Helga Müller, Infomail 1025, 17. Oktober 2018
Während die CSU mit ihren 37,2 % noch mit einem blauen Auge davongekommen ist – an ihr kommt niemand trotz ihres enormen Absturzes von 10,4 Prozentpunkten bei der Regierungsbildung vorbei – rutscht die SPD auf 9,7 %. Gegenüber den Landtagswahlen 2013 verlor sie 10,9 Prozentpunkte: eine wahlhistorische Niederlage, von der sie sich auch bundesweit nicht so schnell erholen wird. Die eindeutigen SiegerInnen sind die Grünen mit 17,5 % – einem Anstieg um 8,9 Prozentpunkte – und die rechtspopulistische AfD, die auf Anhieb auf 10,2 % kommt und nun als viertstärkste Fraktion in das 15. Länderparlament einziehen wird. Aber auch die Freien Wähler (FW) haben wieder Stimmen hinzugewonnen (+2,6 Prozentpunkte) und kommen auf 11,6 %. Diese werden sehr wahrscheinlich zusammen mit der CSU die nächste Regierung in Bayern stellen.
Wie wir schon in den vergangenen Ausgaben unserer Publikation „Neue Internationale“ ausgeführt haben, hat die CSU vor allem mit ihren Gesetzesänderungen (Polizeiaufgabengesetz [PAG] u. a.), die einen autoritären Staat vorbereiten sollen, und den damit verbundenen extremen Einschränkungen von Grundrechten, aber auch mit ihrer Politik für die Reichen und die SpekulantInnen große Gegenwehr provoziert. Seit Mai gab es etliche Großdemos mit mehreren 10.000 TeilnehmerInnen. Die wahren Probleme wie bezahlbarer Wohnraum, LehrerInnenmangel, Pflegenotstand oder auch die extremen Klimaveränderungen, die auch Bayern getroffen haben, waren für die CSU kein Thema. Ihr Hinterherlaufen hinter der AfD hat sie noch weiter nach rechts getrieben, aber auch nicht geholfen, die AfD in die Schranken zu weisen. Im Gegenteil: Ein Grund für ihren Stimmenverlust ist u. a. die Abwanderung zur AfD, aber auch die SPD hat Stimmen an diese verloren.
In vielen Wahlanalysen wird immer wieder betont, dass die SPD auch nicht mehr in ihrer „Kernkompetenz“ – der „sozialen Gerechtigkeit“ –, und für was sie eigentlich steht, von den WählerInnen wahrgenommen wird. Kein Wunder, hat sich die Führung nach internem Widerstand doch wieder dazu entschlossen, in die Große Koalition zu gehen und ihre Politik gegen die Interessen der ArbeiterInnen, RentnerInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen weiterzuverfolgen, anstatt wie von der innerparteilichen „Opposition“ gefordert, die nach dieser Entscheidung sehr schnell eingeknickt ist, in die Opposition zu gehen und sich dort inhaltlich zu erneuern. Dies zeigen auch Wahlanalysen: Die SPD hat vor allem bei ihrem eigentlichen Klientel –ArbeiterInnen/Angestellten und RentnerInnen – verloren.
Die Grünen dagegen sind die eigentlichen GewinnerInnen der Bayernwahl. Auch sie haben Stimmen von der CSU, aber auch von enttäuschten SPD-WählerInnen erhalten. Viele ehemalige CSU-WählerInnen, die deren Radikalisierung nach rechts nicht mitgegangen sind, haben für sie gestimmt. Diese Entscheidung war auch nicht so schwer, sind die Grünen in Bayern noch konservativer als im Bund – sie sind z. B. auch dafür, dass die Polizei mehr Stellen erhalten soll, um die innere Sicherheit in diesem Bundesland weiter zu gewährleisten, und auch für eine Abschiebepolitik – nur auf „humane“ Art und Weise. Kombiniert haben die Grünen dies mit einer jungen dynamischen Führung, die „Hoffnung“ auf eine Neuorientierung machen soll.
Die LINKE hat zwar geringfügig Stimmen hinzugewonnen mit 1,1 Prozentpunkten, konnte aber den Sprung ins Parlament nicht erreichen. Sie konnte von der Krise der SPD nur wenig profitieren, weder in den Großstädten noch bei ArbeiterInnen/Angestellten und RentnerInnen. Im Gegensatz dazu zog die FDP nach 5 Jahren mit 5,1 % wieder in den bayerischen Landtag ein.
