Anne Moll, ArbeiterInnenmacht, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019
Am 10. November 2018 fand in Göttingen das erste Vernetzungstreffen zur Planung eines internationalen Frauenstreiks am 8. März 2019 statt.
Auf diesem Treffen wurde ein gemeinsamer Aufruf für den 8. März 2019 verabschiedet und eine Planung, wie dessen Umsetzung in Deutschland möglich ist. Mittlerweile existieren zudem lokale Strukturen in zahlreichen Städten.
Auch wenn es für viele Frauen in der BRD heute kaum vorstellbar ist, ohne Tarifrunde, also für eigene Frauenthemen die Arbeit niederzulegen: Solche Streiks gab es in der Vergangenheit und sie sind international gar keine Seltenheit! Wie wir schon in einer früheren Ausgabe der Neuen Internationale im Artikel „Frauenstreik – ja bitte!“ ausgeführt haben, legten Millionen Frauen seit 1975 in Europa die Arbeit nieder und gingen auf die Straße, um gerechte Bezahlung, bessere Kinderbetreuung, Stopp der Gewalt gegen Frauen oder die Selbstbestimmung über ihre Körper zu fordern – in Deutschland zuletzt 1994 mit knapp einer Million TeilnehmerInnen.
Das Problem ist dabei immer wieder die Frage der Protestform. Die Frauenorganisationen, die aus dem bürgerlichen Spektrum kommen, lehnen den Begriff Streik und damit natürlich auch dessen praktische Ausführung ab. So überstimmten sie die radikalen Frauengruppen z. B. 1975 in Island und eine wirklich große Kampfaktion wurde unter dem so gar nicht kämpferischen Slogan „Frauen-Ruhetag“ angekündigt. Unter gewerkschaftlich organisierten Frauen konnte dann immerhin der Slogan „Frauenprotesttag“ 1994 in Deutschland durchgesetzt werden. Betriebliche Streikaktionen wurden aber abgelehnt mit der Begründung, politische Streiks seien in der BRD illegal. Womit wir bei dem eigentlichen Problem wären: Es ist dringend notwendig, dass sich politisch einiges ändert, sich die Situation von Millionen Frauen hierzulande bzw. weltweit Milliarden verbessert. Es muss sich noch viel ändern, damit das Wort Gleichstellung überhaupt ausgesprochen werden darf. Wesentlich ist aber die Frage: „Wie erreichen wir das?“
Wer wird politisch etwas mehr als schöne Worte und einen Butterkeks für Frauenrechte tun, wenn wir nicht über legale Protestformen hinausgehen? Wenn wir durch konsequente und sehr energische Maßnahmen nicht zeigen: Die Ansage „Wenn wir wollen, steht alles still!“ beinhaltet auch Streikmaßnahmen? Und es ist uns ernst mit der vollständigen Gleichberechtigung, die natürlich auch bedeutet, dass Frauen in dieser Gesellschaft besonderen Schutz benötigen.
Genau darum brauchen wir einen politischen Streik für die durch ihn erreichbaren Forderungen aus dem Göttinger Aufruf. Ein politischer Streik richtet sich im Gegensatz zu wirtschaftlichen Forderungen einzelner Branchen an und gegen den Staat mit der Aufforderung, Maßnahmen zu ergeifen, die im Interesse aller Arbeiterinnen liegen: zur Vergesellschaftung des Reproduktionssektors, der Haus-, Pflege- und Sorgearbeit, gegen Pflegenotstand; zur faktischen Gleichstellung mit den Männern vor dem Gesetz, bei Löhnen und Arbeitsbedingungen; zur Abschaffung der Abtreibungsgesetze; gegen Altersarmut; für gleiche StaatsbürgerInnenrechte aller, die hier leben; für offene Grenzen…Ein politischer Streik bündelt also die Interessen der gesamten ArbeiterInnenklasse. Sie sollte sich auch als Ganze daran beteiligen einschließlich ihrer Männer – vom politischen Massenstreik bis hin zum Generalstreik zur Durchsetzung der Forderungen!
An zwei wesentlichen Punkten mangelt es zum Verständnis, warum es tatsächlich notwendig ist, einen Frauenstreik, der sowohl dem Kampfbegriff als auch der notwendigen Aktion gerecht wird, durchzusetzen:
Erstens am fehlenden Klassenstandpunkt: Viele haben kein Verständnis, für welche Interessen wir denn kämpfen. Da kommt immer schnell das Argument: Wir Frauen haben alle die gleichen Bedingungen und kämpfen gemeinsam für die gleichen Forderungen. Jede Kritik daran wird mit dem Argument „Wir lassen uns nicht spalten!“ abgewürgt.
Und trotzdem ist es eine Tatsache, dass sich bürgerliche Frauen viel von den Forderungen für mehr Gleichstellung kaufen können, sie weit eher in der Lage sind, sich aus gewalttätigen Beziehungen zu befreien, oder eine Abtreibung unabhängig von der Gesetzgebung sicher durchführen lassen können (z. B. im Ausland). Je besser ihre ökonomische Lage, desto mehr Möglichkeiten haben sie, sich ein angenehmes Leben zu organisieren oder den Beruf auszuüben, den sie möchten.
Außerdem kommt dazu, dass sie sich selten mit der ArbeiterInnenklasse solidarisieren, denn ihre bürgerlichen Regierungen werden tatsächlich mit allen Mittel versuchen, unseren Kampf zu stoppen – je konservativer, desto härter! Und dazu gibt es Repression und das könnte durchaus heißen, dass sie ihren Status verlieren oder zumindest angegriffen werden. Nur die Arbeiterinnen, um derentwillen die Forderungen unterstützt werden müssen und für die sie wirklich relevant sind, haben eh nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen: die gezwungen sind, auch den schlechtesten Job zu machen, sich zu prostituieren oder sexuelle Belästigungen durch ihre Vorgesetzten auszuhalten, wenn sie nicht gefeuert werden wollen.
