Arbeiter:innenmacht

Der Erfolg der KPÖ: Alpenkommunismus auf dem Vormarsch?

Flo Kovacs, Rob Treyger, Arbeiter*innenstandpunkt, Infomail 1264, 16. September 2024

Der Aufstieg der KPÖ in den letzten drei Jahren kam wohl für viele als Überraschung. Bis vor wenigen Jahren war sie eine Kleinstpartei, die außerhalb der Steiermark in den letzten Jahrzehnten kaum von Bedeutung war. Die letzten Wahlergebnisse in Graz, Salzburg und Innsbruck, die Umfragen zur Nationalratswahl sowie die Aufmerksamkeit der Medien deuten aktuell darauf hin, dass die Umorientierungen der Partei in den vergangenen Jahren in vieler Hinsicht erfolgreich waren. Daher stellt sich die Frage, ob die neue Ausrichtung gemeinsam mit einem neuen Programm für die Nationalratswahl nun auch auf der Bundesebene erfolgreich sein kann und ob das im Sinne kommunistischer Politik ist.

Für die Wiederbelebung der Partei waren zwei Faktoren entscheidend. Einerseits konnte die KPÖ-Steiermark durch langjährige kommunalpolitische Arbeit, insbesondere in Graz, Fuß fassen, was der Partei ein praktisch übertragbares Modell für andere Städte an die Hand gab. Mit Bürgermeisterin Elke Kahr als Gesicht konnte die Partei die Position einer nahbaren, bodenständigen und „nützlichen Linken“ einnehmen.

Ein weiterer Schlüsselfaktor war die Gewinnung ehemaliger Aktivist:innen der Grünen, speziell von deren Jugendorganisation, als diese 2017 aus der Partei ausgeschlossen wurden. Diese verjüngten die stark gealterte Partei und brachten viele Kompetenzen mit, die für erfolgreiche Wahlkämpfe und einen gewinnbringenden öffentlichen Auftritt dringend notwendig waren. Die Jungen Linken als neue Partner:innen trugen weiter zur Belebung der Partei bei und waren bei (überregionalen) Mobilisierungen für die Wahlkämpfe zentral.

Der Neuzuwachs besänftigte zu einem gewissen Grad auch den Richtungsstreit innerhalb der alten Mitglieder der Partei, wobei Programm und Praxis zwischen den Bundesländern Unterschiede aufweisen. Die programmatische Entwicklung der letzten vier Jahre zeigt, dass sich die KPÖ derzeit auf ein paar kurze, populäre Forderungen konzentriert (Wohnen, Preise, Neutralität). So sind die Positionen der Partei auf ihrer Webseite in wenigen, kurzen Kapiteln zusammengefasst. Bei den einzelnen Wahlen in den Bundesländern, wie zum Beispiel in Salzburg, bekommen diese Forderungen noch einen lokalpolitischen und allgemein doch recht gemäßigten Anstrich, was nun seine Entsprechung auf Bundesebene findet.

Obwohl die KPÖ in den letzten Jahren signifikante Fortschritte gemacht hat, ist es fraglich, ob sie diese Erfolge bundesweit reproduzieren kann. Die lokalen Erfolge, die auf spezifischen regionalen Problemen und Lösungen basieren, sind schwerer auf nationaler Ebene umzusetzen. In vielen Bundesländern, speziell dem bevölkerungsreichen Niederösterreich, fehlt es der KPÖ an starken Ortsgruppen, die diese bundesweiten Wahlkämpfe tragen können.

Obwohl die KPÖ auch nach dem Wachstum der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart noch immer eine sehr kleine Partei ist, besitzt sie noch eine relevante Anzahl an Parteilokalen und allgemein finanzielle Mittel. Von beidem hat sie nicht mehr so viel wie noch vor dem Fall der DDR, aber immer noch genug, um den Aufbau einer neuen Art KPÖ tragen zu können, der sich aus ihrer derzeitigen Politik ergibt. Das 2004, nach dem Bruch mit der KJÖ und der späteren „Partei der Arbeit“ verfestigte Ziel, sich zu einer Partei aus vielen freiwilligen Aktivist:innen zu entwickeln, dürfte nun zur Wirklichkeit werden.

