Arbeiter:innenmacht

Ungebrochen: Der Widerstand der Frauen in Afghanistan

Ener Zink, Revolution Deutschland, Gruppe Arbeiter:innenmacht, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung 13, März 2025

Es sind nun drei Jahre vergangen, seit die Taliban erneut die Macht in Afghanistan übernommen und die Rechte von Frauen massiv eingeschränkt haben: Bildung, Meinungsäußerung und Bewegungsfreiheit gibt es für sie kaum noch. Wie kann also eine revolutionäre Perspektive für die Widerständigen hier und vor Ort aussehen?

Schulverbote, Kleiderordnung und „Tugendgesetze“

Direkt nach ihrer Machtergreifung im August 2021 verboten die Taliban Mädchen, über die Grundschule hinaus – also nach der sechsten Klasse – weiter die Schule oder eine Universität zu besuchen. Laut aktuellen Schätzungen wird rund 2,5 Millionen Mädchen auf brutale Weise das Recht auf Bildung genommen. Doch das Verbot der Schulbildung ist nicht die einzige Einschränkung, die Frauen unter der Taliban-Herrschaft erleben müssen. Eine weitere gravierende Maßnahme war die Einführung einer strengen reaktionären Kleiderordnung, die das Tragen von Hidschab und Niqab vorschreibt. Zudem wurde es Frauen seit einiger Zeit verboten, in fast allen Bereichen zu arbeiten, mit Ausnahme des öffentlichen Gesundheitswesens. Im Dezember gab die Taliban-Regierung bekannt, dass alle Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die weiterhin Frauen beschäftigen, geschlossen werden sollen und diesen jegliche Lizenzen entzogen werden. Mittlerweile dürfen Frauen nur noch in männlicher Begleitung längere Wege zurücklegen– eine Regelung, die mit der „Verbesserung der Sicherheitslage“ begründet wird. Diese Argumentation erinnert an ähnliche Vorschriften der 1990er Jahre, als die Taliban erstmals an die Macht kamen und hat in erster Linie das Ziel, Frauen aus der Öffentlichkeit zurückzudrängen und deren Stimmen zu unterdrücken. Noch deutlicher wird das durch die aktuellen Gesetzesverschärfungen. Am 21. August 2024 erließen die Taliban die sogenannten „Tugend-Gesetze: Frauen ist es demnach unter anderem untersagt, in der Öffentlichkeit zu singen, laut zu sprechen oder vorzulesen. Darüber hinaus ordnete der Anführer der Taliban, Hibatullah Achundsada, an, dass Räume, „in denen sich Frauen potenziell aufhalten könnten“ – wie Küchen, Innenhöfe oder Esszimmer – keine Fenster haben dürfen. Neubauten müssen künftig ohne Fenster gebaut werden, und in bestehenden Gebäuden müssen die Fenster durch Mauern oder Zäune oder sonstige Sichtbarrieren verborgen werden.

Wie leisten Frauen Widerstand?

Trotz dieser repressiven Gesetzgebung gibt es jedoch immer noch Frauen, die nicht bereit sind, sich dieser Unterdrückung zu fügen. Unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Taliban kam es zu zahlreichen Protesten, bei denen Frauen immer wieder brutal geschlagen, gepeitscht, festgenommen oder sogar ermordet wurden. Doch der Widerstand ist keineswegs abgeflaut. Viele Frauen setzen sich weiterhin aktiv für ihre Rechte ein. Im privaten Raum unterrichten Aktivistinnen weiterhin Mädchen über die sechste Klasse hinaus, und am 8. März 2024, dem internationalen Frauentag, versammelten sich kleine Gruppen von Frauen in den Provinzen Tachar und Balch, um ein Zeichen zu setzen und nicht länger schweigen zu wollen. Organisationen wie RAWA („Revolutionary Association of the Women of Afghanistan“) setzen sich bereits seit den 80er Jahren für die Rechte von Frauen ein und existieren nach wie vor.

Zudem gab es eine Welle von Protesten, bei denen afghanische Frauen sich beim Singen filmten, um sich gegen die jüngsten Entwicklungen zu stellen. Dieser Widerstand zeigt, dass trotz der brutalen Repressionen der Kampfgeist afghanischer Frauen noch immer nicht gebrochen werden konnte.

Der westliche Imperialismus: Blut an ihren Händen

Die ehemalige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock verurteilte die Einschränkung der Frauenrechte durch die Taliban als „die massivsten systematischen Menschenrechtsverletzungen weltweit“.  Aussagen wie diese sind aber an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten, denn die Taliban konnten nur zurück an die Macht kommen, weil die imperialistischen Interventionen zehntausende Zivilist:innen ermordeten und das Land dann politisch und wirtschaftlich destabilisiert zurückließen. Die 20 Jahre währende militärische Präsenz der USA und ihrer Verbündeten, darunter auch Deutschland, und die darauf folgende Zerstörung der afghanischen Wirtschaft haben zu einer humanitären Katastrophe geführt, die viele Menschen noch immer mit extremer Armut und Hunger bedroht und Millionen Menschen zur Flucht zwang.

Wenige Wochen nach Baerbocks Kritik setzte die deutsche Regierung unter der Leitung des Bundesinnenministeriums und mit Billigung der Bundeskanzlerin die Abschiebungen nach Afghanistan wieder in Gang. Am 30. August 2024 wurden erstmals seit der Machtübernahme der Taliban wieder 28 Afghanen abgeschoben. Diese Entscheidung zeigt klar, dass es dem deutschen Kapital nie um Menschenrechte ging und das Blut der Opfer der Taliban auch an ihren Händen klebt.

Für die Revolutionär:innen in Afghanistan muss nach wie vor das Ziel sein, eine militante Bewegung aus Arbeiter:innen und Bäuer:innen aufzubauen, die ihr Programm auf die Theorie der permanenten Revolution stützt und für demokratische Freiheiten und gegen islamistische Kräfte und imperialistische Einflussnahme kämpft. Wir sehen allerdings, dass solche Forderungen in der aktuellen Situation leichter gesagt als getan sind und viele Aktivist:innen gezwungen sind, in der Illegalität zu bleiben. Umso wichtiger ist es also, dass wir uns hier Ort solidarisch mit den progressiven Bewegungen in Afghanistan zeigen und so die Aktivist:innen unterstützen. Wir müssen die Forderungen nach einem sofortigen Stopp der Abschiebungen und für Staatsbürger:inennrechte für alle aufwerfen und diese in unsere Bewegungen hineintragen. Hoch die internationale Solidarität!

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