Arbeiter:innenmacht

Wir zahlen eure Krise nicht! Wie kämpfen wir erfolgreich gegen Kürzungen?

Flo Rojo, REVOLUTION und Gruppe Arbeiter:innenmacht, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 13, März 2025

Ein massiver Sozialkahlschlag durch Kürzungen, Schließungen und Massenentlassungen: Mit der neuen Regierung droht all das, auf der Tagesordnung zu stehen. In Berlin gab es vergangenen Dezember schon einen Vorgeschmack, was das bedeutet, nämlich Kürzungen vor allem bei Bildung, Gesundheit, öffentlicher Infrastruktur und Sozialem. Warum? In den Medien können wir lesen, dass die deutsche Wirtschaft schwächelt. Deswegen soll bei uns gekürzt werden, um zu ermöglichen, dass 1. die Profite der Reichen aufrechterhalten werden und 2. Geld in massive Aufrüstungsprogramme gesteckt werden kann. Beides verfolgt den Zweck, den deutschen Imperialismus in der internationalen Konkurrenz in eine bessere Stellung zu bringen – jedoch auf dem Rücken der Arbeiter:innen und Unterdrückten. So ein Generalangriff ist somit nicht in unserem Interesse, sondern in dem der Herrschenden. Wir haben nichts zu gewinnen in Kriegen, die um Einflusssphären geführt oder wenn die Reichen immer reicher werden. Die herrschende Klasse will lieber unseren Untergang sehen, als selbst Abstriche zu machen. Deswegen können die Angriffe, auch wenn sie vielleicht nicht alle gleichzeitig auftreten, nicht als individuelle verstanden werden. Was also tun?

Uns als sozial Unterdrückte, ob wir Frauen, queer, rassistisch unterdrückt oder jugendlich sind, trifft diese Politik fürs Kapital noch mal stärker. Wir sind die Ersten, die entlassen oder in Kurzarbeit gesteckt werden. Wenn etwas gekürzt wird, dann die Einrichtungen, welche uns Hilfe leisten, wie Frauenhäuser, Jugendhilfe oder Anlaufstellen für rassistische Gewalt. Wenn, wie es im Wahlprogramm der CDU vorgesehen ist, das Bürgergeld abgeschafft, die Sozialhilfe gekürzt oder gestrichen werden, die wir brauchen, da wir keine Arbeit finden, weil unser ausländischer Abschluss nicht anerkannt wird oder wir keine Arbeitserlaubnis bekommen und so keinen Job finden. Wenn wir aufstocken müssen, weil wir alleinerziehend sind und dann auch noch für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekommen. Wenn Nachhilfeangebote wegfallen, man sich Mittagessen an der Schule nicht mehr leisten kann, somit die Reproduktionsarbeit weiter ins Private verlagert und folglich die Belastung von Frauen verstärkt wird. Wenn wir die Ersten sind, die entlassen werden und dadurch in noch mehr Abhängigkeit von unseren Familien gebracht werden. Wenn wir durch die Unterfinanzierung des Gesundheitswesens noch mehr belastet werden oder als trans Menschen noch länger auf lebensrettenden Operationen und Behandlungen warten müssen. Dabei müssen wir Glück haben, Schutz- und Therapieangebote aufsuchen zu können.

Weil diese Auswirkungen der anstehenden Angriffe auf uns so immens sind, müssen wir jetzt beginnen, darüber zu diskutieren, wie wir uns erfolgreich gegen die Angriffe der Rechten, Unternehmen und Regierung wehren können, und beginnen, die ersten Schritte für deren Abwehr vorzubereiten. Dieser Artikel will eine Perspektive geben, wie der Kampf gegen den kommenden Sozialkahlschlag geführt werden kann.

Gegen die Vereinzelung – bundesweite, gesamtgesellschaftliche Bewegung aufbauen!

