdauer, anfänglich verweigerte Verhandlungsbereitschaft der Klinikdirektionen – zuständig sei die Tarifgemeinschaft der Länder, diese drohte mit Abbruch der Verhandlungen der Gehaltstarifrunde im gesamten öffentlichen Dienst der Länderbeschäftigten NRWs).

Das führte zu einem Schlichtungsergebnis, das mit über 70 % in der Urabstimmung angenommen wurde: bis Oktober 2019 je 180 Stellen mehr pro Haus, Auszubildende werden nicht auf den Schichtplan angerechnet, müssen unter Aufsicht einer Fachkraft arbeiten, 10 % ihrer Ausbildung besteht aus Praxisanleitung. Der Pferdefuß ähnlich wie an der Charité Berlin: Besetzungsregelung und Interventionsregime liegen in der Hand des Managements!

Fazit

  1. Relativ isolierte Einzelstreiks des Pflegepersonals haben bisher mehr gebracht als alle Volksentscheidsinitiativen und jedes Katzbuckeln mit Unterschriftenlisten bei „der Politik“!
  2. Nicht Streiks sind das Problem, sondern ihre Beschränktheit auf einzelne Haustarifverträge!
  3. Nicht die politische Bedeutung des Kampfs gegen Pflegenotstand ist falsch, sondern zahnlose Lobbypolitik, die Orientierung auf dessen VerursacherInnen als Erlösung davon! Wir brauchen unsere eigenen politischen Kampfmethoden mit politischen Massenausständen, – besetzungen und -solidaritätsaktionen bis hin zum Generalstreik!
  4. Plan- statt Marktwirtschaft von unten (nicht nur) im Krankenhaus!
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