Arbeiter:innenmacht

Northvolt: Pleite für den „grünen“ Kapitalismus

Bild: Arbetarmakt på Instagram

Arbetarmakt (Schweden), Infomail 1282, 6. Mai 2025

Vorbemerkung der Redaktion

Die anstehende Insolvenz des schwedischen Batterieherstellers Northvolt trifft auch Deutschland. Das Schicksal der Baustelle seiner geplanten Filiale in Heide (Kreis Dithmarschen, Schleswig-Holstein) ist mehr als ungewiss. Nur so viel steht fest: Das Unternehmen ist mit 60 Millionen Euro bei deutschen Firmen verschuldet. In Houston (Texas) lief Anfang April das Insolvenzverfahren nach Chapter 11. Hier ging es um Verbindlichkeiten in Höhe von 9 Mrd. US-Dollar. Ein Anschlussverfahren nach Chapter 7 in den USA macht für die Gläubiger:innen keinen Sinn. Deshalb hoffen sie auf den Ausgang der Konkursabwicklung im Konzernmutterland Schweden, wo die meisten Vermögenswerte der Geldgeber:innen parken sollen.

Auf der Liste der betroffenen 3.500 Geldgeber:innen stehen auch viele deutsche Unternehmen – neben Northvolts größtem Anteilseigner VW auch die Förderbank KfW. Die KfW hatte Northvolt 600 Millionen Euro als Wandelanleihe für den Bau der Batteriefabrik bei Heide ausgezahlt. Der Bund und das Land Schleswig-Holstein hatten diese Anleihe abgesichert und mussten wegen der Finanzkrise von Northvolt das Geld bereits an die KfW zahlen. Marc Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger:innen (SdK) meinte dazu in einem Interview im NDR: „Sind Forderungen offen und sieht die Baustelle so aus, dass Rechnungen nicht bezahlt werden und auch in Zukunft nicht bezahlt werden würden, dann kann natürlich die Baustelle – sprich die Tochter in Deutschland – in eine Insolvenz geraten, mit dem Umstand, dass die Baustelle dann auch stillsteht.“ […] Es gibt zwei mögliche Szenarien. Szenario eins ist, dass sich ein Investor findet, der sowohl bei der Mutter einsteigt und/oder bei der Tochter und Heide weiter und zu Ende baut. Oder Szenario zwei: Diesen Investor gibt es nicht. Dann wird Heide eine Baustellenruine vor der Tür haben. Wie lukrativ eine Übernahme der Tochtergesellschaft oder des Northvolt-Mutterkonzerns ist, ist schwer zu sagen. Klar ist: wahrscheinlich nicht sehr lukrativ. Northvolt hat es nicht geschafft, Batterien zu bauen. Northvolt hat es nicht geschafft, weitere Investoren zu finden. Northvolt hat es geschafft, 15 Milliarden Euro, was man hört, zu versenken. Northvolt hat es geschafft, jetzt noch rund 5,8 Milliarden Dollar Schulden zu haben. Das heißt, jemand, der da reingeht, der wird wahrscheinlich auf einen negativen Kaufpreis bestehen. Ein negativer Kaufpreis ist, wenn der Verkäufer noch Geld mit dazu gibt, damit jemand das übernimmt und da rein investiert. Das heißt, es könnte auch passieren, dass von staatlicher Seite sogar ein negativer Kaufpreis in Form von weiteren Förderdarlehen und so weiter bezahlt werden muss, damit es hier weitergeht.“

Drastisch wird hier das im Kapitalismus übliche Verfahren bei Pleiten beschrieben: „Sozialisierung“ der Verluste durch den Staat. Gewinne sollen und müssen dagegen vorzugsweise in private Hände fallen. In Zukunft ist angesichts der verschärften Weltmarktkonkurrenz damit zu rechnen, dass das eh schon fragwürdige und unzureichende Konzept marktwirtschaftlicher „grüner“ Transformation, die auf staatliche Subventionen für private Start-ups baut, vollends aufgegeben wird.

