Am 30. Dezember, dem letzten Arbeitstag vor der gerichtlichen Pause im Januar, hob die Dritte Kammer des Kassationsgerichts von Buenos Aires mit zwei zu eins Stimmen den Freispruch auf, den Richterin Natalia Molina dem MST-FITU-Führer Alejandro Bodart im vergangenen August in dem von der zionistischen Organisation DAIA (Delegación de Asociaciones Israelitas Argentinas; dt.: Delegation der israelitischen Verbünde Argentiniens; Dachorganisation der argentinischen jüdischen Gemeinde, Mitglied des World Jewish Congress) gegen ihn angestrengten Prozess wegen angeblicher „Anstiftung zur Diskriminierung“ gewährt hatte. Natürlich werden die Genoss:innen der MST Berufung einlegen.
In einem mehrtägigen Prozess im August 2024 war Alejandro Bodart von allen Anklagen des Antisemitismus freigesprochen worden. Er hatte drei Posts in sozialen Medien veröffentlicht, in denen er den Genozid an den Palästinenser:innen scharf angriff und deren Recht auf Selbstverteidigung verteidigte. Nun änderte das Gericht das Urteil.
Im Folgenden veröffentlichen wir einen Bericht von Paul Biscayart. Wir rufen alle linken, internationalistischen und demokratischen Organisationen auf, sich der Kampagne für den Freispruch von Alejandro Bodart unter dem Motto „Über einen Völkermord berichten ist kein Verbrechen“ anzuschließen und diese Erklärung zu unterzeichnen:
DAIA-Prozess: Gericht in Buenos Aires widerruft Bodarts Freispruch, der Zionismus hat die Justiz kolonisiert
In einem umfangreichen 154-seitigen Text beschlossen die Richter Ignacio Mahiques und Jorge Atilio Franza, Bodart zu sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung zu verurteilen, zuzüglich der Prozesskosten, während Richterin Patricia Ana Larroca, die Präsidentin des Gerichts, den vorherigen Freispruch aufrechterhielt.
Neben anderen starken Argumenten entwickelte Richterin Larocca auf 26 Seiten Folgendes:
Sie wies nach, dass die drei Tweets von Bodart, die allein Gegenstand des Prozesses sind, nicht die objektive oder subjektive Typizität aufweisen, um als Straftat der Diskriminierung im Sinne des Gesetzes 23.592 eingestuft zu werden.
Sie erinnerte daran, dass die IHRA-Definition von Antisemitismus „nicht rechtsverbindlich ist. Das heißt, sie dient zwar als Interpretationshilfe, verpflichtet die Richter:innen aber nicht, sie anzuwenden.“ Aus diesem Grund bestätigte sie die Verwendung der Definition der Jerusalemer Erklärung durch Richterin Molina.
Sie wies den Bericht von Emiliano Marilungo vom INADI (Instituto Nacional contra la Discriminación, la Xenofobia y el Racismo; dt.: Nationales Institut gegen Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus) gegen Bodart zurück: „Er war nicht in der Lage zu definieren, was Zionismus ist (noch) was Hassrede ist (noch) eine Definition des Staates (noch) Unterschiede oder Ähnlichkeiten zwischen Antisemitismus und Antizionismus (noch) was ,vom Fluss bis zum Meer“ bedeutet’ … ihm fehlt die notwendige Eignung, um eine Entscheidung in der Angelegenheit zu treffen, für die er seinen Bericht erstellt hat, was seinen Schlussfolgerungen jegliche Grundlage entzieht.“
Sie verteidigte die nationalen und internationalen Vorschriften, die die Meinungsfreiheit anerkennen, und kam dann zu dem Schluss, dass „die Äußerungen, die hier Gegenstand der Kontroverse waren, meiner Meinung nach durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt sind“.
Kolonisierte Richter
Im Gegensatz zu Larocca musste Richter Mahiques 80 Seiten vorlegen, um sein verwerfliches Schuldspruchurteil zu rechtfertigen. Er ist einer von vielen Richter:innen und Staatsanwält:innen, die der zionistische Apparat, wie in weiten Teilen der Welt, domestiziert hat, um jegliche Kritik am völkermörderischen Staat Israel zum Schweigen zu bringen. Durch dieses Vorgehen, das auch dem prozionistischen Milei gefällt, macht sich dieser Teil der Justiz zum Komplizen.
Mahiques zitiert nicht nur andere Texte von Bodart, die in dem Fall nicht enthalten sind, sondern lügt auch, wenn er behauptet, dass „diskriminierende Äußerungen eine massive Reichweite für Millionen von Nutzer:innen haben können“, obwohl die drei fraglichen Tweets insgesamt 24.679 Aufrufe verzeichneten.
