Alex Mayer, Infomail 1026, 21. Oktober 2018
Ob in Frankfurt am Main oder in Wiesbaden, in Darmstadt oder Gießen, Marburg oder Kassel: Es ist wieder Landtagswahlkampf und das macht sich schon seit Wochen bemerkbar. In den Fußgängerzonen Infostände, Kundgebungen und Veranstaltungen mit mehr oder weniger prominenter Unterstützung aus Berlin; Umfragewerte und Prognosen geben fast tagesaktuell den Wahltrend wieder. Plakate, so weit das Auge reicht. Täglich finden irgendwo in Hessen auch Veranstaltungen der rechten „Alternative für Deutschland“ statt, meist begleitet vom Protest lokaler AntifaschistInnen.
Wenn am 28. Oktober der neue Hessische Landtag gewählt wird, setzt sich scheinbar der bundesweite Trend ähnlich wie in Bayern auch in Hessen fort. Die Konservativen der CDU werden wohl Federn lassen müssen, ihnen wird ein Verlust im zweistelligen Prozentbereich vorausgesagt. Die eigentliche Verliererin der Wahl wird die SPD sein, auch ihr drohen herbe Verluste im zweistelligen Bereich. Anders als die Sozialdemokratie stellen die Konservativen allerdings den derzeitigen Ministerpräsidenten von Hessen, Volker Bouffier, welcher seit der letzten Wahl 2013 mit den Grünen koaliert. Die offen bürgerliche Grüne Partei steht schon jetzt als Gewinnerin der Wahl da, nicht nur, dass sie in Umfragewerten mit der SPD zur Zeit etwa gleichauf liegt. Sie bildet schon jetzt mit der CDU eine Landesregierung. Wahrscheinlich ist, dass diese weiter fortgesetzt wird, allerdings reicht es nach den aktuellen Prognosen womöglich nicht für Schwarz-Grün. Möglich und am wahrscheinlichsten wäre eine Jamaika-Koalition durch das Ins-Boot-Holen der FDP (schwarz-grün-gelb). Anders als in der Bundespolitik signalisierte die FDP bereits starkes Interesse an einer Regierungsbeteiligung. Eine grün-rot-rote Koalition wäre rechnerisch möglich, allerdings unwahrscheinlich.
Die Gründe für die Verluste von CDU und SPD sind vor allem in der Bundespolitik zu suchen. Mit der Großen Koalition (GroKo) in Berlin, die sich in erster Linie mit eigenen Problemen befasst, verspielen die zwei großen Parteien ihr Vertrauen bei den WählerInnen. Gerade die SPD – die zwar schon lange keine Politik mehr im Interesse der ArbeiterInnen macht, aber sich nach wie vor auf ihre Verankerung in den Gewerkschaften und einen hohen Wähleranteil unter den Lohnabhängigen stützen kann, zeigt nach Hartz IV, Kriegseinsätzen und immer neuen faulen Kompromissen, dass sie selbst als Juniorpartnerin in einer prokapitalistischen Regierung keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt, schon gar nicht als pseudo-soziales Gewissen in der Regierung. Zu Recht wird sie massiv abgestraft. Die Konservativen der CDU (wie auch der CSU in Bayern) verlieren Stimmen an die AfD und die Grünen. Den einen ist die CDU nicht hart genug im Umgang mit Flüchtlingen und MigrantInnen, zu alteingesessen, zu sehr Teil des Etablishments, andere wollen einen scheinbar humaneren, grünen Kapitalismus und wählen die Grünen für ihren alternativen Hauch.
In der aktuellen Prognose des Hessischen Rundfunks (20.10.2018, abgerufen am 20.10.2018 um 22.00 Uhr) liegt die CDU bei 26 %, die SPD bei 21 %, dicht gefolgt von den Grünen mit 20 %, welche die SPD als zweitstärkste Kraft ablösen könnten.
Der derzeitige hessische Vize-Regierungschef Tarek Al-Wazir konstatierte denn auch, dass die GroKo nur um sich selbst kreise, anstatt Probleme zu lösen und begründete damit den Aufwärtstrend der Grünen.