Unsere schwedischen Genoss:innen haben jüngst in verschiedenen Artikeln dieses Konzept kritisiert, dabei auch die Industriepolitik der dortigen Linkspartei V (Vänsterpartiet) seziert und festgestellt, dass sie dem oben beschriebenen falschen Vertrauen in eine marktwirtschaftliche Klimawende grundsätzlich nichts Ernsthaftes entgegenzusetzen hat. Darin ähnelt sie ihrer deutschen Schwesterpartei. Auch die nennt fälschlich das Flickwerk an Einzelkapitalen, das auch nahezu ausschließlich im Stromsektor agiert, „Energiewende“. Dieser Euphemismus kaschiert, dass die Kapazität von Solar- und Windenergie angesichts der fehlenden Speichervorrichtungen und des mangelnden Netzausbaus gar nicht ganz ausgeschöpft werden kann und diese Anlagen zudem unstetig Strom erzeugen. Ähnlich wird bei der Gebäudeenergie auf individuelle Lösungen in Form von Wärmepumpen gesetzt, statt diese sinnvolle Technik in Gesamtlösungen wie dem Ausbau der Fernwärme einzusetzen. Beim noch größeren Stiefkind der nötigen Klimawende, dem Verkehr, wird statt auf eine Verkehrswende hin zum Schienenverkehr und ÖPNV auf eine Antriebswende für den Individual- und Lkw-Verkehr gebaut. Dabei muss eine ernsthafte Abkehr von fossilen Energien nicht nur eine Energie-, sondern auch eine Molekültransformation beinhalten. Hier würden dann auch in Symbiose mit chemischen Speichertechniken (z. B. Strom zu Gas) nicht nur stetig fließender Strom auch bei Flaute und Dunkelheit, sondern auch Grundelemente für die chemische Industrie (z. B. Ammoniak, Methan) und den Antrieb des noch übrig gebliebenen Individualverkehrs zu Land, Luft und Wasser ohne größere Umstellungen der Motorentechnik erzeugt werden können. Das Elektroauto ist also nicht nur eine Sackgasse wegen des drohenden Northvolt-Bankrotts, sondern auch ökologisch, von seiner Gebrauchswertseite her (Lithiumgewinnung auf Kosten des Grundwassers und der Land- und Forstwirtschaft, Aufbau einer gigantischen Ladestruktur).

Die von verschiedenen Kapitalfraktionen verfolgte „Wasserstoffstrategie“ bildet ein neues, jüngeres Flickwerk. Einerseits, weil sie mit anderen technischen Lösungen (intelligente und ausgebaute Stromnetze; „smart grids“) konkurriert, andererseits, weil sie Wasserstoff nicht als notwendiges Zwischenprodukt für die chemische Synthese (Reduktionsmittel) betrachtet, sondern als Endprodukt für Antrieb und Wärmegewinnung, was nur bei der Metall- und Zementproduktion Sinn macht. Der Kapitalismus ist ein System, das die Priorität der Gebrauchswerte ignoriert, statt diese symbiotisch zu nutzen, in Konkurrenz gegeneinander setzt: Flickwerk statt Gesamtlösung, Konzept! Letzteres erfordert zwingend die Lösung der Eigentumsfrage zugunsten des kollektiv-gesellschaftlichen statt privat vereinzelten. Nichts grünt ohne Sozialismus!

Im Gegensatz zur V, die lieber Kapitalist:innen hofiert, wie unsere schwedischen Genoss:innen demonstrieren, setzt Arbetarmakt auf die Arbeiter:innenklasse und präsentiert einen Aktionsplan für die Verstaatlichung Northvolts unter Arbeiter:innenkontrolle durch Betriebsbesetzungen als Voraussetzung für die Entwicklung revolutionären Klassenbewusstseins, mit dessen Hilfe erst der Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur rational, nachhaltig und dauerhaft geregelt werden kann.

