Arbeiter:innenmacht

Kanzler Kickl verhindern – Widerstand gegen Rassismus und sozialen Kahlschlag organisieren!

Foto: Michael Lucan, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia Commons

Markus Lehner, Infomail 1273, 9. Januar 2025

Nach monatelangem Schattenboxen um eine „Anti-Kickl-Koalition“ steht der selbsternannte „Volkskanzler“ jetzt tatsächlich vor den Toren des Kanzleramts, oder zumindest vor der Tapetentür in der Hofburg. Mit einer FPÖ-geführten Bundesregierung drohen nicht nur noch mehr Grausamkeiten gegenüber Migrant:innen. Die bisherigen Koalitionsverhandlungen lassen auch heftige Angriffe auf soziale Errungenschaften von Arbeiter:innen, Frauen, queeren Personen und die sowieso schon ausgebremsten Maßnahmen zum Klimaschutz erwarten. Dazu kommt die von Kickl versprochene Offensive gegen „Genderwahn“, „Systemmedien“ und „linkslinke“ Kulturschaffende. Ein breiter Widerstand gegen eine solche Regierung aus Kapital und Reaktion ist also dringend notwendig!

Was droht?

Die ÖVP (von Kickl bis vor kurzem als Zentrum des „Systems“ bezeichnet) hat wieder einmal alle ihre Ankündigungen vor der Wahl „vergessen“. Christian Stocker, der neue an die Front gestellte Watschenmann der ÖVP, hatte noch vor kurzem als Generalsekretär der Türkisen die FPÖ als Sicherheitsrisiko und als koalitionsunfähig bezeichnet. Bundeskanzler Karl Nehammer wurde geopfert, da Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung offenbar unbedingt gerade diese FPÖ-ÖVP-Koalition wollten. Denn erst nach der Wahl und im ganzen Umfang erst in den Koalitionsverhandlungen kam das „astronomische“ Ausmaß des Problems im österreichischen Bundeshaushalt ans Tageslicht. Türkise Haushaltslöcher scheinen wie schwarze Löcher plötzlich und unerwartet aufzutreten, alles zu verschlingen und verantwortliche Finanzminister wie durch ein Wurmloch Richtung Brüssel zu katapultieren. Die nunmehr fehlenden 18 Milliarden und das drohende EU-Defizitverfahren wollten die Verhandler:innen von ÖVP und Neos durch sozialen Kahlschlag (verkauft als „überfällige Strukturreformen“) in relativ kurzer Zeit bewältigen. Die SPÖ wollte die Budgetsanierung zeitlich strecken und insbesondere auch die „stärkeren Schultern“ durch Steuereinnahmen beteiligen. Wie Babler nach dem Scheitern der Verhandlungen unumwunden zugab, hat die SPÖ dabei das Schreckgespenst der Konservativ-Liberalen, Vermögen- und Erbschaftsteuern, zwar schon abgeräumt, bestand aber auf einer Rücknahme der vor kurzem erfolgten Absenkung der Körperschaftsteuer und einer Bankenabgabe auf „Übergewinne“. Ebenso akzeptierte die SPÖ offenbar nicht die Erhöhung des Pensionseintrittsalters auf 67. Nachdem im Wahlkampf ganz andere Themen abgehandelt wurden (das angebliche Hauptproblem „Migration“), kamen hier bei den Koalitionsverhandlungen also die eigentlichen Knackpunkte zum Vorschein: Die Kosten der gegenwärtigen ökonomischen Krise und Stagnation (die nicht nur Österreich trifft) sollen von der Masse der Beschäftigten und sozial Benachteiligten getragen werden. Eine Alibi-Abfederung dieser Umverteilung von unten nach oben wird der SPÖ schon als „Die leben noch in den 70er Jahren“ ausgelegt. Dafür geht man jetzt zurück mindestens in die 1920er Jahre.