Grob gesagt setzt er den Staat mit dem Volk gleich: „… die gesamte Existenz des Staates Israel zu delegitimieren und seine Zerstörung zu fördern, mit der daraus resultierenden Verfolgung des jüdischen Volkes, das dieses Gebiet bewohnt, und aller Gemeinschaften, die mit diesem Staat verbunden sind.“ Ignoriert dieser Richter, dass der Staat Jugoslawien 1991–1992 aufgelöst, zerstört und das Volk auf die sieben neu entstandenen Länder aufgeteilt wurde?
Laut dem Richter beinhalten Bodarts Ideen „über ein ,einziges und freies Palästina’ die ethnische, religiöse und nationale Unterdrückung der israelischen Bevölkerung, d. h. eine Rede, die allein aufgrund dieser Bedingung zu antijüdischer Verfolgung und Unterdrückung ermutigt.“ Das ist totaler Wahnsinn: Gerade ein demokratisches, säkulares und sozialistisches Palästina ist die einzige Garantie dafür, dass es keine Unterdrückung oder Verfolgung mehr gibt und alle Rechte aller seiner Bewohner:innen respektiert werden.
Mahiques trennt Netanjahu willkürlich vom zionistischen Staat: „Bodarts Äußerungen stellen eine Erzählung dar, die die Grundlage für die Delegitimierung der Existenz Israels und die Forderung nach seiner Zerstörung bildet, die über jede Meinung oder Kritik an den Handlungen der Behörden dieses Landes hinausgeht.“ Nein, Herr Richter. Nur ein rassistischer, antipalästinensischer Staat wie Israel kann einen Kriegsverbrecher wie Netanjahu an seiner Spitze haben: Unsere Kritik gilt der Regierung und dem Staat, die beide völkermörderisch sind.
Schließlich wiederholt Richter Franza auf seinen 23 Seiten nichts anderes als die schändliche Wiederholung der Lügen der DAIA:
Zum Beispiel sagt er, dass der „Staat Israel untrennbar mit seiner Bevölkerung verbunden ist“. Mit anderen Worten, er ist unfähig, zwischen einem institutionellen Staatsapparat und einer Reihe von Einwohner:innen zu unterscheiden. Weiß er nicht, dass die Jüd:innen lange vor 1948 in Frieden mit einer arabischen Mehrheit in einem Gebiet namens Palästina lebten, das sich „vom Fluss bis zum Meer“ erstreckte?
Er akzeptiert auch die heuchlerische zionistische Erzählung, dass es „neue Formen des Antisemitismus gibt, darunter den Antizionismus“. Mit einem so absurden Kriterium wäre der Zionismus die einzige politische Ideologie in unserer gesamten Geschichte und auf unserem gesamten Planeten, die nicht kritisiert werden kann, ohne Gefahr zu laufen, des Antisemitismus’ beschuldigt zu werden.
Fortsetzung des demokratischen Kampfes
Aus verfahrenstechnischer Sicht werden María Del Carmen Verdú (CORREPI, Coordinadora contre la represión Policial e Institucional; dt.: Koordination gegen polizeiliche und institutionelle Unterdrückung) und Ismael Jalil, die Verteidiger:innen von Bodart, in den nächsten Tagen die entsprechende Berufung einreichen. Es stehen noch drei Instanzen aus, da die aktuelle Verurteilung noch nicht die sogenannte doppelte Konformität aufweist, da es zuvor einen Freispruch gab.
Zunächst muss also beantragt werden, dass eine andere Kammer desselben Gerichts das Urteil überprüft.
Wenn diese Kammer das Urteil bestätigt, bleibt noch die Berufung wegen Verfassungswidrigkeit vor dem Obersten Gerichtshof von Buenos Aires.
Und wenn dieses Gericht Alejandro ebenfalls verurteilt, bleibt noch die Berufung vor dem Obersten Gerichtshof des Landes.
Natürlich ist dies kein Kampf, der nur auf rechtlicher Ebene ausgetragen werden kann. Im Rahmen der internationalistischen Unterstützung für das palästinensische und libanesische Volk, das sich dieser neuen Nakba gegenübersieht, die Israel verübt, werden wir, wie wir es seit Beginn dieses Prozesses vor über zwei Jahren tun, weiterhin mobilisieren, um den Freispruch unseres Genossen Bodart zu fordern und das Recht auf freie politische Meinungsäußerung zu verteidigen. Wir haben dasselbe als Reaktion auf die Anschuldigungen der DAIA gegen Norman Briski und Vanina Biasi getan.
Wir haben die Solidarität eines sehr breiten Spektrums von Organisationen und Einzelpersonen erhalten, die wir erneut einladen, sich gegen dieses Urteil auszusprechen. In der Tat ist der einzige Verbrecher hier, der wahre Serienmörder, der Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und von Völkermord an den Palästinenser:innen der zionistische Staat Israel, der jetzt von Netanjahu geführt wird.
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