Dem entgegen steht aber ein anderes Erfolgsmodell, auf das die KPÖ bei den letzten gewonnenen Wahlen aufbauen konnte. Ausgehend von Graz, wo sich eben Elke Kahr nach langjähriger Arbeit Vertrauen und Sympathie verdient hat, basieren die Wahlkämpfe (mit Ausnahme der wenig priorisierten EU-Wahl) auf sympathisch auftretenden, nahbaren Spitzenkandidat:innen. Sowohl der Außenauftritt als auch die vordergründigen Inhalte sind auf diese abgestimmt, was sich bei Kahr und Kay-Michael Dankl (Salzburg) gut mit dem bereits prioritär behandelten Thema Wohnen vereinbaren ließ. Pia Tomedi in Innsbruck konnte, wohl auch aus mangelnder Bekanntheit, nicht ganz in diese Kerbe schlagen, aber trotzdem für eine relativ konservative Stadt beachtliche Erfolge einfahren. Dabei bringt diese personenzentrierte Politik auch potenzielle Probleme für demokratische Abläufe in der Partei mit sich. Es ist davon auszugehen, dass die Zugpferde der jeweiligen Wahlkämpfe innerhalb ihrer Gremien auch eine Sonderstellung einnehmen und Entscheidungsfindungen maßgeblich zu ihren Gunsten beeinflussen können. Diese Balance zwischen personenbezogenen Erfolgen und innerparteilicher Demokratie dürfte zum jetzigen Zeitpunkt für einen großen Teil der KPÖ recht klar zu Gunsten von ersterem bewertet werden.

Um das Altbekannte nochmals zu wiederholen: Die Erfolge der KPÖ haben bisher ausschließlich auf der lokalen Ebene stattgefunden. Der Fokus auf diese kleinen, geografisch beschränkten Themen war und ist ein Ausdruck der Schwäche der Partei. Statt sich in Richtung weitreichender und tiefgreifender politischen Veränderungen zu orientieren, die mit der bestehenden Mitgliederzahl ohnehin in Österreich nicht möglich wären, hat sie sich auf jene politischen Felder fokussiert, auf denen sie tatsächlich etwas ausrichten konnte, auch wenn das nicht die Welt bewegt. Dass das gerade in Graz das Thema Wohnen war, hat sie sich nicht einmal selbst ausgesucht, sondern wurde ihr ausgerechnet von der örtlichen ÖVP zugeschoben. Entsprechend dem Proporzprinzip in der Besetzung von Stadtratsposten stand Ernest Kaltenegger nach der Gemeinderatswahl 1998 ein Posten zu. Die regierende ÖVP versuchte, die Kommunist:innen mit dem unbeliebten Wohnbauressort abzuspeisen und legte damit auf gewisse Weise den Grundstein für die heutige KPÖ. Denn Kaltenbrunner begann mit jener Ausrichtung, die inzwischen die gesamte Partei prägt. Er setzte ehrliche, nahbare sozialdemokratische Arbeit um. Das grub der SPÖ immer weiter das Wasser ab, die sich dagegen nicht glaubhaft wehren konnte und ihre Wähler:innenstimmen kontinuierlich an die kommunistische Partei verlor.

Besonders dieser Punkt gilt aber nicht für jeden Wahlerfolg der vergangenen Jahre. Immerhin wurde die Bürgermeisterwahl in der Stadt Salzburg zwischen den Spitzenkandidaten von SPÖ und KPÖ geschlagen. Hier kam eine andere Strategie zum Tragen: der Fokus auf Nichtwähler:innen. Ohne allzu stark in eine populistische Kerbe zu schlagen, versuchte die KPÖ ihr Glück bei jenen, die sich von den etablierten bürgerlichen Parteien abgewandt hatten. Sie konzentrierte ihre Wahlkampfaktionen neben belebten Plätzen auf solche Orts- und Stadteile, in denen die Wahlbeteiligung zuvor niedrig geblieben war. Die Gruppe derer, die mit den bürgerlichen Wahlkämpfen abgeschlossen hatten, hat sich als erfolgreiches Ziel einer Kampagne herausgestellt, die zumindest in Ansätzen die kapitalistische Gewinnmaxime (beispielsweise mit der Losung „Keine Profite mit der Miete!“) infrage stellt. Damit hat die KPÖ mit ihrem wiederholt geäußerten neuen Grundsatz, nur Dinge zu versprechen, die sie auch halten kann, Wahlergebnisse erreicht, die linkspopulistischen Kräften anderswo versagt geblieben sind, obwohl sich diese traditionell auf dieselbe Schicht beziehen. Das kann selbstverständlich auch an unterschiedlichen Rahmenbedingungen liegen, fällt aber auf.

Wahlerfolg – und dann?

Die verschiedenen lokalen Organisationen gingen unterschiedlich mit dem Zulauf um, den sie mit den Wahlerfolgen erhielten. Dabei sticht besonders die Grazer Stadtpartei hervor, die einerseits ein anderes Parteiverständnis behalten hat und andererseits an größeren Hebeln mit gewichtigeren Verwaltungsaufgaben sitzt. Obwohl sie es vermutlich gekonnt hätte, ist die KP Graz seit 2021 nur wenig gewachsen. Stattdessen hat sie sich auf Regierungsarbeit fokussiert. Dabei hat sie den Zugang zum öffentlichen Wohnraum erleichtert, den Bau von mehr Gemeindewohnungen veranlasst, einen Sozialfonds eingerichtet und die mobile Pflege ausgebaut (auf eine Kritik der Pflege zuhause verzichten wir aus Platzgründen).