Northvolt: Pleite für den „grünen“ Kapitalismus

Die Gesellschaft hat sich für Northvolt eingesetzt, nun muss sie die Folgen tragen

Kapitalist:in zu sein bedeutet nicht nur, eine rein persönliche, sondern auch eine gesellschaftliche Stellung in der Produktion einzunehmen. Das Kapital ist ein gesellschaftliches Produkt und kann nur durch die gemeinsame Tätigkeit vieler Mitglieder, ja letztlich nur durch die gemeinsame Tätigkeit aller Mitglieder der Gesellschaft in Bewegung gesetzt werden.

Wir werden ständig mit Propaganda darüber gefüttert, wie wichtig „Unternehmer:innen“ für das Funktionieren der Gesellschaft sind. Es wird oft dargestellt, dass Werte von visionären und mutigen, aber gleichzeitig vernünftigen Kapitalist:innen geschaffen werden, die uns anderen helfen, indem sie uns sowohl Arbeitsplätze als auch Produkte liefern, die „lebensnotwendig“ sind und von denen wir vielleicht gar nicht wussten, dass wir sie wollten.

Peter Mikael Carlsson von Northvolt war vor sieben Jahren ein solcher vielbeschriebener kapitalistischer Retter, der mit den Elektroautobatterien von Northvolt Tausende von Arbeitsplätzen schaffen und das Klima retten sollte. Wie wir heute wissen, ist es nicht so gekommen. Die kapitalistische Logik kam mit ihrer Kurzsichtigkeit, ihrem Wettbewerb und ihrer mangelnden Koordination dazwischen.

Nachdem Peter Carlsson sich mit den 200 Millionen Kronen, die er durch den Verkauf seiner Aktien verdient hat, zurückgezogen hat, ist es nun an Tausenden von Mitarbeiter:innen, sich so gut wie möglich durchzuschlagen, und an Staat und Gemeinde, die Hinterlassenschaften des Unternehmergenies zu beseitigen. Genau diese Situation beschreiben Marx und Engels in allgemeiner Form schon im Kommunistischen Manifest.

Peter Carlsson und Northvolt haben nicht als Privatpersonen gehandelt, die sich in der Wirtschaft hauptsächlich um sich selbst kümmern. Northvolt ist nämlich in höchstem Maße ein soziales Produkt, das eine gesellschaftliche Stellung in der Produktion eingenommen hat. Sie haben von Arbeitskräften profitiert, die im Schulsystem der Gesellschaft ausgebildet wurden. Sie wurden von der Gemeinde Skellefteå und dem Staat in jeder Hinsicht unterstützt, in Form von sozialer und technischer Infrastruktur (Straßen, Gesundheitsversorgung usw.) und Entscheidungen, die direkt darauf ausgerichtet waren, Northvolt die Arbeit zu erleichtern. Die Gemeinde Skellefteå hat Northvolt als Eckpfeiler ihrer Zukunftsstrategien betrachtet. Wie Marx und Engels schreiben, hätte Northvolt ohne die gemeinsamen Anstrengungen der gesamten Gesellschaft niemals funktionieren können. Angesichts des hohen Anteils der Arbeitskräfte, die zugewandert und somit außerhalb Schwedens ausgebildet wurden, und angesichts der Fabriken von Northvolt außerhalb Schwedens haben diese Anstrengungen eine internationale Dimension. Northvolt hat sich nicht bedankt, aber dennoch davon profitiert.

Als Northvolt gegründet und aufgebaut wurde, war dies eine Angelegenheit der gesamten Gesellschaft, nicht in der Propaganda, sondern in der Realität. Aber wenn es darum geht, Aktiengewinne zu erzielen, Fehler zu machen und in Konkurs zu gehen, dann ist das ganz und gar die private Angelegenheit des unternehmerischen Genies. Northvolt veranschaulicht, wie ungleich und unvernünftig der Kapitalismus funktioniert.

