Arbeiter:innenmacht

Esteban Volkov (1926 – 2023)

Thelmadatter, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Per-Olof Mattson, Infomail 1226, 21. Juni

Am Freitag, dem 16. Juni 2023, verstarb Esteban Volkov. Er war der Enkel des russischen Revolutionärs Leo Trotzki und das einzige Mitglied seiner Familie, das den stalinistischen Terror überlebte, abgesehen von Trotzkis zweiter Frau Natalja. Beim ersten Attentat auf Trotzki in Mexiko am 24. Mai 1940, das von dem Künstler David Alfaro Siqueiros geleitet wurde, wurde er selbst von den Kugeln der Attentäter getroffen.

Seine Mutter war Trotzkis Tochter aus erster Ehe, Sinaida, und sein Vater hieß Platon Iwanowitsch Wolkow, beide aktiv in der Linken Opposition. Dieser wurde 1928 zur Verbannung verurteilt, und beide Eltern fielen dem Stalinismus zum Opfer. 1926 kam Esteban als Wsewolod Platonowitsch Wolkow in Jalta, Ukraine, zur Welt. Später änderte er in Mexiko seinen Vornamen in Esteban. Im Alter von fünf Jahren verließen er und seine Mutter Moskau, um sich Trotzki auf der Insel Prinkipo in der Türkei anzuschließen. Im Jahr 1932 zog er mit seiner Mutter nach Berlin. Sie war an Tuberkulose erkrankt und nahm sich aus Verzweiflung das Leben. Anschließend verbrachte Esteban anderthalb Jahre in einer Montessori-Schule in Wien. Auf Trotzkis Bitte hin hatten ihn Anhänger:innen Wilhelm Reichs dort aufgenommen.

Sein Onkel Leo Sedow, ein wichtiger Führer der Opposition in Westeuropa und der Sowjetunion, nahm ihn 1934 zu sich und brachte ihn nach Paris. Als Leo Sedow 1938 ebenfalls unter mysteriösen Umständen starb, musste Trotzki einen langwierigen Rechtsweg beschreiten, um seinen Enkel zu ihm und Natalja nach Mexiko zu holen. Der damals 13-jährige „Sewa“ war der einzige Überlebende von Trotzkis Familie. Im August 1939 kam er nach einem langwierigen Gerichtsverfahren endlich an.

Er war 14 Jahre alt, als sein Großvater ermordet wurde. Sein Enkel kam gerade nach Hause, als Trotzki tödlich verwundet am Boden lag. Die Wachen hinderten ihn daran, sich ihm zu nähern. Trotzki hatte sie angewiesen, Sewa nicht durchzulassen: „Das Kind darf das nicht sehen“.

Nach dem Tod seines Großvaters, der im Spätsommer 1940 von einem stalinistischen Agenten ermordet wurde, blieb er im mexikanischen Exil. Bis 1962, als Trotzkis Frau Natalja in Paris starb, hielt er engen Kontakt zu ihr. Er ließ sich zum Chemiker ausbilden und war in seinem Beruf sehr angesehen. Er heiratete und hinterließ vier Töchter. Esteban, oder Sewa (Wsewolod), wie sein russischer Spitzname lautete, widmete sein Erwachsenenleben der Pflege und Verteidigung von Trotzkis Lebenswerk. Er verwandelte das Haus in Coyoacán in ein Museum, und als der Stalinismus in der Sowjetunion während der Gorbatschow-Ära ins Wanken geriet, trat er häufig in verschiedenen Zusammenhängen auf und forderte die Rehabilitierung seines Großvaters.

Eine seiner letzten Bemühungen, das Andenken an seinen Großvater zu bewahren, war die Petition, die er schrieb, um die russische Serie über Trotzki zu verurteilen und korrigieren, die Netflix vor einigen Jahren ausstrahlte. Die Petition wurde von einer großen Anzahl von Historiker:innen und anderen unterzeichnet.

Esteban Volkovs Bemühungen um die Verteidigung Trotzkis und des Trotzkismus sollten von all jenen gewürdigt werden, die sich als revolutionäre Sozialist:innen verstehen, und von all jenen, die sich der Lügenmaschine des Stalinismus widersetzen. Ein langes Leben ist zu Ende gegangen, ein Leben, das nicht vergeblich war und dessen wir uns mit Dankbarkeit erinnern.

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