In anderen Bundesländern, besonders merklich in Salzburg, ist das Wachstum der Partei hingegen deutlich stärker wahrzunehmen. Neben dem elektoralen Erfolg liegt das auch an den laschen Kriterien für eine Mitgliedschaft, denn der bloße Wille zum Beitritt genügt. In einigen lokalen Organisationen wird nun versucht, Schulungen der neuen Mitgliedschaft nachzuholen, das hängt aber von der Initiative einzelner Aktivist:innen ab und folgt keiner Strategie der Gesamtpartei. Auf jeden Fall haben die Wahlen und der Kampf darum immer Vorrang.

Die Aufbruchstimmung ist aber definitiv spürbar. Die ersten Erfolge der parlamentarischen Linken in Österreich bieten einen Anknüpfpunkt auch für viele, die eine Organisierung in der schwer greifbaren und immer mehr zerfallenden KPÖ vor 2020 ausgeschlossen hatten. Es ist nun die Aufgabe der KPÖ, diese Personen zu kämpfenden Aktivist:innen zu entwickeln, die das kapitalistische System gezielt an seine Grenzen bringen und Strukturen von Gegenmacht aufbauen wollen. Vielleicht weiß die Partei das, zu verfolgen scheint sie dieses Ziel allerdings nicht.

Ein Einzug der kommunistischen Partei in den Nationalrat wäre nämlich neben einer Veränderung der politischen Landschaft erst einmal ein großer Schritt der KPÖ auf dem bereits beschrittenen Weg. Sie würde, wie angekündigt, ihre Schwerpunktthemen, allen voran das Wohnen, auch auf parlamentarischer Ebene einbringen und versuchen, hier weiter Druck auszuüben. Bei wohl weniger als 10 Mandatar:innen (davon 1 – 2 von LINKS) wird dieser wohl nicht allzu groß geraten. Ein möglicher Einzug würde aber auch mehr Ressourcen bedeuten, denn mit Mandaten gehen auch beachtliche Gehälter einher, die KP-Abgeordnete bereits in lokalen Gremien nicht ganz für sich behalten – neben der höheren Parteien- und Klubförderung durch Wahlsiege. Die Begrenzung der Gehälter auf einen durchschnittlichen Facharbeiter:innenlohn ist eine sinnvolle Praxis, die wir unterstützen. Die dadurch erworbenen Mittel können nämlich für andere Arbeit aufgewendet werden. In diesem Fall ist von einer Ausweitung der konkreten Sozialhilfe und der Mieter:innenberatung auszugehen. Die Nutzung staatlicher Gelder für direkte Hilfe ist an sich zu unterstützen, wenn sie nicht einfach nur sozialstaatliche Mängel kompensiert, sondern mit einem revolutionären Programm verknüpft wird, welches das politische Bewusstsein um Perspektiven über den Kapitalismus hinaus entwickelt.

Wie viel Kommunismus steckt im Programm der KPÖ?

Als Kommunist:innen richten wir unsere Arbeit nämlich nach einem Programm aus, das wir aus revolutionären Prinzipien und den politisch-ökonomischen Bedingungen ableiten, im realen Kampf – soweit möglich – erproben, um es fortwährend den Erfahrungen und konkreten Bedingungen anzupassen. Dass die KPÖ das anders handhabt, ist nicht nur aus ihrem Fokus auf Wahlen, Sozialberatung und praktischer Hilfestellung zu erkennen (dazu unten mehr). Ihr aktuelles, für die Nationalratswahl 2024 veröffentlichtes Programm ist auch konkret auf diese zugeschnitten. Somit beschränkt es sich nur auf Forderungen, die sowohl theoretisch im bürgerlich parlamentarischen Rahmen erfüllbar sind als auch solche, die diesen nicht im Geringsten infrage stellen und nicht einmal auf eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus verweisen. Ein Partikularprogramm für eine bestimmte Intervention ist per se auch für uns nicht abzulehnen, solange es sich aus einem grundlegenden Programm ableitet und auch darauf bezieht. Das ist hier nicht der Fall, denn es handelt sich um allgemeine Vorstellungen, was in Österreich geändert werden soll, und das programmatische Dokument „Für die Solidarische Gesellschaft“, dessen Gültigkeit in der aktualisierten Fassung von 2021 angenommen werden muss, steht in keinem klaren Verhältnis zu diesem Wahlprogramm. Wie sich die Programmatik der Partei in den vergangenen drei Jahrzehnten geändert hat, haben Heidi Specht und Mo Sedlak in ihrem Artikel in der ersten Ausgabe der „Flammenden“ ausgiebig und klar beantwortet. Besonders das Spannungsfeld zwischen Eurokommunismus und Transformationstheorie, das sich zwar bis heute durch die Diskussionen zieht, aber inzwischen an Relevanz verloren hat, ist dort gut aufgearbeitet und trägt zum Verständnis dieser Partei bei. Aber sehen wir uns doch einmal genauer an, mit welchen Themen und Forderungen die KPÖ in den aktuellen Wahlkampf geht.

