Arbeiter:innenmacht

HK47: Inhaftiert wegen Abhaltung einer Wahl

Peter Main, Infomail 1271, 19. Dezember 2024

Am 19. November wurden 45 der ursprünglichen Gruppe „Hongkong 47 (Hk47)“, die bereits in früheren Anhörungen nach dem Nationalen Sicherheitsgesetz der Volksverhetzung für schuldig befunden worden waren, zu bis zu 10 Jahren Haft verurteilt. Unter den Verurteilten befanden sich Benny Tai Yiu-ting, ein ehemaliger Rechtsprofessor der Universität Hongkong,  Joshua Wong Chi-fung, Vorsitzender der inzwischen aufgelösten Partei Demosisto (Steh für das Volk), und Leung Kwok-hung („Long Hair“), ein Gründer der League of Social Democrats, die Haftstrafen zwischen 4 Jahren und 8 Monaten und 10 Jahren erhielten.

Das „Verbrechen“

Ihr „Verbrechen“ bestand darin, im Juli 2020 eine „offene Vorwahl“ organisiert zu haben, an der über 600.000 Menschen teilnahmen, um eine gemeinsame Kandidat:innenliste für eine für September geplante Wahl aufzustellen. Zunächst wurden 55 Personen verhaftet und wegen „Verschwörung zur Subversion“ angeklagt. Acht wurden fast sofort wieder freigelassen, viele der verbleibenden 47 verbrachten Monate im Gefängnis und warteten auf ihren Prozess. Die Verzögerung sollte sie nicht nur zermürben, sondern auch andere einschüchtern.

Die Argumentation, mit der die Abhaltung einer Vorwahl als „Subversion“, d. h. als Versuch, die Regierung zu stürzen, interpretiert wird, sagt alles, was man wissen muss, um die Rechtsgrundsätze in der Volksrepublik China zu verstehen. Es wird argumentiert, dass ihre klare Absicht darin bestand, ihre Vertretung im Legislativrat zu maximieren. Im Erfolgsfall hätte dies ihnen ermöglicht, Gesetzesvorschläge der Regierung oder sogar den Haushalt zu blockieren. Sollte dies geschehen, wäre die Regierung gelähmt, weshalb sie sich des Versuchs schuldig gemacht hätten, die Regierung zu stürzen.

Im heutigen China scheint es, als sei der Zweck einer Wahl, die Entscheidungen der Regierung zu legitimieren. Wie um dies zu unterstreichen, fand die Wahl tatsächlich im Dezember 2021 statt, nachdem das Wahlsystem dahingehend geändert worden war, dass nur noch von der Regierung überprüfte Kandidat:innen zugelassen wurden.

So hart die Urteile auch ausfielen, hat Sicherheitsminister Chris Tang Ping-keung beschlossen, jeden einzelnen Fall zu prüfen, um festzustellen, ob eine Überprüfung aufgrund übermäßiger Milde gerechtfertigt ist.

Kein Einzelfall

Der Fall HK47 ist kein Einzelfall für die Unterdrückung demokratischer Rechte durch die Regierung. Am 26. September wurden Chung Pui-kuen und Patrick Lam Shiu-tung, die ehemaligen Herausgeber von Stand News, einer „prodemokratischen“ Publikation, zu 21 bzw. 11 Monaten Haft verurteilt, nachdem sie der Verschwörung zur Veröffentlichung aufrührerischer Publikationen für schuldig befunden worden waren. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Anklage auf Gesetzen beruhte, die von der ehemaligen britischen Administration in Hongkong eingeführt worden waren.

Ein weiterer Fall, der für Aufsehen sorgt, ist der des britischen Staatsbürgers Jimmy Lai Chee-Ying, Herausgeber der Apple Daily, einer Zeitung, die sowohl die Regierung von Hongkong als auch die von Peking offen kritisierte. Er wird in mehreren Anklagepunkten nach demselben Nationalen Sicherheitsgesetz der Zusammenarbeit mit ausländischen Kräften und der Verschwörung zur Veröffentlichung aufrührerischen Materials beschuldigt. Wie es inzwischen üblich ist, wird er nicht von Geschworenen, sondern von handverlesenen Richter:innen verurteilt.

All diese Prozesse – und es gibt noch weitere Angeklagte im Gefängnis, die auf weitere Prozesse warten – zeigen, dass eine Einparteiendiktatur wie die der Kommunistischen Partei Chinas nicht innerhalb des von ihr selbst geschriebenen Verfassungsgesetzes besiegt werden kann. Unter solchen Bedingungen bedeutet „Rechtsstaatlichkeit“, auf die sich die Verteidiger:innen der KPCh oft berufen, einfach, der Partei zu gehorchen, die verfassungsrechtlich als Anführerin der Nation definiert ist.

So heldenhaft viele Opfer des Regimes auch sein mögen, ihre politischen Strategien waren nie erfolgversprechend, und die entschlossensten Gegner:innen der KPCh müssen sich der Entwicklung der politischen Grundlagen einer revolutionären Arbeiter:innenpartei zuwenden, die sich nicht nur in Hongkong, sondern in ganz China organisiert.

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