Dass die FPÖ im Kern rechtsautoritär und durch viele Stränge mit alten und neuen Nazis verbunden ist, ist kein Geheimnis. Ihre Stärke ist sicherlich die rassistische Mobilisierung, aber gleichzeitig war sie auch immer Repräsentantin eines bestimmten Flügels des österreichischen Kapitals und hat, insbesondere in den Bundesländern, in den letzten Jahren immer mehr Positionen in den politischen Vertretungen der Wirtschaft erlangt. Die FPÖ gibt sich als Partei „der kleinen Leute“, ist aber eine durch und durch wirtschaftsliberale und gewerkschaftsfeindliche Kraft. Insofern wird eine Einigung auf die neoliberalen Angriffe, die Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung wollen, in FPÖ-ÖVP-Verhandlungen kein großes Problem sein. Sicherlich wird der „Volkskanzler“ Schwierigkeiten haben, Kürzungen und soziale Härten (wie die Erhöhung des Pensionseintrittsalters) als Politik „für die kleinen Leute“ zu verkaufen. Doch wird es dazu sicherlich die notwendige Ablenkung geben durch den unvermeidlichen Kampf darum, dass „nur hart arbeitende Österreicher auch Sozialleistungen bekommen“ und am „Gürtel enger Schnallen“ ja eigentlich die ÖVP schuld sei. Letzteres wird sicherlich noch mit „moralischen Empörungen“ über bestimmte Sonderleistungen für Migrant:innen gekoppelt – und zu allen möglichen Verschärfungen der sozialen Lage von rassistisch unterdrückten Menschen führen. Sicher ist auch, dass der antimuslimische Rassismus zu einem zentralen Cover der folgenden Angriffe werden wird. Dass Mikl-Leitner (Landesparteiobfrau der ÖVP Niederösterreich) kürzlich in einem Freud’schen Versprecher den „Kampf gegen den Islam“ zu den wichtigsten Aufgaben der österreichischen Politik erklärt hat, ist sicher kein Zufall. Auch wenn die FPÖ strukturell antisemitisch und Antisemitismus in den mit ihr verbundenen Burschenschaften tief verankert ist (was durch die Solidarität mit dem rechtsextremen Regime in Israel kaschiert wird) – das zentrale Zielobjekt für rassistische Hetze auch in der Regierungspolitik wird in nächster Zeit sicherlich die muslimische Minderheit in Österreich sein, mitunter sogar unter dem Deckmantel des „israelbezogenen Antisemitismus“. Hier werden sicherlich auch die Hauptansätze für die Vorbereitung der vielfach angekündigten Abschiebepolitik liegen.

Das schwierigste Thema für die FPÖ-ÖVP-Verhandlungen wird sicherlich die Außenpolitik sein. Hier sind die Nähe der FPÖ zu Orbán und Putin und die Widersprüche zur EU-Politik im Allgemeinen für die ÖVP wie auch für die größten Teile des österreichischen Kapitals sicherlich ein Problem. Außerdem wird die ÖVP bei der von der FPÖ eingeforderten Totalkritik der Coronapolitik nicht alles auf die Grünen und Nehammer abschieben können. Aber Stocker & Co sind da sicher ausreichend „situationselastisch“, sofern Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung nur ihre Hauptpunkte durchbekommen.

Rolle von SPÖ und KPÖ

Der Abbruch der Verhandlungen und das Beharren auf einigen sozialen Forderungen bringt die Babler-SPÖ aktuell zumindest in die Position, dagegen zu trommeln, dass eine „Regierung des sozialen Kahlschlags“ droht. Problem dabei ist nur, dass einem großen Teil der SPÖ solche Gegenpositionierungen zu weit gehen. Einige würden gerne selbst mit der FPÖ koalieren, andere hätten schon mehr Zugeständnisse gemacht als Babler. Daher sind von der SPÖ, wie schon in den vergangenen Jahren, eher Lähmung und interne Machtauseinandersetzung zu erwarten als konsequente Oppositionspolitik oder gar Mobilisierung. Bei den Gewerkschaften dürfte angesichts der Angriffe auf das Pensions- und Gesundheitssystem eine stärkere Positionierung schon eher möglich werden – was auch deren Verbindung zum Babler-Flügel enger werden ließe. Insbesondere an der Basis von SPÖ und Gewerkschaften gibt es viele, die jetzt sehr wütend sind und nach Orientierung suchen. Angesichts der großen Rolle von Sozialdemokratie und Gewerkschaftsführungen für die Mobilisierung bzw. Nicht-Mobilisierung großer Teile der Arbeiter:innenklasse müssen Linke daher klare Forderungen für Kampfaktionen und zum Bruch mit der Sozialpartner:innenschaft an diese richten. Insbesondere müssen sie sich in den Gewerkschaften und der SPÖ jetzt konsequent organisieren und von ihren Führungen wirksame Protestmaßnahmen einfordern bzw. solche vorbereiten.