Keine Person, die in den letzten Jahren den öffentlichen Auftritt der KPÖ verfolgt hat, wird sonderlich überrascht gewesen sein, dass sich besonders die Kommunikation um den Antritt zur Nationalratswahl fast ausschließlich um das Thema Wohnen gedreht hat. Das ist auch insofern nachvollziehbar, als die lokalen Wahlkämpfe um dieses Thema, wie bereits besprochen, so erfolgreich waren wie noch keine in der Geschichte der Partei. Die KPÖ sieht darin das große, wahlmobilisierende Thema und hat noch keinen Anlass erhalten, von dieser Schwerpunktsetzung abzulassen. Vielmehr will sie sicherstellen, „dass leistbares Wohnen und Soziales auch nach der Wahl Schlüsselthemen bleiben“ (Programm, S. 3).

Vielmehr kann überraschen, dass in dem Programm tatsächlich auch andere Themen behandelt werden: Teuerung und Löhne (der Demospruch „Preise runter, Löhne rauf!“ in einem kurzen Kapitel zusammengefasst), Klima und Umwelt, Neutralität und Frieden sowie Pflege mit ein bisschen Gesundheit. Der Leitspruch zur EU-Wahl „Wohnen statt Kanonen“ wurde also etwas stärker untermauert und um ganze drei Punkte erweitert. Damit kommt das Programm mit lockerer Formatierung auf ganze 22 relativ kleine Seiten Text. Kein sehr umfangreiches Programm, aber auch nicht unbedingt ein Problem, wenn es zumindest exemplarisch alle wichtigen Themen abdeckt. Das tut es leider nicht.

Die KPÖ hat es nämlich geschafft, das vermutlich rechteste Programm ihrer Geschichte zu schreiben, vermutlich um breitere „Wählbarkeit“ zu erlangen. Das ist für eine auf Wahlen in Österreich fokussierte Organisation nachvollziehbar, hat aber mit Kommunismus nicht mehr viel zu tun. Der Kapitalismus als weltweites, ausbeuterisches Wirtschaftssystem findet genau zweimal Erwähnung, als Begründung für Teuerung und Klimakrise. Der Schluss, dass diese systemische Ursache überwunden werden muss, um die Probleme zu lösen, wird im Programm nicht gezogen. Zwar soll die freie Marktwirtschaft in essenziellen Lebensbereichen wie Wohnen, Lebensmittel und Energie zurückgedrängt werden, die Idee einer Planwirtschaft wird aber maximal im Kapitel zu Umwelt und Klima angedeutet und ist – soweit wir wissen – eigentlich in der KPÖ umstritten:

„Statt des Moralisierens braucht es einen radikalen Umbau unserer Wirtschaft. Dabei muss im Mittelpunkt stehen, zunächst die Emissionen der Reichsten zu senken, planvoll unsere Ressourcen einzusetzen und unsere Wirtschaft an den Grundbedürfnissen der Menschen, statt am höchsten Profit zu orientieren“ (Programm, S. 14).

Das ist der vermutlich radikalste Teil dieses Programms und steht zumindest relativ zentral in diesem radikalsten der fünf Kapitel. Genauere Visionen und Perspektiven, wie dieser Umbau vonstattengehen soll, suchen wir auf den 22 Seiten vergebens. Auch Forderungen, die sich aus der aufgestellten Programmatik notwendigerweise ergeben, wie die Enteignung von Konzernen in den für das Wahlprogramm essenziellen Bereichen, hier thematisch passend in der Energieversorgung, werden nicht aufgestellt und scheinen aus pragmatischen Gründen umstritten zu sein (etwa bei Kay-Michael Dankl, bezogen auf Immobilienkonzerne, im Podcast der Jungen Linken).

Auch das Wort Klasse würden öffentliche Vertreter:innen auch nur im Gespräch mit linken Medien in den Mund nehmen, in den großen Medien wird darauf taktisch verzichtet. Statt einer klassenbewussten Politik bewegt sich die KPÖ programmatisch, der Sozialdemokratie folgend, hin zu einer Politik für die „kleinen Leute“ und nicht der Arbeiter:innenklasse.

