Svea Hualidu, Frauenzeitung Nr. 5, ArbeiterInnenmacht/REVOLUTION (Deutschland), ArbeiterInnenstandpunkt/REVOLUTION (Österreich) März 2017
Im September letzten Jahres sollten Polens Abtreibungsgesetze stark verschärft werden. Auslöser dafür war eine Bürgerinitiative von Ordo Iuris, einer „Lebensschutz“organisation, welche eine 5-jährige Haftstrafe für Abtreibungen forderte. Zudem sollte es auch ein Verbot der „Pille danach“ geben, und auch bei Vergewaltigungen oder Lebensgefahr des Kindes sollte das Gesetz gelten. Polen, welches damals schon die strengsten Abtreibungsregeln in ganz Europa hatte, wird seit 2015 von der rechtspopulistischen Partei PiS regiert. Diese unterstützte die Bürgerinitiative zu Anfang.
Als jedoch zum sogenannten „schwarzen Protest“ mehr als 100.000 Menschen gegen das Gesetz protestierten und viele Frauen dafür die Arbeit niederlegten, sprach sie sich bei der Abstimmung dagegen aus. Dies passierte jedoch nicht aus einem spontanen antisexistischen Bewusstsein, sondern um laut eigener Aussage ihre Chancen bei der kommenden Wahl zu verbessern. Zudem soll es trotz der Gesetzesablehnung ab diesem Jahr ein Hilfsprogramm für Mütter geben, welche sich trotz einer „schwierigen Schwangerschaft“ für die Kinder entscheiden. Eine Infokampagne für den „Schutz des Lebens“ ist ebenfalls vorgesehen. Somit haben Frauen, die aus den verschiedensten Gründen und oftmals auch nicht freiwillig schwanger geworden sind, nur scheinbar die Wahl, ob sie ihr Kind behalten oder nicht.
Doch nicht nur in Polen wird um das Recht auf Abtreibung gekämpft. Auch in Spanien gibt es seit einigen Jahren immer wieder Proteste auf Grund von Gesetzesverschärfungen. 2013 sollte dort von Seiten der konservativen Regierung aus der Schwangerschaftsabbruch wieder als Delikt eingeführt werden. Somit wäre eine Abtreibung, ähnlich wie in Polen, nur unter der Bedingung möglich, wenn das Leben von Kind oder Mutter gefährdet ist. Als am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, jedoch ebenfalls tausende Spanier_Innen auf die Straße gingen, um für die körperliche Selbstbestimmung der Frauen einzustehen, löste das eine heftige Debatte im Parlament aus. Verknüpft mit weiteren Streiks auf Grund einer neuen Arbeitsreform, die ebenfalls eingeführt werden sollte, entschied sich Ministerpräsident Rajoy gegen das vollständige Gesetz. Trotzdem dürfen seit 2015 Mädchen unter 18 Jahren keine Abtreibungen mehr ohne die Erlaubnis ihrer Eltern vornehmen. Daraus lässt sich erahnen, dass auch dieser Versuch zur Einschränkung von Frauenrechten nicht der letzte gewesen sein wird.
Wenn Abtreibung also nicht erlaubt ist, müssen sich diese Frauen oftmals alternative Möglichkeiten suchen. Beispielsweise reisen sie in andere Länder, um dort Abtreibungen vornehmen zu lassen. Da jedoch sogar diese Möglichkeit nicht immer gegeben ist, sterben jährlich viele Frauen bei Eingriffen, welche sie selbst vornehmen oder unter schlechtesten Bedingungen von Amateur_Innen bekommen, den sog. Engelmacher_Innen.
Auch in den USA steht ein Kampf um die Abtreibungsgesetze an. Trump trat bereits seine Kandidatur mit der Ankündigung an, die Gesetze dahingehend zu verschärfen. 5 Tage nach seinem Amtsantritt unterschrieb er dann ein Dekret, welches Finanzhilfen für Nichtregierungsorganisationen verbietet, die Abtreibungen unterstützen. Dieses Gesetz gab es bereits unter den republikanischen Präsidenten Ronald Reagan und George W. Bush.
Einen Tag später fand der „Women’s March“ statt. Hierbei versammelten sich über 500.000 Menschen in Washington, um gegen Trump zu demonstrieren. Sie forderten unter anderem die Beibehaltung des Rechts auf Abtreibung sowie gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Aber nicht nur in Amerika fanden Proteste statt, weltweit gab es 670 Demonstrationen mit 2 Millionen Teilnehmer_Innen.
Wenn es auch oftmals anders scheint, in Deutschland sieht die Rechtslage in Bezug auf Abtreibungen auch nicht viel besser aus. Laut Paragraph 218 im Strafgesetzbuch ist ein Schwangerschaftsabbruch nämlich dann schon illegal, wenn frau a) eine Frist von 12 Wochen überschreitet und b) sich vorher keiner vermeintlich neutralen Beratung unterzieht. Oftmals sind diese jedoch kirchlich geprägt und versuchen somit, Frauen eher von einem Schwangerschaftsabbruch abzuraten. Zudem händigen sie immer wieder keine Beratungsscheine aus, wenn das Ergebnis für sie nicht zufriedenstellend ist. Wenn solch eine Beratung nicht stattfindet und trotzdem eine Abtreibung vorgenommen wird, kann das bis zu 5 Jahre Gefängnis für die schwangere Frau oder den/die Arzt/Ärztin bedeuten.