Northvolt symbolisiert die Unfähigkeit des Kapitalismus

Der Zirkus um Northvolt fasst in vielerlei Hinsicht zusammen, was mit dem Kapitalismus nicht stimmt: Kapitalbesitzer:innen machen Versprechungen, erhalten fürstliche finanzielle und politische Unterstützung von der Gesellschaft, die Marktlogik führt zum Scheitern der Geschäfte, die Arbeiter:innen müssen die Folgen tragen und der oberste Chef belohnt sich selbst mit einem Bad in Geld aus Aktienverkäufen.

Northvolt ist das Unternehmen, das bei der Herstellung von Batterien für Elektroautos eine Vorreiterrolle bei der grünen Wende einnehmen wollte. Nach eigenen Angaben war es jedoch viel komplizierter als gedacht, die schnelle und groß angelegte Produktion von Elektrobatterien aufzunehmen. Um dennoch erfolgreich zu sein, hat das Unternehmen Abstriche bei der Sicherheit gemacht. Den Preis für die Eile der Chef:innen haben verletzte und getötete Arbeiter:innen bezahlt. Sieben Todesfälle in der Fabrik in Skellefteå stehen vermutlich im Zusammenhang mit den mangelhaften Arbeitsbedingungen.

Obwohl die Geschäftsleitung von Northvolt bereit war, buchstäblich über Leichen zu gehen, ist das Unternehmen gescheitert. Das liegt daran, dass der Absatz von Elektroautos nicht so gut gelaufen ist wie vorhergesagt, was zu einer geringeren Nachfrage nach Northvolt-Batterien geführt hat. Darüber hinaus bieten China und Südkorea der europäischen Autoindustrie günstigere Batterien an. Dies sind Faktoren, die mit der Funktionsweise des kapitalistischen Marktes zusammenhängen.

Das Kapital – die Investor:innen – wenden sich bereits von Northvolt ab. Dies bedeutet, dass die Jagd nach Profit Vorrang vor einer koordinierten, geplanten und rationalen Entwicklung weg von der Abhängigkeit vom Öl hat. Es ist also klar, dass eine grüne Wende kein Ziel des Kapitals ist, sondern nur ein Mittel zum Erreichen seines eigentlichen Ziels, nämlich Profit zu machen. Im Kapitalismus sind nicht die Bedürfnisse der Natur, der Menschen und der Gesellschaft von Interesse. Wenn die grüne Wende dem Profitziel im Weg steht, muss sie verschoben werden, zusammen mit der Möglichkeit der Arbeiter:innen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Sowohl das Klima als auch die Situation der Arbeit„nehmer“:innen erfordern, dass die Gesellschaft den Übergang weg von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gemeinsam steuert. Diese Entwicklung ist zu wichtig, um sie inkompetenten Geschäftemacher:innen zu überlassen. Es sind staatliche Investitionen und eine langfristige Planung erforderlich. Deshalb muss Northvolt unter Arbeiterkontrolle verstaatlicht werden.

Northvolt: Fazit der kapitalistischen Industriepolitik der Linkspartei

„Nach meiner Wahl zur Parteivorsitzenden der Linkspartei habe ich die Tour ‚Industriesamtal Sverige‘ (Industriegespräche Schweden) initiiert. Ich war neugierig, wie wir in Zeiten des Klimawandels die Industrie mit den guten Voraussetzungen und dem weltweit führenden Know-how, über das wir verfügen, weiterentwickeln können. Im Frühjahr habe ich zahlreiche Gespräche mit Unternehmensleiter:innen unter anderem von LKAB (Luossavaara-Kiirunavaara Aktiebolag; Bergbau; Red.), SSAB (Verkürzung des früheren Namens Svenskt Stål AB; Stahl; Red.) und Northvolt geführt. Dabei habe ich einen guten Eindruck davon gewonnen, was politisch erforderlich ist, um ernsthaft eine neue Blütezeit für die schwedische Industrie und Beschäftigung zu schaffen.“

Diese Worte stammen von Mehrnoosh „Nooshi“ Dadgostar, die in den letzten Jahren tatsächlich auf unzähligen Bildern zu sehen war, auf denen sie die sicheren Besprechungsräume und Bewirtungsessen in der Stockholmer Innenstadt verlassen hat, um sich mit Industriekapitalist:innen im ganzen Land zu treffen. Denn sie hat vor allem nicht den Arbeiter:innen zugehört, die die Industrie am Laufen halten, sondern den Kapitalist:innen und ihren Ideen und Forderungen.