„Konsequent abschieben“ prangt derzeit von den Plakaten der AfD. Die rechte Partei liegt den Umfragen zufolge bei 12 % und schafft damit sehr erfolgreich den Einzug in den hessischen Landtag, während sie 2013 noch an der 5 %-Hürde scheiterte. Hier setzt sich der beunruhigende Rechtsruck fort, der bundesweit zu beobachten ist. Erfolgreich macht sie vor allem das harte Law-and-Order- Programm, mit dem sie der ohnehin schon am rechten Rand fischenden hessischen CDU die Butter vom Brot nimmt. Wer wählt schon die alteingesessene Kanzlerinnen-Partei, wenn eine scheinbar junge, radikale Rechte mal richtig durchgreifen möchte gegen „Islamisierung“, „No-Go-Areas (rechtsfreie Räume)“, kriminelle AusländerInnen, sexuelle Aufklärung und Abtreibung und sich stark macht für „mehr Polizei“, einen „effektiveren“ Verfassungsschutz, Schleierfahndung, „Abschiebezentren“ etc. Forderungen wie z. B. „mehr ErzieherInnen und LehrerInnen“ dienen dabei nur als billiges Feigenblatt und Mittel, um Rassismus mit Sozialchauvinismus zu kombinieren.
600 Gäste besuchten am 17. Oktober eine Veranstaltung der Kasseler Linken mit Gregor Gysi und der hessischen Spitzenkandidatin Janine Wissler – seit 2008 im Hessischen Landtag, stellvertretende Parteivorsitzende und Mitglied von marx21 – als einen Höhepunkt des Wahlkampfs der Linkspartei.
Nicht nur auf der Veranstaltung gab man sich kämpferisch, auch das Wahlprogramm der Linken stellt viele richtige und wichtige Forderungen auf. Unter dem Slogan „Mehr für die Mehrheit“ fordert die Partei u. a. „mehr für die Kleinen“ und möchte die Kinderarmut bekämpft sehen, „mehr Lehrer und kleinere Klassen“, „mehr bezahlbare Wohnungen“, einen besseren Nahverkehr – „am besten umsonst“, „mehr Jobs, besser bezahlt“. Die Linken treten dafür ein, sich gegen Abschiebung stark zu machen und kündigen an, dass sie auch zukünftig protestieren und demonstrieren würden, verlangen eine „Millionärssteuer“ zur Besteuerung der Reichen und das konsequente Werbeverbot für die Bundeswehr und unterstützen den Kampf gegen die Rüstungsindustrie.
Viele gute Forderungen stehen im Raum und die Linken bspw. in Kassel engagieren sich sehr wohl im täglichen Kampf für „mehr soziale Gerechtigkeit“ und gegen die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus. Im Großen und Ganzen ist die Linke eine Partei, die sich auf ArbeiterInnen stützt oder diese anspricht, die zumindest teilweise in den Gewerkschaften verankert ist und ansatzweise auch den Kapitalismus als System kritisiert. Die Linke stellt momentan die einzige Kraft dar, die den Kampf gegen den Rechtsruck, die Angriff auf demokratische Rechte und soziale Errungenschaften ins Zentrum ihres Wahlkampfes rückt, auch wenn es sich bei dem Wahlprogramm mehr um eine Ansammlung von Wünschen handelt.
Dennoch wird gerade an dieser Stelle deutlich: Eine Strategie zum Aufbau einer antikapitalistischen, anti-rassistischen, klassenkämpferischen Bewegung, die in den Betrieben, in den Wohnbezirken, an Schulen und Unis verankert ist, fehlt. Die Linke tritt auf der Straße in Relation zu ihren Mitgliederzahlen und ihrem WählerInnenteil von rund 8 Prozent schwach auf. Wie für reformistische Parteien üblich, ist sie vor allem auf Wahlen und StellvertreterInnenpolitik ausgerichtet.
Besonders deutlich wird es gerade zu Wahlkampfzeiten. Die Linke organisiert Veranstaltungen, unterstützt den Protest gegen die AfD und Gewerkschaftsdemonstrationen für bessere Arbeitsbedingungen, sie ist auf der Straße in Stadtteilen anzutreffen: ob Kinderschminken oder Gitarrenmusik, die Partei ist vor Ort. Außerhalb des Wahlkampfmodus’ gelingt es ihr aber nicht, große Bewegungen anzuschieben.
Wir teilen nicht die Illusionen in die Linke oder ihre Strategien, wir fordern die Linke auf, Druck auf die Gewerkschaften auszuüben, mit der Sozialpartnerschaft zu brechen, eine Massenbewegung auf der Straße gegen die AfD und den Rechtsruck aufzubauen. Die Stimme für die Linken bedeutet bei den Wahlen die einzige Möglichkeit, der Unzufriedenheit mit dem System Ausdruck zu verleihen; sie ist die einzige Möglichkeit, der rassistischen AfD, der Politik der hessischen Landesregierung wie der GroKo öffentlich entgegenzutreten. Daher rufen wir zur Wahl der Linkspartei auf. Aber: Erkämpft wird eine andere Welt nicht im bürgerlichen Parlament, sondern nur im Klassenkampf.