Ein weiteres Druckmittel ist der jährlich stattfindende „Marsch für das Leben“, welchen es mittlerweile in Deutschland, den USA, Frankreich, der Schweiz, Peru und Polen gibt. Hierbei ziehen tausende Menschen schweigend und mit Kreuzen in der Hand durch die Stadt und fordern unter anderem ein generelles Verbot von Abtreibungen. Die Modelle von ungeborenen Föten, welche sie dabei hochhalten, sollen Frauen ein noch schlechteres Gewissen machen, als diese oftmals sowieso schon haben.
All diesen Beispielen ist jedoch etwas gemeinsam: Frauen wird das Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper genommen und damit ein Großteil ihrer Unabhängigkeit vom Mann. Männer beispielsweise sind nicht gezwungen, Vaterschaftsurlaub zu nehmen, Frauen müssen hingegen die ersten Monate nach der Geburt zu Hause bleiben. Solange sind sie auf staatliche Unterstützung oder die ihres Partners angewiesen. Wenn sie dann überhaupt wieder in die Arbeitswelt zurückkehren, ist es meist schwierig, für sie überhaupt einen Job zu bekommen, sobald sie erwähnen, dass sie Kinder haben.
Bei Abtreibungen jedoch entscheiden festgeschriebene Gesetze hierbei pauschal über Einzelfälle, statt den Betroffenen selbst die Möglichkeit zu geben, für sie angemessen mit der Situation umzugehen. Dabei kann durchaus eine Entscheidung für einen Abbruch die bessere für Frau und Kind sein.
Das Abtreibungsgesetz ist bereits seit 1871 gültig, es existiert aber in modifizierter Form bis heute. Abtreibungsgesetze sind reaktionär, mit dem Ziel, die bürgerliche Familie aufrechtzuerhalten und Frauen aus der Produktion auszuschließen. Aus diesem Grund haben es sich gerade Rechts-Populist_Innen zum Ziel gesetzt, Abtreibungsgesetze gänzlich abzuschaffen. Die Tatsache, dass diese Gesetze noch weltweit existieren, zeigt daher, dass der Kampf um Selbstbestimmung international geführt werden muss. Wir müssen uns aber gegen Argumente wenden wie das, dass Abtreibungsverbote in „fortgeschrittenen“ Ländern ruhig gelockert werden dürften. Dort angeblich auftretende demographische Probleme (Überalterung der Gesellschaften) könne man ja durch verstärkte Migration aus der sog. Dritten Welt entschärfen. Erstens treten wir für eine Ächtung der Abtreibungsverbote auf der ganzen Welt ein. Zweitens sind wir natürlich für offene Grenzen für Flüchtende wie Arbeitsmigrant_Innen. Es ist schon schlimm genug, dass die vom Imperialismus abhängigen Nationen als verlängerte Werkbank für sie herhalten müssen. Die Vorstellung von der „Dritten Welt“ als ausgelagerter Kreißsaal für die imperialistischen Nationen ist aber schlichtweg rassistisch. Der internationale Kampf gegen Abtreibung kommt daher auch um den gegen Rassismus nicht herum.
Auch die Kirche sowie selbsternannte Lebensschützer_Innen, deren Meinung zu dem Thema lediglich auf verqueren Moralvorstellungen fußt, haben immer noch eine viel zu große Entscheidungsmacht. Der Schwangerschaftsberatung der Caritas (Wohlfahrtsorganisation der katholischen Kirche) ist es beispielsweise verboten, Gespräche über die „Pille danach“ oder Abtreibung zu führen. Regelmäßig werden Ärzte von Abtreibungsgegner_Innen bedroht.
In vielen ländlichen Regionen, vor allem in Westdeutschland, kommt es vor, dass katholische Krankenhäuser die einzigen im Kreis sind. Bewusst erschweren sie Abtreibungen und den Erwerb der Pille danach, was besonders für junge Mädchen eine unfassbare Einschränkung ihres Selbstbestimmungsrechts über ihren Körper darstellt.
Dem müssen eine internationale Massenmobilisierung und Streiks aller Arbeiter_Innen entgegengesetzt werden.
• Für Abschaffung des Abtreibungsparagraphen sowie der Beratungspflicht!
• Kostenlose und unabhängige Beratung bei Schwangerschaft und Abtreibung, egal in welchem Monat! Schutzräume für Opfer sexueller Gewalt, Schwangere und junge Mütter!
• Für die Abschaffung von Fristen, bis zu denen abgetrieben werden darf! Für die ärztliche Entscheidungsfreiheit, lebensfähige Kinder zu entbinden!
• Gegen Zwangselternschaft für so geborene Kinder! Der Staat soll für sie aufkommen und sich um sie kümmern! Adoptionsvorrang für Vater und/oder Mutter, falls sie das Kind später großziehen wollen!
• Wenn das Kind selbst entscheiden kann, muss es seine Einwilligung zur Adoption durch sein/e leiblichen Eltern bzw. ein leibliches Elternteil geben!
• Vollständige Übernahme der Kosten für eine Abtreibung und aller Kosten für Verhütungsmittel durch den Staat!