Flugblatt der Gruppe Arbeiter:innenmacht, Infomail 1201, 16. Oktober 2022
Ob der Gang durch den Supermarkt, Sprit oder Gasabschlagszahlung: die Preise steigen ins Unendliche! Die „Entlastungspakete“ der Bundesregierung sind wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Einmalzahlungen von 100 Euro hier, Anhebung von Steuerfreibeträgen da bringen keine dauerhafte Entlastung. Schon gar nicht, wenn die Gasrechnung um mehrere 100 Euro steigt! Jetzt droht auch noch die nächste Rezession samt Betriebsschließungen, Kurzarbeit und Entlassungen.
Der Krieg um die Ukraine und die Sanktionen wirken dabei wie Brandbeschleuniger, insbesondere was die Gas- oder Energiepreise angeht – ganz so wie die Pandemie davor die Krise weltweit verbreitete. Doch die Ursachen liegen tiefer – in der kapitalistischen Konkurrenz selbst. Zwar werden in Deutschland und weltweit von Kriegsgewinnler:innen massive Profite eingefahren. Aber das Kapital interessiert nicht nur die Masse, sondern vor allem Rate des Profits, die Gewinnspanne – und diese ist zu gering. Daher „flieht“ das Kapital in die Börse, in Fonds, in die Spekulation, bis der ganze Laden zusammenbricht. So stehen wir heute vor den Scherben einer globalen Konkurrenz, die auch politisch und militärisch ausgetragen wird. Dabei will niemand den Kürzeren ziehen und die Kosten für das Elend sollen wir, die Lohnabhängigen als Verbraucher:innen und Beschäftigte, zahlen.
Klar ist: Einfaches Abwarten und Aussitzen sind nicht drin. Wenn wir nicht frieren und immer mehr bezahlen wollen, müssen wir auf die Straße gehen. Deswegen brauchen wir eine Massenbewegung gegen die Preissteigerungen, drohenden Schließungen und Entlassungen. Dabei müssen wir uns klar gegen Kriegspolitik und Aufrüstung stellen, die die Inflation befeuern. Um erfolgreich zu sein, reicht es jedoch nicht, nur auf die Straße zu gehen. Wir müssen unseren Protest auch in unsere Betriebe und Büros, Schulen und Ausbildungsstätten tragen. Dazu brauchen wir aber auch klare Ziele, klare Forderungen im Interesse der Masse von uns Lohnabhängigen!
Das Schreckgespenst der „Lohn-Preis-Spirale“ geht um. Man ruft uns zu Verzicht auf, zur Zurückhaltung und warnt davor, „in diesen Zeiten“ mehr zu fordern. Wir brauchen aber das Gegenteil! Eine automatische Anpassung der Löhne, Renten und Sozialleistungen an die Preissteigerung hat dabei mehrere Vorteile. Wir sind den Schwankungen des Marktes weniger stark ausgeliefert und alle Arbeiter:innen, ob beschäftigt oder nicht, ob alt oder jung brauchen eine solche Erhöhung ihrer Einkommen.
In den laufenden Tarifrunden wie in allen Betrieben ist es von großer Bedeutung, dass wir Forderungen nach vollem Inflationsausgleich und Wettmachen des Verzichts der letzten Jahre aufstellen. In allen Betrieben sollten die Gewerkschaften, Betriebsräte und Vertrauensleute dazu Versammlungen organisieren, um die Frage zu diskutieren, wie die Preissteigerungen wettgemacht werden können.
Um die weitere Steigerung der Preise zu verhindern, müssen sie gedeckelt werden. Zentral dabei ist, wer die Umsetzung des Deckels kontrolliert. Das können wir weder den Konzernen noch Behörden überlassen, sondern sollten wir Arbeiter:innen selber in Preiskontrollkomitees tun, damit unsere Interessen durchgesetzt werden.
