Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), Infomail 1104, 18. Mai 2020
Am 15. Mai 2020 wurde bekannt, dass das Unternehmen Galeria-Karstadt-Kaufhof bis zu achtzig Filialen schließen will und in den restlichen Filialen bis zu zehn Prozent aller Stellen abgebaut werden sollen. Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Kolleginnen und Kollegen. Nachdem bereits bei Karstadt durch einen Sanierungstarifvertrag Lohnverluste über viele Jahre in Kauf genommen wurden, wurde auch im Dezember 2019 bei der Fusion von Galeria Kaufhof und Karstadt der Lohnverlust für fünf weitere Jahre durch einen Tarifvertrag festgeschrieben. Auf dieser Grundlage sollte der fusionierte Handels-Konzern Galeria-Karstadt-Kaufhof, der seitdem dem österreichischen Milliardär und Immobilienhai René Benko gehört, wieder profitabel gemacht werden – auf dem Rücken der Beschäftigten.
Jetzt zeigt sich dass der jahrelange Verzicht nichts gebracht hat und ein großer Teil der 28.000 Beschäftigten muss nun um seine Arbeitsplätze und Zukunft bangen. Benko hält unterdessen an Prestige-Projekten wie dem Umbau das Karstadtgebäudes in Berlin am Hermannplatz fest, da es sich um eine lukrative Immobilie handelt, denn das Geschäft von Benkos Firma Signa ist das Immobiliengeschäft.
Im Vorfeld der Tarifverhandlung im Dezember 2019 sind hunderte von Kolleginnen und Kollegen in die Gewerkschaft ver.di eingetreten und es bestand eine hohe Streikbereitschaft in der Belegschaft. Statt diese Bereitschaft zu nutzen, wurde von der Verhandlungsführung der Gewerkschaft ein Tarifvertrag mit Lohnverlust mit einer Laufzeit bis Ende 2023 festgeschrieben. Mehrmals im Jahr 2019 hat die Spitze des ver.di-Fachbereichs Handel unter Beweis gestellt, dass sie nicht bereit, ist die vorhandene Kampfkraft in der Belegschaft in Einzelhandelsbetrieben zu nutzen und hat die Leute in ihren Streikwesten sitzen gelassen. Nach dem Abschluss im Dezember letzten Jahres machte sich großer Unmut unter den Kolleginnen und Kollegen breit, erfuhren sie über den vorschnellen Abschluss zum Teil aus der Presse, ohne wirklich demokratisch darüber diskutiert und entschieden, geschweige denn die Möglichkeit gehabt zu haben, um für ein besseres Ergebnis zu kämpfen.
Jetzt stellt sich abermals die Frage, wie mit dem neuerlichen Angriff umgegangen wird. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften – VKG solidarisiert sich mit den Kolleginnen und Kollegen in den betroffenen Betrieben. Es muss um den Erhalt jedes Arbeitsplatzes gekämpft werden, während und nach der Corona-Pandemie. Diese nutzt Benko jetzt dafür, um seine ursprünglichen Kahlschlags-Pläne in die Tat umzusetzen. Benko wartete nicht mit der Hiobsbotschaft für die KollegInnen, die ohnehin schon unter Lohnverzicht und Kurzarbeit leiden, bis zum Ende der Pandemie – die Gegenwehr darf genauso wenig warten! Dass Streik möglich ist, zeigen die KollegInnen von Voith im Allgäu, die seit dem 1. Mai im Ausstand sind.
Die Kolleginnen und Kollegen in den Filialen müssen jetzt unmittelbar darüber eine Diskussion führen, welche Maßnahmen Sie ergreifen, um den Angriff abzuwehren. Dabei sollte die sofortige Niederlegung der Arbeit in allen Filialen eine zentrale Zielsetzung sein. Insolvente Unternehmen dürfen nicht auf Kosten der Beschäftigten saniert werden. Unmittelbar sollten alle Geschäftsbücher offengelegt werden, ebenso wie die Vermögensverhältnisse des Eigentümers René Benko. Sein Vermögen muss zur Sicherung aller Arbeitsplätze herangezogen werden. Um eine langfristige Lösung im Sinne der Lohnabhängigen zu finden, darf man nicht bis zur nächsten Krise warten, sondern muss das Unternehmen in staatliche Hand überführen und unter demokratische Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten stellen.
Die Kolleginnen und Kollegen erwarten von ihrer Gewerkschaft jetzt nicht nur Worte der Ablehnung, sondern eine realistische Vorstellung, wie die das Unheil abgewendet werden kann. Das muss eine konkrete und praktische Eskalationsstrategie beinhalten, die damit beginnt, die Diskussion durch Betriebsversammlung und der Betriebsgruppen unter Einbeziehung aller KollegInnen und der ver.di-Strukturen einzuleiten. Das muss in einer einheitlichen bundesweiten Diskussion und Strategie münden. Es darf keine Zeit verschwendet werden! Aktionen müssen begleitet werden von einer fachbereichs- und gewerkschaftübergreifenden Solidaritätskampagne. Über das Schicksal von tausenden von Kolleginnen und Kollegen darf nicht hinter verschlossener Tür im Hinterzimmer am Verhandlungstisch entschieden werden. Es muss völlige Transparenz gegenüber der Belegschaft herrschen, jede Entscheidung muss demokratisch diskutiert und entschieden werden – und zwar von denen, die es betrifft! Das einzige was die Kollegen und Kollegen jetzt noch retten kann, ist das Vertrauen auf ihre eigene Stärke und die Aufnahme von unmittelbaren Kampfmaßnahmen. Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften steht an der Seite der KollegInnen.
Die Fachbereichsspitze und Verhandlungsführung von ver.di dürfen den Kampf nicht bremsen wie in der Vergangenheit, die Führung muss bei den KollegInnen selbst liegen.
Wir wünschen den Kolleginnen und Kollegen viel Mut und Entschlossenheit im Streit um ihre Zukunft.