Arbeiter:innenmacht

BRICS-Treffen in Russland: Kampfansagen an den Westen?!

Jonathan Frühling, Neue Internationale 287, November 2024

Zwischen dem 22. und 24. Oktober fand in Kasan das Treffen der BRICS statt. Es war das seit vielen Jahren wichtigste internationale Treffen auf russischem Boden. Das Signal, welches das Land an den Westen senden will, ist klar: Russland ist politisch nicht isoliert.

Was sind die BRICS?

BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika und ist eine Staatenvereinigung, die 2006 gegründet wurde. Erst 2024 kamen Ägypten, Äthiopien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate hinzu. Saudi-Arabien steht kurz vor einem Beitritt. Die BRICS-Staaten vereinen ca. 50 % der Weltbevölkerung und 25 % des weltweiten BIP auf sich. Sie sehen sich als Gegengewicht zum Westen und seiner internationalen Organisationen  (G7, G20, Weltbank, IWF). Z. B. haben die BRICS 2014 die New Development Bank (im Folgenden NDB) gegründet, um die Abhängigkeit von IWF und Weltbank zu verringern und zugleich selbst z. B. Infrastrukturprojekte aus eigenen Mitteln zu finanzieren, zurzeit hauptsächlich Projekte im Bereich erneuerbarer Energie und Transport. Die Aktieneinlagen in die Entwicklungsbank sind zwar zwischen den fünf ursprünglichen BRICS-Staaten gleichmäßig verteilt, allerdings hat China das meiste Geld zur Verfügung gestellt. Damit verfügt es innerhalb der NDB über deutlich mehr Macht bei Investitionsentscheidungen. Ein weiteres Projekt der BRICS-Staaten erhebt nach einheitlichen Methoden statistische Daten über ihre Länder, um wirtschaftliche Aktivitäten innerhalb, aber auch zwischen ihnen besser planen zu können.

Ein ganz besonderer Dorn im Auge ist ihnen die Dominanz des US-US-Dollars als Weltwährung, weshalb es vom brasilianischen Staatschef Lula da Silva bereits den Vorstoß gab, eine eigene Währung einzuführen. Diese Idee ist jedoch bisher weitestgehend folgenlos geblieben, auch wenn die BRICS-Staaten damit begonnen haben, bilateralen Handel in ihren eigenen Währungen abzuwickeln. Zudem legen sie ihr Staatsvermögen zunehmend weniger in US-Dollar und mehr in Gold an.

Die Bedeutung der BRICS 2024

Besonders ist das diesjährige Treffen auch, da die BRICS-Gruppe um einige weitere Länder gewachsen ist. Was viele aus dem Westen verärgert hat, war besonders die Teilnahme des UN-Generalsekretärs Guterres. Außerdem nahmen auch eine ganze Reihe Beobachterstaaten teil, darunter z. B. Vietnam und, besonders brisant, der Nato-Mitgliedsstaat Türkei. Damit zeigt sich, dass selbst enge Militärpartner:innen der USA und EU wirtschaftlich und politisch zweigleisig fahren wollen.

Grund für die rege Beteiligung war auch insgesamt, dass viele Länder sich nicht widerstandslos einem von den USA und Europa dominierten Block unterordnen wollen. Außerdem wollen sie ökonomisch vom Westen unabhängiger werden, da sie fürchten, dass dieser seine Macht im globalen Finanzsystem nutzen könnte, um ihnen zu schaden, wenn sich die Interessenkonflikte in Zukunft verstärken. Der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT hat gezeigt, dass diese Ängste begründet sind. Während des Gipfels hat diese Frage sogar noch einmal an Brisanz gewonnen: Genau in dieser Zeit wurde nämlich in den USA beschlossen, einen 20 Mrd. US-Dollar schweren Kredit an die Ukraine zu zahlen, welcher durch eingefrorene russische Vermögenswerte gedeckt ist.

Verstärkte Blockbildung

Insgesamt nehmen Blockbildung und innerimperialistische Konkurrenz immer stärkere Züge an. Besonders die Sanktionen gegen Russland haben die Lieferketten international auf den Kopf gestellt. Die russische Wirtschaft hat dies aber bisher besser überstanden als vom Westen erwartet, indem sie z. B. mehr Öl nach Indien verkauft hat. Zudem erhält Russland jetzt mehr Teile für seine Industrie aus China und versucht momentan eine eigene Maschinenindustrie aufzubauen, um den Einkauf aus der EU zu kompensieren. Das Projekt, neue Gaspipelines nach China zu verlegen, um auch das Gas verkaufen zu können, wurde jedoch vorerst auf Eis gelegt. Alle diese Entwicklungen sind jedoch nicht völlig neu, sondern haben sich durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine nur beschleunigt. Bereits seit 2014 gibt es Sanktionen gegen Russland und auch der Iran ist seit dem Ende des Iran-Deals 2016 ökonomisch vom Westen weitestgehend abgekoppelt geworden.