Es muss klar sein: Wir kämpfen zusammen! Anstatt Deals auszuhandeln, damit der eigene Job oder das eigene Projekt bestehen bleiben, während andere ans Messer geliefert werden, sollten wir verstehen, dass wir uns nicht auf Kosten anderer retten können und die Auswirkung jeder Kürzung uns alle trifft. Dem kommenden Sozialkahlschlag, der wahrscheinlich erst einen Sektor oder ein Bundesland trifft und sich dann Stück für Stück auf andere Bereiche und Bundesländer ausweitet, muss somit geeint entgegengetreten werden. Das heißt, es braucht eine Koordination aller Anstrengungen gegen die Offensive auf nationaler Ebene, ein bundesweites Aktionsbündnis! Dieses muss mehrere Aufgaben erfüllen:

a) vor Ort lokale Proteste und Strukturen aufbauen

Trotz eines notwendigerweise bundesweiten Charakters darf die Arbeit vor Ort nicht vergessen werden. Nur solange aktive Arbeit zur Organisierung und Verankerung in Stadt, Dorf oder Gemeinde geleistet wird, kann sich eine Dynamik entfalten, welche es schafft, breite Teile der Bevölkerung in den Widerstand gegen den Sozialkahlschlag einzubinden. Dazu brauchen wir Aktionskomitees an den Orten, an denen wir uns tagtäglich bewegen, also Schulen, Unis und in Betrieben. Denn Ziel muss es sein, nicht einzelne betroffene Bereiche zu mobilisieren, sondern mehr in Bewegung zu bringen und überzeugen! Ebenso kann Bewegung längerfristig nur erfolgreich sein, wenn sie Orte zum Diskutieren und Entscheiden schafft – und darüber abstimmt, welche Forderungen und Mittel es braucht. Um das zu gewährleisten, treten wir auch für Aktions- und Strategiekonferenzen ein, bei denen Aktivist:innen sich austauschen – und verbindlich abstimmen können!

b) zentrale Aktionen mobilisieren

Ob Demos, die bundesweit bundesweit mobilisiert werden, oder dezentrale Aktionstage: Wir müssen es schaffen, bundesweiten Widerstand zu organisieren, der lokal verankert ist und Rückhalt hat. Dass solche Proteste per se möglich sind, zeigten zuletzt die Massendemonstrationen gegen rechts. Doch um eine wirkliche Schlagkraft zu entfalten, müssen wir uns auch die Frage stellen, welche Kampfmittel wir nutzen. Es wird mehr als einzelne Demos brauchen, um uns zu wehren. Deswegen müssen wir auch bereit sein, eines der mächtigsten Druckmittel für unsere Interessen durchzusetzen, zu nutzen, was wir haben: den Streik. Stehen nämlich erst mal viele Betriebe still …

Wie kommen wir zum Streik?

Doch vom Streik zu schreiben, ist einfacher, als ihn in Deutschland umzusetzen. Selbst in den Gewerkschaften ist der Widerstand dagegen groß, was an der Politik der Sozialpartnerschaft liegt. Dies bedeutet nichts anderes, als dass man eher mit Bossen und Regierung verhandelt, anstatt einen konsequenten Kampf zu führen, und ist schon lange in die DNA der Gewerkschaftsführungen übergegangen. Das Problem dabei ist vielschichtig. Zum einen wird damit die Idee des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ gestärkt. Zum anderen wird so nur für Teile der Betroffenen von Kürzungen oder Entlassungen etwas rausgeschlagen. Oftmals werden die Angriffe also nur abgefedert, anstatt den gesamten, gemeinsamen Kampf zu organisieren und konsequent durchzuführen. Das heißt: Wenn wir streiken wollen, müssen wir uns nicht nur gegen die Kürzungen organisieren, sondern auch in den Gewerkschaften, um Druck aufzubauen.