Ihre Stellung zum Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Ablehnung von wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland haben der KPÖ bereits Rügen von Seiten der bürgerlichen Presse beschert. Wenn auch eine internationalistische Perspektive in großen Teilen dieses Programms fehlt, hält es doch an einer – pazifistisch argumentierten – Ablehnung von Krieg fest, der auch die NATO und Militärprogramme der EU mit einschließt. Die KPÖ will also nicht die Interessen des europäischen Imperialismus mit der Waffe verteidigen und das ist ihr in der bestehenden Parteienlandschaft durchaus anzurechnen.

Dabei beruft sie sich im Programm stark auf die österreichische „immerwährende Neutralität“ und pocht auf deren Beibehaltung. Wo es einerseits lobenswert ist, den militärischen Anschluss an imperialistische Militärbündnisse grundlegend abzulehnen, verschließt ein solcher Zugang auf der anderen Seite die Tür zur Verteidigung der Unterdrückten weltweit. Als internationalistische Marxist:innen sind wir nicht neutral, wir sind bedingungslos und weltweit auf der Seite der Lohnabhängigen, Armen und Unterdrückten. Diese haben ein Recht auf bewaffneten Widerstand, das wir auch verteidigen. Die KPÖ tut das nicht, sie steht auf der Seite aller zivilen Opfer und jener, die sich weigern zu kämpfen.

Ihre Sichtweise auf das Thema Krieg ergibt sich aus einer allgemein auf Österreich beschränkten politischen Perspektive, die sich durch das gesamte Programm zieht, sowie ihr stalinistisches Erbe, als die Sowjetunion Österreich die Neutralität zum Zweck eines Puffers zur NATO diktierte. Die „Zivilbevölkerung“ in Kriegsgebieten ist die einzige Gruppe an Menschen, die außerhalb Österreichs jemals genannt wird. Der imperialistische Charakter Österreichs selbst, gerade mit Blick auf den Balkan und Osteuropa, wird dabei ausgeblendet. Auch im Kontext des genozidalen Kriegs im Gazastreifen schafft die KPÖ es nicht, die unterdrückerische Seite zu benennen und spricht stattdessen vom „Nahen Osten“. Das ist zwar bei einer linken Organisation in Österreich nicht verwunderlich, offenbart aber wieder einmal ihre analytische und politische Schwäche.

Auch innerhalb Österreichs hat sich die KPÖ nur einen Bruchteil der eigentlichen Probleme ausgesucht. Wer das Programm liest und der zugrundeliegenden Analyse Glauben schenkt, kann zum Schluss kommen, mit einer Zurückdrängung der freien Marktwirtschaft in essenziellen Bereichen (Wohnraum, Energie, Grundnahrungsmittel, Gesundheit) wären unsere Probleme in Österreich im Großen und Ganzen gelöst. Konsequent denkt das Programm frauenpolitischen Forderungen in den einzelnen Teilbereichen mit. Das ist positiv hervorzuheben.

Ein zentraler Unterdrückungsmechanismus in Österreich, der Rassismus, bleibt leider trotz – oder vielleicht sogar wegen – der Stärke der FPÖ größtenteils unbenannt. In 2 bis 3 Sätzen wird er zwischen den Zeilen erwähnt. Beispielsweise wird als Problem angeführt, dass migrantische Personen in Österreich zu Stellvertreter:innen ihrer Herkunftsländer oder derer ihrer Vorfahren gemacht und dafür angegriffen werden. Oder auch auf dem Wohnungsmarkt. Dort existiert er zumindest vielleicht, sonst müsste die Vergabe öffentlicher Wohnungen nicht „ohne Diskriminierung aufgrund von Ethnie, Geschlecht, sexueller Orientierung und sozialem Status“, sowie unabhängig von der Staatsbürger:innenschaft (Programm, S. 8) passieren. Der Anstieg an rassistischen Handlungen und Gewalttaten über die letzten Jahre, das immer weiter eingeschränkte Recht auf Asyl und die in weiten Teilen unwidersprochene rassistische Hetze von rechts werden einfach ignoriert. Ein Asylrecht für Desertierte, egal woher, wird immerhin gefordert. Dabei bleibt es dann auch, der Schritt zu einem Bleiberecht für alle bleibt aus.

Ähnlich sieht es bei der Unterdrückung von LGBTQ-Personen aus. Nicht einmal rechtliche Gleichstellung in allen Belangen traut sich die KPÖ zu fordern. Vielleicht reicht ihr das bestehende Gleichbehandlungsgesetz aus, vielleicht sieht sie hier keine Wähler:innenschicht, die für sie relevant ist. Da kommt es schon fast überraschend, dass im Kapitel zu Gesundheit immerhin die kostenlose „geschlechteraffirmierende“ (gender affirming) Medizin für trans Personen gefordert wird – ohne den Konnex zu den oft (re-)traumatisierenden psychiatrischen Gutachten und den allgemeingesellschaftlichen Hürden zu ziehen, die Personen weit vor und noch während einer Transition im Weg stehen.