Der Aufstieg Chinas und das wachsende Gewicht der BRICS reflektieren jedoch auch eine veränderte Realität der Weltwirtschaft, was dazu führt, dass die Wirtschaftsmächte USA und erst recht Westeuropa an Grenzen stoßen. Mit den Sanktionen gegen Russland schadet sich der Westen – vor allem die Staaten der EU – teilweise ökonomisch mehr als der Gegenseite. Die anderen Staaten interessiert natürlich vor allem ihre eigenen Wirtschaft und weniger die schwächer werdende Hegemonie des US-Imperialismus.

Außerhalb von Europa und den USA glaubt ohnedies niemand daran, dass die Sanktionen Teil eines großen Kampfes um Demokratie und Menschenrechte sind. Besonders die Unterstützung des israelischen Genozids in Gaza mit Geld und Waffen hat die Doppelstandards dieser Weltmächte vor der ganzen Welt entblößt. Der Wirtschaftskrieg mit Russland wird deshalb im Rest der Welt richtigerweise als ein innerimperialistischer Machtkampf wahrgenommen. Wieso sollten sich weitere Länder dem freiwillig unterordnen, wenn sie dadurch gar nichts zu gewinnen haben?  Das heißt natürlich nicht, dass diese Staaten in einer von China und Russland dominierten Welt leben möchten, jedoch wollen sie sich nicht für eine der beiden Seiten entscheiden müssen, was auch dazu führt, dass einige Länder wie Saudi-Arabien oder die Türkei zwischen den Blöcken zu manövrieren versuchen.

Indien als Schlüsselstaat

Interessant ist auch, dass Indien und China ein Abkommen über ihre Grenzstreitigkeiten getroffen haben und sich so politisch wieder mehr annähern. Die Bedeutung dieses Abkommens kann kaum überschätzt werden. Seit 2020 standen sich mitten in Asien an der Grenze Nordwestindiens zu China zehntausende Truppen inklusive schweren Geräts gegenüber und es hätte leicht zu massiven Gefechten kommen können. Für den westlichen Block war ein solcher Zwist natürlich höchst willkommen. Die Annäherung zwischen Indien und China durch den Deal (und auch der Kauf russischen Öls durch Indien) machen klar, dass sich Ersteres nicht einfach einem westlichen Block unterordnen wird. Zugleich muss aber auch erwähnt werden, dass Indien mit den USA weitgehende Militärabkommen geschlossen hat, die sich gegen China richten, und die Grenzstreitigkeit könnten in Zukunft jeder Zeit wieder hochkochen.

Eine weitere Schlappe erlebten die westlich-indischen Beziehungen auf dem deutsch-indischen Gipfel, der direkt nach dem BRICS-Treffen stattfand. Dabei wurde klar, dass Indien zwar wahrscheinlich vermehrt Arbeitskräfte nach Deutschland schicken wird, aber ein Freihandelsabkommen, welches sich vor allem Deutschland wünscht, in weiter Ferne liegt, auch wenn Scholz auf eine rasche Lösung drängt. Das Hauptproblem liegt (ähnlich wie bei dem Mercosurabkommen zwischen der EU und einigen Staaten Südamerikas) in der Frage der Öffnung der Landwirtschaft wie auch in der inneren Uneinigkeit der EU.

BRICS als Gegengewicht?

Die BRICS stellen ein stärker werdendes, wenn auch selbst von Interessenkonflikten durchzogenes Gegengewicht zum Westen dar. Gerade deshalb dürfen sie aber nicht als bessere oder weniger gefährliche imperialistische Organisation missverstanden werden. Die Arbeiter:innenklasse kann durch den Aufstieg der BRICS-Staaten nichts gewinnen. Ausbeutung, die Einschränkung demokratischer Rechte und Krieg werden von diesen Staaten genauso genutzt, um ihre herrschenden Klassen zu bereichern.

Die Arbeiter:innenklasse muss sich bei allen Konflikten zwischen Imperialist:innen und ihren (sich formierenden) Blöcken und Institutionen unabhängig positionieren. In den momentan stattfindenden Kämpfen muss sie daher Stellung beziehen, die von den Interessen der Lohnabhängigen und Unterdrückten ausgeht, um so internationale Solidarität herzustellen. Wir müssen auf die Straße gehen, nicht nur für besser Arbeitsbedingungen und Löhne in Deutschland, sondern auch für den Stopp des Gazagenozids, streikende Arbeiter:innen in Peru oder Bäuer:innenaufstände in Indien. Natürlich braucht es dafür auch eine länderübergreifende Organisierung. Nur so kann die Politik der  Arbeiter:innenklasse und die Forderung nach einer tiefgreifenden sozialen Revolution als reale Alternative zum Imperialismus (egal ob von USA oder China, von EU oder Russland dominiert) greifbar werden.

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