Damit das klappt, müssen Unternehmen ihre Geschäftsbücher offenlegen. So können wir nachvollziehen, wer zu den Gewinner:innen der Krise gehört. Dabei sollten wir aber nicht stehenbleiben. Die Schere zwischen Arm und Reich wächst, und statt dem weiter stumm zuzusehen, müssen wir dem entgegenwirken. Wir brauchen daher eine massive Besteuerung von Kapital, Gewinnen und privaten Vermögen!
Der freie Markt regelt – nichts. Zumindest nichts in unserem Interesse. Was wir deswegen brauchen, ist eine entschädigungslose Enteignung aller Unternehmen im Energiesektor, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Das verhindert auch die Preissteigerungen für Lohnabhängige und Kleinunternehmen und hilft, die Energiewirtschaft im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit umzustellen.
Klar: Auf die Straße gehen und protestieren statt frieren! Das Ganze kann aber nur erfolgreich sein, wenn wir eine Masse an Menschen ansprechen sowie über einen Plan verfügen, wie wir über Demos hinaus Druck aufbauen können. Das heißt:
Wenn wir Erfolg haben wollen, brauchen wir eine Masse an Menschen. Um jene zu erreichen, die noch nicht überzeugt sind, sollten wir Vollversammlungen an den Orten organisieren, wo wir uns tagtäglich aufhalten müssen, wie Schulen, Unis und Betrieben. Wir brauchen Aktionskomitees dort und im Stadtteil, in denen diese Menschen aktiv werden können.
Einzelpersonen haben immer begrenzte Ressourcen. Wir fordern die Gewerkschaften, DIE LINKE, SPD-Gliederungen, die die Politik der Ampel nicht weiter mittragen wollen, und fortschrittlichen Organisationen auf, sich zu einer bundesweiten Bewegung zusammenzuschließen. Dazu schlagen wir eine Aktionskonferenz vor, die gemeinsame Forderungen und Aktionen beschließt.
Wenn wir dauerhaft Druck erzeugen wollen, müssen wir dort ansetzen wo es Regierung & Unternehmen wirklich trifft: bei den Profiten. Kurzum: Wir müssen bereit sein, für unsere Ziele diese anzugreifen, also zu streiken. Streik in der Schule, Uni und Betrieb – das ist unsere Antwort auf ihre Politik!
Um erfolgreich zu sein, müssen wir unsere Aktionen bundesweit und international, vor allem in Europa zusammenführen. Dazu brauchen wir als ersten Schritt europaweit koordinierte Aktions- und Streiktage, internationale Versammlungen und Konferenzen, die gemeinsame Forderungen und weitere Kampfmaßnahmen beschließen.
Unsere Bewegung muss Kapitalismus, Krise und Krieg ins Visier nehmen. Unser Slogan ist klar: weder Putin, noch NATO! Deswegen lehnen wir die Sanktionen und den Wirtschaftskrieg ab. Sie dienen nicht der Selbstbestimmung der Ukraine, sondern den imperialistischen Interessen des Westens, der USA und Deutschlands. Wir solidarisieren uns mit den Geflüchteten, verteidigen das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine gegen Putin und NATO und unterstützen die Antikriegsbewegung in Russland. Wir wissen, dass diese Positionen in den Protesten gegen Inflation umstritten sind – und wir machen sie nicht zur Bedingung für gemeinsame Mobilisierungen, Aktionen und Bündnisse. Aber wir wissen auch, dass ein konsequenter Kampf gegen Inflation und Krise letztlich mit dem gegen Aufrüstung und Kriegstreiberei verbunden werden muss. Denn unsere Hauptfeind:innen sind die „eigene“ herrschende Klasse und deren Regime.
Zweitens muss sich unsere Bewegung klar von den Rechten, von rechtspopulistischen und faschistischen Mobilisierungen abgrenzen. Diese haben auf unseren Demos und Aktionen nicht nur nichts verloren, sie kämpfen in Wirklichkeit auch für ganz andere, nationalistische, rassistische und chauvinistische Ziele.
Den Wettlauf mit rechtspopulistischen oder nationalistischen Kräften werden wir aber nur gewinnen, wenn wir selbst eine Bewegung aufbauen, die die Interessen aller Lohnabhängigen ins Zentrum stellt.