a) Mobilisieren in den Betrieben …

Denn Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und soziale Projekte können streiken, aber der wirtschaftliche Druck ist begrenzt, da sie häufig im reproduktiven Bereich angesiedelt sind. Um den Druck also zu erhöhen, müssen wir alle Bereiche gewinnen – auch jene, die noch nicht unmittelbar betroffen sind. Deswegen brauchen wir Materialien wie Flyer, um auf Kolleg:innen, aber auch Besucher:innen und Nutzer:innen (Studierende, Jugendliche, Einrichtungen der Jugendhilfe, Eltern) zuzugehen und diese in den Kampf einzubeziehen, der auch in ihrem Interesse geführt wird. Darüber hinaus braucht es Mobilisierung in den Betrieben, um auch die nicht gewerkschaftlich organisierten Kolleg:innen in den Kampf einzubinden. Dafür sollten die schon Aktiven jedoch die Möglichkeit bekommen, geschult zu werden in den Fragen: Wie kämpfe ich gegen Kürzungen an meinem Arbeitsplatz, meiner Schule, meiner Uni? Wie sprechen wir mehr Kolleg:innen an? Wie komme ich zu einer Betriebsversammlung? Dazu braucht es zusammen durchgeführte Mobilisierungen und Veranstaltungen an Unis und in Betrieben von GEW, ver.di, IG BAU und IG Metall, in welchen gemeinsame Strategien besprochen und dann auch verfolgt werden.

b) …und Kampf in den Gewerkschaften

Viele Gegenargumente werden uns erwarten, wenn wir dies in den Gewerkschaften vorschlagen. Beispielsweise, dass dies ja eigentlich ein politischer Streik sei und damit illegal. Generell muss unsere Argumentation sein: Es ist nötig, die künstliche Trennung von wirtschaftlichen und politischen Forderungen zu durchbrechen. Wenn der Topf, aus dem meine Stelle bezahlt wird, beispielsweise vom Abgeordnetenhaus beschlossen wird, dann ist die Forderung eine wirtschaftliche, eine tarifliche und damit eine legitime, für die gestreikt werden kann. Gleichzeitig weist jede ökonomische Forderung im sozialen, im Bildungsbereich, aber auch in der Frage der Arbeitszeit einen politischen Bezugspunkt auf. Die Finanzierung des Staatshaushaltes und die Frage, wer welche Steuern zahlt, ist schließlich auch eine politische. Deshalb ist die Vorstellung, es sei nicht legitim, gegen die Einschränkung von Streiks streiken zu dürfen, geradezu absurd! Natürlich darf nicht nur gestreikt werden – es muss!

Es geht nicht nur um die Frage, ob es richtig oder falsch ist, dass Streiks sich ausschließlich auf tarifliche Forderungen beschränken müssen. Es kann sich nicht nur darum drehen, ob Gerichte diese Streiks billigen oder nicht. Sie verbieten bereits unsere Streiks, obwohl sie „nur“ tariflich sind, wie wir am Beispiel der Berliner Kita-Beschäftigten, die für Entlastung eintraten, sehen konnten. Solche Entscheidungen werden häufiger, während gleichzeitig der Druck von den öffentlichen und privaten Arbeit„geber“:innen zunehmen wird. Wir müssen dies durchbrechen, wenn wir solche Einschränkungen verhindern wollen. Dafür müssen wir uns in den Gewerkschaften als Fraktion zusammenfinden, wie beispielsweise in der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften. Auf der einen Seite können wir uns dann gemeinsam unterstützen, Beschlüsse auf Mitglieder-, Betriebs- und Gremienversammlungen für diese Linie zu verabschieden. Auf der anderen Seite müssen wir uns auch koordinieren, den Protest praktisch umzusetzen.

Nicht nur wehren, sondern aktiv verbessern!

Schon jetzt sind viele von uns überlastet aufgrund von Personalmangel, steigenden Preisen, Prekarisierung, Zukunftsangst. Diese Dinge sorgen dafür, dass die AfD an Stimmen gewinnt. Deswegen – und weil wir es satt haben, immer ärmer zu werden, müssen wir uns vornehmen, nicht nur gegen die Kürzungen einzustehen, sondern für konkrete Verbesserungen für alle kämpfen! Das heißt, wir brauchen Forderungen, nicht nur gegen etwas, sondern für konkrete Verbesserungen wie beispielsweise:

  • Die Bahn soll zerschlagen werden? Wir sagen Nein zur Privatisierung und wollen kostenlosen, öffentlichen Nahverkehr für alle!
  • 100.000 Stellen in der Autoindustrie sollen gestrichen werden? Nein danke! Wir fordern die Umstellung der Produktion unter Kontrolle der Beschäftigten, um den kostenlosen Nahverkehr möglich zu machen!
  • Krankenhäuser auf dem Land sollen geschlossen werden? Nicht mit uns! Wir sagen: Weg mit Fallpauschalen und Personalnot, für die Verstaatlichung des Gesundheitssystems unter Kontrolle der Beschäftigten und Nutzenden!
  • Stellenstreichungen und Sparzwang im öffentlichen Dienst? Lassen wir nicht weiter zu. Wir wollen das Ende der Schuldenbremse und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!
  • Zwangsräumungen und hohe Mieten? Schluss damit! Lasst uns für einen bundesweiten Mietendeckel kämpfen sowie die entschädigungslose Enteignung von Vonovia & Co!
  • Bürgergeld soll noch mehr zusammengespart werden? Auf keinen Fall. Wir brauchen ein Mindesteinkommen für alle, gekoppelt an die Inflation!
  • Kürzungspakete? Nein danke! 100 Mrd. für Bildung und Soziales statt Aufrüstung und Krieg!

Finanziert werden soll all das durch Besteuerung der Reichen und Unternehmen sowie aus den Geldern, die in die Militarisierung Deutschlands gesteckt werden. Zu oft ist uns in den letzten Jahren gesagt worden, dass zugunsten des Wirtschaftsstandorts Deutschland wir darauf verzichten müssen, dass es uns besser geht. Und jetzt soll noch mehr gespart werden? Auf keinen Fall, wir zahlen ihre Krise nicht!

Spaltung bekämpfen – Teilnahme ermöglichen!

Dem Sozialkahlschlag, der Auswirkungen auf unsere gesamten Lebensbedingungen hat, muss sich auch gemeinsam entgegengestellt werden. Das bedeutet gegenseitige Solidarität – praktisch: sich dafür einzusetzen, dass geflüchtete Personen in den Gewerkschaften organisiert werden können, den Kampf gegen jede Abschiebung und für Staatsbürger:innenrechte für alle, die hier leben, zu führen sowie unsere migrantischen Kolleg:innen, Mitschüler:innen und Kommiliton:innen vor rassistischen Angriffen von Polizei oder Faschist:innen zu verteidigen, durch den Aufbau von Selbstverteidigungsstrukturen.

Denn der gesellschaftlich mittlerweile etablierte rassistische Konsens, welcher auf der einen Seite Abschiebungen immer weiter normalisiert und andererseits Vorurteile gegenüber Geflüchteten, Migrant:innen und anderen rassistisch unterdrückten Gruppen schürt, hat eine wichtige Funktion für die Herrschenden – uns zu spalten. Der Trick ist so perfide wie alt – funktioniert jedoch trauriger Weise immer wieder aufs Neue und vor allem zurzeit recht gut. Ein falscher Sündenbock wird an die Wand gemalt, anstatt der Realität in die Augen zu schauen und Reiche für die miserable Lage verantwortlich zu machen. Und auf der anderen Seite durch den geschürten Hass eine Zusammenarbeit zwischen denen, die in derselben Lage sind, also die Arbeiter:innen, egal ob sie Migrations- oder Fluchthintergrund haben, zu erschweren und dadurch einen gemeinsamen Kampf für das geteilte Interesse. Doch dem müssen wir jetzt entgegenwirken, denn nur gemeinsam sind wir stark. Das heißt: Wir müssen den Kampf gegen den Sozialabbau aktiv mit antirassistischen Forderungen verbinden und dies auch in die Praxis umsetzen. Ansonsten werden wir nicht weiterkommen.

Jedoch folgt die Spaltung unserer Klasse nicht nur der Linie vom weitverbreiteten Rassismus. Ein weiterer Aspekt, um unsere Einheit im Kampf zu ermöglichen, liegt im Wirken gegen die Doppelbelastung der Frau, welche durch die umfassenden Reproduktionsaufgaben, wie die Haus- und Care-Arbeit, gehindert, wird sich im gleichen Maße in Kämpfe einzubringen. Darüber hinaus müssen innerhalb von Arbeiter:innen-, Student:innen- und Schüler:innenorganisationen die Möglichkeit für sozial unterdrückte Gruppe bestehen, sich gesondert zu treffen, um so eine volle Teilnahme zu ermöglichen.

Lasst uns also die kommenden Monate nutzen und gemeinsam für eine bessere Zukunft kämpfen!

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