Die KPÖ hat sich weder bei der Nationalrats- noch bei der steirischen Wahl als Bollwerk gegen rechts etablieren können und lehnt es auch ab, die FPÖ und ihren Rassismus gezielt anzugreifen. Mit punktuellen Schwerpunkten in der Wohnungs- und Sozialpolitik kann man in der Kommunalpolitik gewisse Erfolge erzielen. Diese wurden aber nicht erreicht, weil man ein kommunistisches oder gar revolutionäres Programm hat, sondern weil die Wähler:innen einzelne kommunale Sozialpolitiker:innen für glaubwürdiger als die Vertreter:innen anderer Parteien hielten. KPÖ-Bundessprecher Tobias Schweiger erklärte jetzt zum Scheitern der Koalitionsverhandlungen: „In den bisherigen Verhandlungen haben die Probleme normaler Menschen keine Rolle gespielt. Wenn schon die schaumgebremsten Forderungen der SPÖ für die ÖVP unerfüllbar sind, ist klar, wie brutal Blau-Schwarz die Staatsschuldenkrise auf die Bevölkerung abwälzen wird“. Abgesehen davon, dass Pensionseintrittsalterfragen schon zu den Problemen „normaler Menschen“ zählen, fehlt bei KPÖ-Erklärungen generell die Perspektive, wie die „normalen Menschen“ ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können, außer nur die KPÖ zu wählen. Immerhin kündigt die KPÖ jetzt an, „zusammen mit der Bevölkerung“ den sozialen Widerstand organisieren zu wollen.

Aktionen

Dass es gleich beim Gang von Kickl zum Bundespräsidenten am 6.1. zu ersten Demonstrationen vor der Hofburg kam, ist ein gutes Zeichen und schließt sich an die Mobilisierungen unmittelbar nach der Nationalratswahl an. Diese haben leider auch den beschränkten Charakter dieser Protestform aufgezeigt. Vielfach lag das Hauptaugenmerk der Organisator:innen darauf, dass ja keine Palästinafahnen und ähnliches in der Presse zu sehen waren oder wie man angebliche „linke Antisemit:innen“ von der Demo fernhalten könne. Diese spalterische Haltung ist kein gutes Zeichen für den Aufbau einer breiten Einheitsfront, gerade angesichts der erwartbaren Hauptstoßrichtung der reaktionären Regierung im „Kampf gegen den Islam“. Notwendig ist es, eine Einheitsfront aufzubauen, die alle Aspekte der drohenden Angriffe umfasst – Antirassismus, Verteidigung von LGBTQ-Rechten, Klimabewegung, Verteidigung von Frauenrechten, Kultur- und Pressefreiheit etc. –, aber vor allem auch den erwartbaren sozialen Kahlschlag ins Zentrum rückt. Hier müssen Gewerkschaften, SPÖ-Linke und KPÖ dazu gebracht werden, sich an der Organisation von Mobilisierungen zu beteiligen und insbesondere auch Aktionen in den Betrieben vorzubereiten. Für ins Haus stehende Angriffe auf Pensionsrechte, das Gesundheitssystem oder die Arbeiter:innenkammer muss auch der politische Streik als einzig tatsächlich wirksame Gegenaktion vorgesehen werden.

Neben dem Aufruf zur Beteiligung an den kommenden Demonstrationen schlagen wir daher die breite Diskussion über darüber hinausgehende Mobilisierungen vor. In Wien hat LINKS das Potential, den Anstoß zu geben und auf andere Organisationen, insbesondere die KPÖ, für eine solche breitere Organisierung zuzugehen. Das würde die Mobilisierungsfähigkeit einzelner Organisationen vergrößern und gleichzeitig den notwendigen politischen Austausch für den Widerstand fördern. Als Aktivist:innen vom Arbeiter*innenstandpunkt, die in LINKS aktiv sind, wollen wir uns für einen solchen Prozess einsetzen, um den wirksamen Widerstand gegen die schon geplanten reaktionären Angriffe voranzubringen.

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