Auf gesellschaftlicher Ebene scheint allgemein kein Problem von Unterdrückung zu bestehen, oder zumindest will es die KPÖ nicht ansprechen. In der viel zu oft herbeikonstruierten Frage, wie der behauptete Widerspruch zwischen Fragen der Klassen und der Identitäten, zwischen „klassenessentialistischem“ Marxismus und „Kulturkampf“ bzw. Identitätspolitik zu lösen ist, hat sich die KPÖ in ihrer besten dialektischen Manier für die Negation der Negation entschieden: für national beschränkten Reformismus ohne Interesse am Kampf gegen soziale Unterdrückung.

Die KPÖ verfolgt also weiter den (lokal erfolgreichen) Weg, sich in die Lücke zu setzen, die durch die Rechtsentwicklung der SPÖ immer weiter aufgeht. Beachtlich ist der Bruch mit dem Bezug auf die „sozialen Bewegungen“, der für die transformationstheoretische Ausrichtung seit den 1990er Jahren grundlegend war. Stattdessen tritt der Mitverwaltungsreformismus, gestärkt durch die bereits bestehende Praxis in Graz und Salzburg immer stärker hervor und die KPÖ gibt sich schon fast staatstragend. Statt des pluralen Linksreformismus der letzten 30 Jahre versammelt sich die Basis nun hinter minimalen Forderungen, auf die sie sich einigen kann. Alles andere, vielleicht Radikale, bleibt auf der Strecke oder wird hinter harmlosen Formulierungen versteckt. Oder, wie Aventina Holzer schon in der „Flammenden“ Nr. 1 formuliert hat:

„Wenn man sein politisches Programm am ,Sagbaren’ ausrichtet, wird der eigene Kurs den politischen Entwicklungen von anderen unterworfen, konkret der bürgerlichen Parteien- und Medienlandschaft. Die eigene Politik bleibt dann im bestehenden System stehen.“

Es gibt einen Grund, warum wir als revolutionäre Marxist:innen auf einem Übergangsprogramm bestehen. Forderungen, die den Kapitalismus an seine Grenzen bringen und dadurch in direkter Konsequenz über ihn hinausweisen, zeigen klar und anschaulich die Notwendigkeit eines Systemwandels und von Arbeiter:innenmacht auf. Diesen dann auch zu fordern, ist nur ehrlich. Das Wort „Kommunismus“ wieder wählbar zu machen, indem man es mit einer zahmen Politik verbindet, tut der Sache mehr Abbruch als einen Gefallen. Das „Ende der Geschichte“, die Unmöglichkeit, sich eine andere Gesellschaft auch nur vorzustellen, wird durch so eine Politik nur einzementiert.

Charakter, Strategie, Parteiaufbau

Ein leninistisches Konzept von Parteiaufbau, wie wir es verstehen und anwenden, zeigt die Stufen von einem kleinen Kaderzirkel hin zu einer proletarischen Massenpartei, die eine Revolution anführen kann. Diese Partei organisiert in erster Linie die Avantgarde der arbeitenden Klasse, also ihre am fortschrittlichsten eingestellten Schichten. Sie baut aber in ihrem Wachstumsprozess auf die Masse, auf den Großteil der arbeitenden bzw. lohnabhängigen Bevölkerung, die sich mit der Partei identifiziert, die Organisation demokratisch mitgestaltet und deren Revolutionär:innen auf die Ziele der proletarischen Revolution hinarbeiten. Sich auf eine Massenbasis zu stützen, bedeutet in dem Sinne nicht einfach, sich eine Grundmenge an Wähler:innenstimmen zu erarbeiten. Viel wichtiger ist es, Sektoren der Klasse im Klassenkampf organisieren und anführen zu können.

Von diesem Konzept hat sich die KPÖ schon lange vor ihrem Umorientierungsprozess nach 1990 verabschiedet. Dieser Abschied aber hat sie von der stalinistischen, moskautreuen Bürokrat:innenpartei zu einer „Partei der freiwilligen Aktivist:innen“ werden lassen. Das ist nicht nur, aber auch dem generellen Abstieg der „traditionellen Massenparteien“ geschuldet. Die linksreformistische Ausrichtung, gerade wenn sie sich der Transformationstheorie folgend auf soziale Bewegungen stützt, erfordert dies auch überhaupt nicht mehr. Eine Massenbasis ist notwendig für eine Revolution, für kampagnenbasierte Arbeit, beschränkt auf einige wenige Themen und daraus resultierende Vertretungsarbeit wird sie nicht gebraucht.