Das Rezept, das Dadgostar mit nach Hause nahm, war die Fortsetzung der privaten Eigentümerschaft einer „grünen“ Industrie, die auf Profit ausgerichtet ist, mit dem Staat als Stütze und Lieferant von Arbeitskräften und Infrastruktur. Dies, so versprach die Linkspartei in einem Beitrag nach dem anderen, würde „eine neue Blütezeit für die schwedische Industrie und Beschäftigung“ schaffen.

Jetzt können wir alle die kapitalistischen Vorschläge der Linkspartei an der Realität und den Ergebnissen messen. Ein gescheitertes Klimaprojekt, die größte Insolvenz seit langem, drohende Massenentlassungen und Kapitalist:innen an der Spitze, die ungeschoren davonkommen und sogar noch von der ganzen Sache profitieren. Das ist die Politik der Linkspartei in aller Kürze.

Und während des gesamten Zusammenbruchs von Northvolt haben sich die Verantwortlichen des Unternehmens geschickt den Fragen der Medien ent- und aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Um nur einige Ereignisse der letzten Zeit herauszugreifen:

Im April 2024 wird berichtet, dass sich der Absatz verlangsamt. Kommunikationschef Matti Kataja ist jedoch nicht besorgt. Im August desselben Jahres wird über mehrere mysteriöse Todesfälle unter den Mitarbeiter:innen des Unternehmens sowie über nicht gemeldete Arbeits- und Beinaheunfälle berichtet. Unter anderem berichtet Dagens Arbete:

„In letzter Zeit gab es eine ganze Reihe von Meldungen über Mängel im Arbeitsschutz und Unfälle bei Northvolt. Ende letzter Woche wurde ein weiterer Unfall in Skellefteå im Juli bekannt, bei dem ein Mann Verbrennungen erlitt, nachdem er ätzende Chemikalien, darunter Lithium und das Lösungsmittel NMP (N-Methyl-2-pyrrolidon), ins Gesicht bekommen hatte. Obwohl der Unfall von der Polizei untersucht wird, hat Northvolt beschlossen, den Vorfall nicht der Arbeitsschutzbehörde zu melden.

Es wurde entschieden, dass der Vorfall nicht meldepflichtig ist, erklärt Kommunikationschef Matti Kataja. Im September spitzt sich die Krise zu, und die Wirtschaftspresse sucht verzweifelt nach dem CEO, um Antworten zu erhalten:

,Wo ist Peter Carlsson und was macht er?‘ ,Unser CEO leitet das Unternehmen aktiv’, antwortet Kommunikationschef Matti Kataja, ohne die Frage zu beantworten. ,Also, wo ist er?‘ ,Bei der Arbeit‘.“

Im Oktober beginnen die ersten Mitarbeiter:innen, das Unternehmen zu verlassen, und es wird bekannt, dass der Geschäftsführer von Northvolt Ett (Gigafactory bei Skellefteå; Red.) sein Amt mit sofortiger Wirkung niederlegt. Kommunikationschef Kataja „beantwortet keine Fragen dazu, warum Duchesne sein Amt niederlegt oder auf wessen Initiative dies geschieht“, berichtet der Nachrichtensender TT.

Im November gibt es Berichte, dass Northvolt Subunternehmer:innen im Stich lässt. Einer von ihnen spricht mit SvD (Svenska Dagbladet; Zeitung; Red.):

„,Mein Ansprechpartner bei Northvolt sagte, dass es kein Geld geben würde und dass er eigentlich nicht mit uns sprechen dürfe’, sagt Kenneth Stenlund. ,Sie hatten die Anweisung, nicht einmal ans Telefon zu gehen, wenn wir anrufen’.“

Und im selben Monat kommen immer mehr Berichte über die Zustände in der Fabrik. Wie in der Untersuchung der Lokalzeitung Norran:

„,Sie haben mir eine flache Hierarchie versprochen, aber das war nicht der Fall. Es sieht nach einer flachen Hierarchie aus, ist aber eher ethnisch geprägt, und das ist eines der größten Probleme von Northvolt. Es gibt eine starke Polarisierung, und vieles hängt von denjenigen ab, die einstellen. Was auf der Website steht, stimmt nicht. Ja, es gibt über 100 Nationalitäten, aber keine Zusammenarbeit, sagt die Person. Meinungen, die nicht von den Vorgesetzten kamen, wurden als unnötig und unerwünscht angesehen, fährt der Ingenieur fort. Ich habe langjährige Erfahrung in diesem Beruf, aber wenn ich Probleme angesprochen oder Lösungen für den Chef vorgeschlagen habe, wurde das vertuscht.‘

Ein anderer berichtet, dass Probleme eher versteckt als behoben wurden:

,Man sollte keine falschen Meldungen machen, denn das würde schlecht für den Vorgesetzten oder das Team aussehen, und wenn man es trotzdem tat, wurden die Meldungen ohne Maßnahmen geschlossen, damit es besser aussieht’, sagt die Person. Sie meint, dass Probleme nicht behoben werden, wenn die Vorgesetzten selbst nicht der Meinung sind, dass es ein Problem gibt. ,Und das tun sie nur, wenn eine direkte Gefahr für Leben oder Eigentum besteht.‘

Kommunikationschef Kataja winkt die Berichte erneut ab: ,Wir sind ein internationales Unternehmen mit einer großen Vielfalt an Mitarbeiter:innen und Vorgesetzten, und wir sind stolz darauf, dass es uns gelungen ist, führende Expert:innen aus der ganzen Welt für uns zu gewinnen’, gefolgt von weiteren bedeutungslosen Klischees.“

Die Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen. Und wer ist Matti Kataja, der Kommunikationschef, der Überstunden gemacht hat, um alle Probleme zu leugnen und die Freund:innen von Dadgostar in den Führungsetagen von Northvolt bis zum Schluss zu schützen, während sie sich an dem Zusammenbruch bereichert haben? Er hat nicht nur einen Hintergrund bei der PR-Agentur Prime, die dafür bekannt ist, das private Pflegeunternehmen Carema während all seiner Skandale geschützt zu haben, sondern ist auch langjähriges Mitglied der Linkspartei und begann seine Karriere als Pressesprecher von Lars Ohly (Ex-V‑Vorsitzender).

Nun, da Northvolt wie ein Kartenhaus zusammenbricht und die Manager:innen mit den Taschen voller geraubter Gelder aus Skellefteå fliehen, während verletzte, tote und arbeitslose Arbeiter:innen in der Stadt zurückbleiben, sehen einige Mitglieder der Linkspartei eine Chance. So schreibt beispielsweise Jonas Wikström, ehemaliger V‑Abgeordneter im Reichstag, der selbst bei der letzten Reichstagswahl für die Kampagne der Partei gearbeitet hat: „Ich habe keine Ahnung, warum die Linkspartei noch keinen neuen Kommunikationschef hat. Aber jetzt sieht es so aus, als ob einer der besten Kandidaten verfügbar geworden ist: Matti Kataja, Kommunikationschef von Northvolt. Denken Sie daran, wo Sie das zuerst gelesen haben.“

Sollte Kataja den Job doch nicht annehmen wollen, gibt es noch andere Kandidat:innen, wie Jenny Lindahl, die seit 2022 „Direktorin“ bei der PR-Agentur Kreab ist, oder Linda Westerlund Snecker, die direkt aus dem Reichstag in die Rolle der Chef-Lobbyistin bei Rud Pedersen (Berater:innenfirma; Red.) gewechselt ist – mit den Worten der Zeitung ETC (linksliberal): „Lobbygigantin und Eliteagentur ohne Tarifvertrag, die geheimen Unternehmenskund:innen zu Privatisierungen verhilft“ – und die erst kürzlich auf einer Waffenmesse als Lobbyistin der privaten Kriegsindustrie aufgetaucht ist.

