Arbeiter:innenmacht

Tarifrunde öffentlicher Dienst: Rückenwind der Warnstreiks nicht genutzt – Ergebnis weit unter den Möglichkeiten!

Helga Müller, Infomail 999, 18. April 2018

Vorweg das Ergebnis, das nach dreitägigen Marathonverhandlungen erzielt wurde:

  • Laufzeit insgesamt 30 Monate, d. h. 2 ½ Jahre (vom 1. März 2018 bis August 2020!).
  • Insgesamt beläuft sich die Lohnerhöhung auf 7,5 Prozent.
  • Für die 2,3 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen erfolgt sie in drei Stufen:
  • Rückwirkend ab 1. März 2018 erhalten die KollegInnen 3,2 Prozent mehr (1. Stufe: Dauer 13 Monate).
  • Ab 1. April 2019 erfolgt eine Lohnerhöhung von 3,1 % (2. Stufe: Dauer 11 Monate).
  • Ab 1. März 2020 erfolgt eine Lohnerhöhung von knapp 1,1 % (3. Stufe: Dauer 6 Monate).
  • Bis zur Entgeltgruppe sechs gibt es eine Einmalzahlung von 250 Euro.
  • Für Azubis soll es eine Erhöhung der Auszubildendenvergütung von je 50 Euro für 2018 und 2019 geben. Die bisherige Übernahmeregelung wurde verlängert und Azubis sollen in Zukunft Anspruch auf 30 Urlaubstage (bisher 29) haben.

Das Ergebnis der linearen Erhöhungen scheint im Vergleich zu den Tarifergebnissen in anderen Bereichen in diesem Jahr nicht so schlecht zu sein.

Nehmen wir als Richtschnur die Forderungen nach 6 Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr pro Monat, damit die Entgeltschere zwischen den oberen und unteren Entgeltgruppen nicht zu groß wird und 100 Euro mehr für 12 Monate, so bleibt aber das Ergebnis doch weit hinter den Forderungen, vor allem aber den Möglichkeiten zurück, die sich bei den Mobilisierungen gezeigt hatten.

In zwei Punkten ist es ein voller Ausverkauf dessen, was die KollegInnen in mehreren Warnstreiks und vor allem an dem großen Aktionstag vom 10.4., an dem die Flughäfen und der öffentliche Nahverkehr in mehreren Städten bestreikt und nahezu lahmgelegt wurden, gefordert und durch die Arbeitsniederlegungen deutlich gemacht haben:

  1. Die zentrale Forderung von ver.di, nämlich der Mindestbetrag von 200,- monatlich, damit die unteren Entgeltgruppen nicht ganz abgehängt werden, wurde vollkommen geopfert für die lineare Anhebung. Erstere wurde vor allem von den kommunalen „ArbeitgeberInnen“ vehement abgelehnt, die eine notwendige Entgelterhöhung für die Fachkräfte (d. h. für die oberen Entgeltgruppen) einer für die unteren Entgeltgruppen entgegengestellt haben. Die 250,- Euro Einmalzahlung – auch wenn sie wohl für die unteren Entgeltgruppen gedacht sind – erstrecken sich eben auf die ganzen 30 Monate! Und sie gehen auch nicht als tarifliche Erhöhung in die einzelnen Entgeltgruppen mit ein, was die Forderung nach einem Mindestbetrag sehr wohl beinhaltete, sind also tabellenunwirksam. Nichts als leeres Geschwätz!
  2. Die lange Laufzeit von statt 12 Monaten, wie gefordert, gibt den öffentlichen „ArbeitgeberInnen“ von Bund und Kommunen für eine lange Frist zum einen Planungssicherheit für ihre Haushalte und zum anderen die Gewähr, dass es in dieser Zeit zu keinen Arbeits„ausfällen“ aufgrund von Tarifauseinandersetzungen kommen wird.

Es war wohl von vornherein von ver.di so geplant, in der 3. Tarifrunde zu einem Abschluss zu kommen. Eine Urabstimmung über Durchsetzungsstreiks für die Forderungen war erst gar nicht eingeplant gewesen. Es zeigt sich auch in dieser Tarifrunde wieder, dass ohne eine politische Offensive und eine entschlossene, auf unbefristete Massenstreiks angelegte Kampftaktik von Seiten ver.dis allenfalls Brosamen rauszuholen sind. Eine substantielle – aus der Besteuerung von Unternehmensgewinnen und privaten Vermögen – finanzierte Neueinstellung in Krankenhäusern, im öffentlichen Nachverkehr, an Schulen oder Kitas ist so nicht zu erreichen, ebenso wie die Einkommensschere so nicht verringert werden kann.

Die KollegInnen in den Büros, in den Einrichtungen, in den Krankenhäusern, wo immer sie beschäftigt sind, müssen lernen, die Konsequenzen daraus zu ziehen:

  •  Ohne Kontrolle durch die Mitgliederbasis über ihren Kampf von Anfang an, von der Aufstellung der Forderungen bis hin zur Streikstrategie werden ihre Forderungen immer wieder ausverkauft werden.
  • Diskutiert und entscheidet über Eure Forderungen auf Streikversammlungen in Euren Betrieben!
  • Wählt Eure Streikleitungen in den Büros, in den Einrichtungen, in Euren Betrieben!
  • Verlangt von den Streikleitungen die regelmäßige Einberufung von Streikversammlungen, auf denen sie jeden Verhandlungsschritt offen darlegen müssen, und diskutiert und entscheidet über die Streikstrategie! An diese Beschlüsse hat sich die Streikleitung zu halten.
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