Jürgen Roth, Infomail 985, 1. Februar 2018
2011 erfand der promovierte Experimentalphysiker Bernd Geisler aus dem hessischen Korbach ein Druckluft-Speicherkraftwerk. Er löste das Problem der Wärmerückgewinnung durch getrennte Speicherung von Wärme und Druckluft. Letztere nimmt bei der Expansion die Wärme wieder auf und treibt eine Gasturbine zur Stromerzeugung an. Der Wirkungsgrad dieses Kraftwerks steigt dadurch enorm.
Dr. Geisler gründete Anfang 2013 seine Firma APT GmbH (Angewandte Physik und Technologie). Im Februar des Jahres heimste er den 1. Preis beim bundesweiten Businessplanwettbewerb von Promotion Nordhessen zusammen mit dem von der Firma SMA gestifteten Sonderpreis „Dezentrale Energien“ ein. 2015 stellte er sein Pilotprojekt auf der Hannover Messe erstmals vor.
Diese Preise erkennen die Vorteile seiner Konstruktion an: Das Kraftwerk
APT nimmt am Projekt Entrée 100 teil:
„Das Projekt ENTREE100 möchte erstmals die Energiewende durch den Einsatz von Powert-to-X-Technologien ganzheitlich umsetzen, d. h. mit dem Ziel einer vollständigen Versorgung mit erneuerbaren Energien. Somit reichen unsere Arbeitsbereiche von technologischer Forschung, Entwicklung und Demonstration im Bereich Wasserstofftechnologie über die direkte Erzeugung grüner chemischer Grundprodukte und die technische, gesamtsystemische Integration inklusive IT-Strukturen und Wärmenetzen bis hin zu der Betrachtung von verwaltungs-, rechts und bildungsrelevanten Aspekten sowie der sozioökonomischen und -ökologischen Bewertung.
An dem Projekt ENTREE100 sind unter anderem beteiligt:
Im Rahmen des Projekts wird die APT GmbH den ersten Druckluft-Energiespeicher der Megawattklasse entwickeln und bauen.“ (APT)
Das Geisler’sche Projekt wird aus Mitteln der Energietechnologieoffensive Hessen gefördert. Diese erkennt richtig, dass für eine vollständige Stromversorgung aus erneuerbaren Energien nicht nur die Energiegewinnung aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft erforderlich ist, sondern auch Energieeffizienz (z. B. Wärmedämmung, Brennwertkessel, LEDs), Netzausbau und intelligente Netze (Lastmanagement, Regelleistung) und Energiespeicher (Druckluft-, Pumpspeicher, H2O-Brennstoffzelle, Power-to-Gas) gefördert werden müssen.
In einem Beitrag von seltenem Sehenswert schildert Hessen 3 den weiteren dornigen Weg des Ingenieurs.
Die Sendung beginnt im Mai 2017, 2 Jahre nach der Vorstellung der Pilotanlage auf der Hannover Messe. Geisler hat inzwischen seine Anlage in einem Container untergebracht, der nach Heide (Holstein) auf den Hof der Firma Jaster Gydraulik & Maschinenbau GmbH gekarrt wird. Dort muss sie zum Laufen gebracht und vom TÜV abgenommen werden. Der Physiker ist aber auch auf der Suche nach Investoren. Er schreibt Anträge dafür sowie für die Anerkennung seiner Erfindung als internationales Patent mit Hilfe eines Anwalts. Schließlich genehmigt ihm das Landesförderinstitut Hessen-Kapital 300.000 Euro für den Weiterbetrieb unter der Bedingung, dass er ein Druckspeicherkraftwerk der Megawattklasse baut. Für dieses 5-Millionen-Projekt holt der Ingenieur etwas über 2 Millionen Euro an Bundeszuschüssen nach Patentgenehmigung herein. Diese werden jedoch nur gezahlt, wenn ein privater Investor mind. 2 Millionen beisteuert. Es findet sich schließlich die Salzgitter AG aus gutem Grund, stellt die Firma doch Stahl her, der für die Druckbehälter gebraucht wird.