Interessant ist, dass die Grünen sowohl in den Großstädten punkten konnten – in München haben sie sogar das Mandat der CSU weggeschnappt – als auch bei den ArbeiterInnen und Angestellten. (siehe Zahlen nach Infratest dimap aus www.tagesschau.de vom 15.10.18)
Bisher sieht es so aus, dass Söder – zwar politisch angeschlagen – noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen ist. Er wird voraussichtlich den neuen, alten Ministerpräsidenten stellen, höchstwahrscheinlich zusammen mit den FW. Eine Koalition mit den Grünen lehnt er bisher ab, weil dies angeblich keine bürgerliche Regierung sei. Ob die bürgerliche Regierung mit den FW oder zusammen mit den Grünen zustande kommen wird, kann man bisher noch nicht letztendlich voraussehen. Nur eins ist klar: Dies wird keine stabile Regierung sein! Die CSU hat mit den Stimmverlusten einen klaren Dämpfer erhalten und die absolute Mehrheit verloren. Die Koalition mit den FW wird für viele WählerInnen – vor allem für die, die zu den Grünen abgewandert sind –, keine wirkliche Veränderung darstellen. Von daher ist noch nicht final entschieden, ob die weitere politische Entwicklung die CSU nicht doch noch dazu zwingen wird, eine offen bürgerliche Koalition mit den Grünen einzugehen.
Aber nicht nur für Bayern ist diese Wahl ein Einbruch, auch die Große Koalition kommt damit ins Wanken. Entscheidend, ob diese Regierung weiter machen kann oder nicht, wird sicherlich die Hessenwahl in 14 Tagen sein.
Nicht nur Bundesinnenminister Seehofer ist angezählt – es gibt Stimmen aus den eigenen Reihen in Bayern, die seinen Rücktritt bereits offen fordern. Gerade die SPD gerät mit dieser historischen Niederlage ins Wanken. Diese muss sich in den nächsten Wochen entscheiden, ob sie weiterhin in der Großen Koalition bleiben will, was bereits von den Jusos Bayern und ihrem Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert wieder angemahnt wird, und ob sie nicht ganz klar mit der Agendapolitik brechen muss, um wieder als die Partei des „kleinen Mannes“ wahrgenommen zu werden. Diese Wahl hat noch einmal ein Schlaglicht darauf geworfen, dass die SPD keine „normale“ Volkspartei ist und sein kann. Sie ist trotz Agenda 2010 immer noch eine bürgerliche ArbeiterInnenpartei – ihre Basis ist die ArbeiterInnenschaft, vermittelt über ihre organischen Verbindung zum Gewerkschaftsapparat –, sie verfolgt aber eine vollständig bürgerliche Politik. Je mehr sie diese Bindung zur ArbeiterInnenklasse verliert, desto uninteressanter wird sie auch für die Bourgeoise als Transmissionsriemen ihrer Politik über den Gewerkschaftsapparat in die ArbeiterInnenklasse hinein. Aber desto unattraktiver wird sie auch für die ArbeiterInnenklasse als „Vertretungsorgan“ gegen die Angriffe der UnternehmerInnen und ihrer Parteien.
Aber als antikapitalistische und revolutionäre Linke müssen wir auch feststellen, dass der Verschleiß der SPD nicht dazu führt, dass die linksreformistische Kraft – DIE LINKE – dadurch gestärkt oder es einen Trend nach links geben würde. Auch in Bayern profitierten vor allem die AfD und die Grünen, die auch nur eine Variante offen bürgerlicher Politik sind. Von daher gilt nach wie vor und darauf hin müssen wir die gesamte Linke drängen: Es ist notwendig, eine Aktionseinheit gegen die AfD und den Rechtsrutsch zu bilden, um gegen die Angriffe der UnternehmerInnen, aber auch gegen die Abschiebepolitik vorgehen zu können! Diese zu initiieren, ist die Verantwortung der Gewerkschaften, der Partei DIE Linke, aber auch von den Kräften in der SPD, die die Notwendigkeit sehen, mit der Großen Koalition und der Agendapolitik zu brechen. Dazu müssen wir sie jedoch zwingen!