Dafür gibt es modernere, flexiblere Modelle zur Einbindung von Personen wie das Organizingmodell, auf das sich spätestens seit dem Einstieg von Junge Linke auch die KPÖ stützt. Dabei werden für die Außenarbeit, gerade bei Kampagnen zu einzelnen Themen, schnell und einfach Personen eingebunden, die selbst keine Mitglieder sind und auch keine werden wollen. Das hat zweierlei Vorteile: Die Partei spart sich so einerseits einen möglicherweise länger andauernden Eingliederungsprozess in die Strukturen, der in relevantem Ausmaß Ressourcen frisst, ohne zu wissen, ob die Person auch danach dabeibleibt. Andererseits ist die Führung einer Organisation in erster Linie der Mitgliedschaft verpflichtet und erst in weiterer Instanz auch dem erweiterten Umfeld. Eine kleinere Organisationsbasis macht eine stärker auf Führungspersonen ausgelegte Parteiarbeit schlicht weniger lästig und erfordert weniger parteiinterne Demokratie. Diese ist in den vergangenen Jahren auch tendenziell zurückgegangen, nachdem sie davor schon nicht im Überfluss vorhanden gewesen war. Basismitglieder haben nicht einmal Einsicht in die Protokolle von lokalen Leitungsgremien, was die Rechenschaft gegenüber der Basis schwierig macht. Wahlen werden auf Basis von Wahlvorschlägen der scheidenden Leitungen abgehalten. Die Wählenden können nur Namen hinzufügen oder streichen, jeweils mit einfacher Mehrheit. Die neue Leitung steht damit eigentlich nahezu immer schon vor den jeweiligen Wahlen fest. Wer die Demokratie in der Partei auf diese Weise klein hält, kann nicht glaubwürdig für mehr in der Gesellschaft einstehen.

So gesehen gehen programmatische Ausrichtung und Strategie Hand in Hand. Damit ist die KPÖ nicht nur im Programm, sondern auch in den Parteistrukturen auf dem besten sozialdemokratischen Weg. Was die nach außen hin runderneuerte Partei (darauf, dass dieser Prozess und die internen Unstimmigkeiten noch lange nicht abgeschlossen bzw. beendet sind, kann und soll hier nicht näher eingegangen werden) von der SPÖ vergangener Jahrzehnte noch unterscheidet, ist ihre Ausrichtung auf Nützlichkeit. Diese ist es auch, wie wir schon gezeigt haben, die ihr den Erfolg in Graz beschert hat und nun zumindest in Salzburg weiter etabliert werden soll. Die aktive, nahbare Wohnpolitik und -beratung hat tatsächlich bleibenden Eindruck hinterlassen. Das auszubauen, erscheint nur logisch.

Dementsprechend kommt es nicht überraschend, wenn die KPÖ sich weiter als Partei etabliert, die auf die „einfachen Leute“ (in der üblichen rechten Auslegung) zugeht und ihre konkreten Probleme innerhalb des systemischen Rahmens anspricht. Dass sie das ernsthaft betreibt und dabei nicht in Populismus verfällt, ist ihr anzurechnen. Trotzdem wäre es hier angebracht, nicht bei der praktischen Lösung zu bleiben, sondern sie mit weitergehenden und Übergangsforderungen zu verbinden, die den Kapitalismus in Frage stellen und über ihn hinausweisen. Dass dieser das übergeordnete Problem ist, dem die anderen entspringen, kommt den Parteisprecher:innen immerhin noch manchmal über die Lippen. Ihr Ziel, sofern man es aus der praktischen Politik ableiten kann, ist aber anscheinend nur, diesen durch Mitverwaltung erträglicher zu machen. Der Weg zum ohnehin schon verwaschenen Ziel einer „solidarischen Gesellschaft“, die Sozialismus heißen kann aber nicht muss, versinkt im Morast der Wählbarkeit. Karl Marx gefällt das nicht.

Dazu passt auch der bereits erwähnte Grundsatz, nur Dinge zu versprechen, die man auch halten kann. Auf lokaler Ebene mit stark beschränktem Handlungsspielraum mag das Ehrlichkeit und Bodenständigkeit vermitteln. Auf einer nationalen Ebene hingegen stellt sich schon bei der einfachsten, ernsthaften linken Reform, die Frage wie diese umgesetzt werden kann, obwohl die Arbeiter:innenbewegung dazu noch nicht in der Lage ist. Die KPÖ tritt nicht mit dem Anspruch an, die erhöhte politische Aufmerksamkeit, die mit Wahlen einhergeht, für die Platzierung von Inhalten zu nutzen, die über das herrschende politisch-ideologische Bewusstsein hinausgehen. Sie tritt an, um die 4 %-Hürde zu überspringen und zum ersten Mal seit 1959 Abgeordnete in den Nationalrat zu bringen. Nur Dinge zu versprechen, die mit 8 Personen im Nationalrat umzusetzen sind, bedeutet, nicht viel anzukündigen. Es bedeutet schon überhaupt nicht, über das System hinauszuweisen. Und das ist für eine sich kommunistisch nennende Kraft fatal.