Der Film zeigt im Folgenden den Spießrutenlauf Bernd Geislers. Technische Schwierigkeiten werden mit tatkräftiger Unterstützung der Heider Firma Jaster und der dortigen Stadtwerke gelöst: fehlende Druckschläuche, Sicherungen und Spannungswandler sowie ein Ersatzgenerator werden beschafft, ein Behelfskabel wird flugs gelötet. Auch die für den Wärmetauscher benötigten 400 l Glycerin tauchen mit 2 Stunden Verspätung auf. Der TÜV nimmt schließlich die Druckbehälter ab, das Überdruckventil öffnet sich bei 40 bar – die Verwandlung von Strom in Druckluft gelingt fehlerfrei, ebenfalls die Rückerzeugung, obwohl in die für die elektronische Schaltung zuständige Firma sitzen lässt und zur Weißglut treibt.
„Dem Ingeniör ist nix zu schwör!“ Gemäß diesem Motto des genialen Erfinders Daniel Düsentrieb waren sämtliche technischen Schwierigkeiten beseitigt. Doch diese Anstrengungen sollten sich aus anderen Gründen als Sisyphus-Arbeit herausstellen.
Firmeninhaber Jörg Jaster zeigte sich begeistert von der patenten Konstruktion. Er wies darauf hin, wie wichtig dies für ein Zweiküstenland wie Schleswig-Holstein sei. Hier müssten bei zu viel Wind häufig die Turbinen abgestellt werden. Das EEG vergütet den vorprogrammierten Stillstand auf Kosten der Strompreise für die KleinverbraucherInnen. Die Abschaltung erfolgt umso eher je mehr Strom aus fossilen und atomaren Grundlastkraftwerken erzeugt werden. Die Kohlekraftwerksreserve steht für den Fall völliger Flaute bereit und wird aus den gleichen Quellen bezahlt. GegnerInnen einer Energiewende sehen natürlich das Heil in einer Rückkehr zur Stromerzeugung aus Kohle und in AKWs, damit das Stromnetz gleichförmig belastet wird, nehmen aber dafür in Kauf, dass diese Energiemengen produzieren, die selbst tagsüber nur selten benötigt werden, der Rest geht als Abwärme durch den Schornstein und ins Flusswasser, fördert also die Aufheizung der Atmosphäre.
Doch das dicke Ende für eine technisch geniale Lösung dieser doppelten und doppelt bezahlten Problematik kommt noch! Bernd Geisler wurde kreidebleich, als er vom Ausstieg seines potentiellen Investors Salzgitter AG erfuhr. Der Grund? Zukünftige Druckspeicherkraftwerke müssen bei der Speicherung von Strom zu Druckluft sowie bei der Erzeugung von Strom aus Druckluft jeweils 6 Ct./kWh EEG-Umlage zahlen. Damit hätte die Salzgitter AG nur Verlust einfahren können.
Das Reformflickwerk EEG ist also alles andere als geeignet auf dem Weg zu einer Energiewende, die ihren Namen verdient. Letztere braucht einen Plan zur Schaffung der weiter oben beschriebenen Voraussetzungen, eine integrierte Energiepolitik (Strom, Verkehr, Wärme, Industrie, Landwirtschaft, Haushalte). Sie muss zur Voraussetzung die Enteignung der großen Stromkonzerne und NetzbetreiberInnen haben und die „grünen“ Energiegenossenschaften in den Plan einbeziehen. Der organisierte Ausstieg aus von fossilen Trägern erzeugtem und Kernspaltungsstrom kann nur gelingen, wenn die technisch und sozial unsinnigen Bestimmungen des EEG fallen. Ab 2021 laufen die ersten Subventionen für Anlagen der EE-Branche aus. Das wird den GegnerInnen einer Energiewende neuen Auftrieb geben, Kohle und Atom auch – dem Flickwerk sei „Dank“.
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