Zweitens geht es leider auch vielen Gewerkschaften darum, die Kontrolle über die Bewegung zu behalten. So wichtig es ist, gewerkschaftlich organisiert zu sein, um diese Anliegen durchzusetzen, so wichtig ist zu erkennen: In welchem Kontext agieren diese Gewerkschaften? Warum unterstützen sie nicht bedingungslos die Forderungen und Proteste der Ärmsten und Unterdrücktesten? Und besonders in der BRD steht unseren Interessen die Kontrolle und Zähmung der DGB-Gewerkschaften durch ihre leitenden FunktionärInnen, zumeist Mitglieder der bürgerlichen ArbeiterInnenpartei SPD, entgegen. Sie unterstützen schon sehr lange alle kapitalistischen Interessen mit dem leider wirksamen Argument der Standortsicherung. Damit wird jeder weitere Einschnitt für die Lohnabhängigen gerechtfertigt, neoliberale Politik mitgetragen. Als alternativlos werden auch immer wieder Krisenkosten auf die ArbeiterInnenklasse abgewälzt.
Umso wichtiger ist es deshalb, dass das Thema (politischer) Streik auf die Tagesordnung kommt und diskutiert wird. Wir unterstützen die Bewegung für einen Frauenstreik international und bringen unsere klassenkämpferische Politik in die Vorbereitungen ein.
Wie könnten die ersten Schritte aussehen, damit die Mobilisierung und die viele Arbeit von 2019 nicht schon im nächsten Jahr verpufft? In Deutschland ist es deshalb schon nicht so einfach, Menschen in den Betrieben während der normalen Lohnrunden zu mobilisieren, weil die Gewerkschaftsbonzen sehr stark Aktionen kontrollieren, ja ausbremsen, wenn sie nicht in den gewerkschaftlichen Schulterschluss mit Sozialdemokratie und UnternehmerInnen passen. Die DGB-Gewerkschaften möchten ihr Image als verlässliche Partnerinnen der Kapitalinteressen nicht gefährden. Deshalb werden sie erst recht nicht oder nur sehr vereinzelt in Ortsgruppen oder Betrieben bereit sein, zum 8. März überhaupt zu mobilisieren.
Die ersten Schritte müssen also von den Beschäftigten ausgehen. Der erste Schritt bestünde darin, dass sich die Streikbereiten organisieren, ihre Führungen auffordern, zum Streik aufzurufen. Nur wenn wir kollektiv Druck auf die Gewerkschaftsführung ausüben, schaffen wir es, sie in Bewegung zu bringen. Ein realistischer Weg dahin, möglichst viele Kolleginnen, aber auch Kollegen für diese Idee zu gewinnen, besteht in der Aufforderung an die Betriebsräte, vor dem 8. März eine Betriebsversammlung in ihrem Betrieb durchzuführen. Und genau diese Versammlung sollte das Thema Frauenstreik diskutieren. Was wollen wir? Wofür müssen wir streiken? Welche Rechte haben wir? Usw., usf.
Als Beispiel sei hier der Frauenstreik 2018 in Spanien genannt. Die offizielle Gewerkschaftsführung wollte nicht zum politischen Frauenstreik aufrufen, aber die gewerkschaftlich organisierten Frauen taten es und organisierten selbstständig die betrieblichen Streiks. In Deutschland kocht seit Monaten das Thema Pflegenotstand. In vielen Städten gibt es Bündnisse für mehr Personal im Krankenhaus. Dies Thema ist ebenso wie höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, wie gute Kinderbetreuung und Selbstbestimmung über unsere Körper ein gutes zur Mobilisierung. Die Gewalt gegen Frauen hat in den letzten Jahren zugenommen. Und sie fängt nicht erst bei Schlägen an, sondern damit sind auch verbale Verletzungen und Abwertungen gemeint, sexistische Anmache, Bevormundung und Isolation. Die Schutzräume für von Gewalt betroffene Frauen werden nur sehr unzureichend vom Staat finanziert. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein wichtiges Thema im Kampf um Gleichberechtigung. Ein weiteres ist die unbezahlte Hausarbeit, die überwiegend von Frauen geleistet wird und selten überhaupt Erwähnung findet. Das alles sollten wir bei Streikaktionen, Versammlungen und Demonstrationen am 8. März diskutieren und dafür unseren Widerstand organisieren.
Zusätzlich zu dem Vorschlag, v. a. die weiblichen Gewerkschaftsmitglieder und unorganisierten Beschäftigten in den Branchen mit hohem Frauenanteil (Pflege, Einzelhandel, Gastronomie, Gesundheitswesen, Bildung und Erziehung…) zuvorderst zum Streik aufzurufen, treten wir dafür ein, am 8. März einen Bildungsstreik zu organisieren und alle SchülerInnen und StudentInnen zu mobilisieren, damit sie einen ökonomisch wirksamen Erzwingungsstreik mit ihren stärksten Mitteln unterstützen können. Generell ist es uns wichtig zu betonen: Wir kämpfen für die gesamte ArbeiterInnenklasse und unsere Themen sind auch die der Männer unserer Klasse. Wir sollten gemeinsam gegen die Unterdrückung des Kapitalismus antreten!
Politischer Frauenstreik illegal? Scheißegal!