Die KPÖ ist also weiterhin eine reformistische Partei. Es ist aber hervorzuheben, dass sie innerhalb des reformistischen Spektrums vermutlich so weit rechts steht wie schon lange nicht mehr. Auch die nicht unbedingt revolutionäre, linke Zeitschrift „Tagebuch“ kritisiert inzwischen – zu Recht – den Charakter der Kommunistischen Partei und Spitzenkandidat wie Bundessprecher Tobias Schweiger kann im Interview dazu keine überzeugende Antwort geben. Demzufolge besteht der revolutionäre Aspekt in der Politik der KPÖ in der solidarischen Organisation direkt nützlicher Angebote, „damit [sie] Druck auf die parlamentarischen Mehrheiten ausüben könne[n]“. Die transformationstheoretischen Überreste werden hier als kommunistische Politik angepriesen. Wir können also nicht einmal mehr von einer besonders linken reformistischen Kraft sprechen, die zumindest hier und da radikal auftritt. Dabei hört die KPÖ nicht einmal auf die Worte der Sozialdemokratin Johanna Dohnal (erste Frauenministerin Österreichs 1991), aus taktischen Gründen leisezutreten, habe sich bisher immer als Fehler erwiesen. Es bleibt abzuwarten, wann die Führungsriege der KPÖ diese Wahrheit erkennt. Die Partei hat es in den vergangenen Jahren geschafft, das Wort „Kommunismus“ in der öffentlichen politischen Diskussion wieder sagbar zu machen. Gleichzeitig betreibt sie die inhaltliche Aushöhlung dieser grundlegend revolutionären Idee.

Wie also dazu stehen?

Trotz all dem ist die gegenwärtige KPÖ sicher die linkste Kraft, die in den vergangenen Jahren einen breiteren Anklang in Österreich gefunden hat. Ihre Wahlerfolge haben gezeigt, dass sie sich einerseits als für viele Menschen wählbare, soziale Alternative anbieten kann, die in ihrer Ausrichtung klar links von SPÖ und Grünen steht. Dass viele in Österreich sich nun vorstellen können, eine zumindest dem Namen nach kommunistische Partei zu wählen, ist ein großer Fortschritt für die Linke. Es ist nun auch unsere Aufgabe, sowohl Druck von links aufzubauen als auch Personen von den Ideen zu überzeugen, die eigentlich hinter dem Schreckgespenst Kommunismus stehen. Wir können und müssen als Revolutionär:innen gemeinsam mit Mitgliedern und Sympathisierenden der KPÖ arbeiten, um ihnen den reformistischen Holzweg aufzuzeigen, auf dem sich die Partei seit Jahrzehnten befindet, um gemeinsam eine wirkliche Alternative aufzubauen. Gleichzeitig braucht es innerhalb der KPÖ den Aufbau einer klaren linke Strömung, die sich der Aushöhlung kommunistischer Politik durch die aktuelle Parteiführung widersetzt.

Um den Kampf der KPÖ zu unterstützen und zumindest im Ansatz gemeinsam führen zu können, rufen wir, trotz aller Kritik, dazu auf, die KPÖ in den Nationalrat zu wählen. Denn trotz ihrer mangelhaften Verankerung in der Klasse ist sie derzeit die einzige wahlwerbende Partei, die den Kapitalismus zumindest infrage stellt und deren Erfolg eine Weiterentwicklung der österreichischen Arbeiter:innenbewegung bedeuten kann. Um zu einer wirklich gefährlichen Kraft zu werden, müsste sie aber über ihre kommunalpolitische, karitative und elektorale Strategie hinausgehen und eine klassenkämpferische im allgemeinpolitischen Sinn einschlagen. Sollte sie Erfolg haben, wird das im ersten Moment wohl die konservativen Tendenzen in der Partei stärken, doch schon im nächsten Moment würde die beschränkte Ausrichtung dem Test der Realität unterworfen. Ob die KPÖ dem Kommunismus einen Dienst oder Schaden erweist, wird sich dann zeigen und davon abhängen, ob Marxist:innen innerhalb und außerhalb ihrer eine glaubhafte Alternative zum „kommunistischen“ Reformismus aufzeigen können.

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