Wie Klägget (gemeinnützige Organisation) in seiner Unterschriftenaktion zum Ausschluss von Snecker aus der Linkspartei feststellt, hat sie erklärt, dass sie durch ihren neuen, gut bezahlten Lobbyistenjob hofft, „das Wissen über die V zu erweitern [und] die V zu einer relevanten Akteurin zu machen“ – also für die Kapitalist:innen, nicht für die Arbeiter:innenklasse. Das ist ein vielsagendes Zitat. Während die Linkspartei sich nun darauf vorbereitet, gemeinsam mit der Zentrumspartei zu regieren und eine „Regierungsschule“ einzurichten, sollten wir, wie V‑Spitzenpolitiker Wikström schreibt, uns daran erinnern, wo wir das zuerst gelesen haben und was das Ergebnis für die kapitalistische „Blütezeit der schwedischen Industrie und Beschäftigung“ der Linkspartei war: Die Blütezeit galt nur Kapitalist:innen, von denen das gesamte Projekt von Anfang an ausging, denen, die sich persönlich an dem Projekt bereichern konnten, und ihren gehorsamen Lobbyist:innen wie Kataja. Für die Arbeiter:innenklasse war es keine Blütezeit, es gab keine Industrie und keine Beschäftigung.

Verstaatlichung von Northvolt unter Arbeiter:innenkontrolle

Die Insolvenz von Northvolt verdeutlicht die Notwendigkeit einer Verstaatlichung unter Arbeiter:innenkontrolle. Offensichtlich hat das kapitalistische Eigentumsmodell versagt. Eine Verstaatlichung ist eine Grundvoraussetzung, um für die Gesellschaft wesentliche Aktivitäten vor destruktiven Entscheidungen zu schützen, die von privaten Akteur:innen aus kurzfristigen und egoistischen Gründen getroffen werden. Arbeiter:innenkontrolle ist erforderlich, um denjenigen, die sowohl über die besten Kenntnisse über die Tätigkeit verfügen als auch ein Eigeninteresse an ihrem Funktionieren haben, echten Einfluss zu verschaffen.

Unter der Kontrolle der Arbeit„nehmer“:innen hätte die katastrophale Entwicklung von Northvolt verhindert werden können. Damit hätten die völlig unrealistischen Zeitpläne der Geschäftsleitung vermieden werden können. Als die Manager:innen die Abläufe kontrollierten, wurden viele Dinge als fertig eingestuft, obwohl sie eigentlich nur halb fertig waren, was dazu führte, dass die Arbeit nachträglich wiederholt werden musste. Dies hätte auch vermieden werden können, wenn diejenigen, die wirklich Ahnung von der Produktion haben, entscheiden dürften – die Arbeiter:innen. Alle kapitalistischen (und bürgerlich-staatlichen) Unternehmen scheuen den Einfluss der Arbeiter:innen, ganz zu schweigen von Arbeiter:innenkontrolle. Northvolt ging jedoch noch einen Schritt weiter, indem es ungewöhnlich viele Zwischenebenen von Führungskräften und „Problemlöser:innen“ zwischen der Geschäftsleitung und der Werkstatt einführte, was dazu führte, dass Entscheidungen auf uninformierter Basis getroffen wurden.

Arbeiter:innenkontrolle bedeutet auch, uneingeschränkten Zugang zu den Geschäftsbüchern zu haben. Wenn Northvolt eines zeigt, dann ist es, dass Kapitalist:innen nicht mit dem Geld spielen dürfen. Die Verschwendung und die schlechte wirtschaftliche Planung sind bei Northvolt bereits eine Tatsache. Jetzt geht es darum, die verbleibenden Ressourcen richtig einzusetzen, und hier kommt sie als notwendige Voraussetzung ins Spiel.

Eine Verstaatlichung unter Arbeiter:innenkontrolle wäre eine Schule für die Arbeiter:innen in der Ausübung von Macht und der rationalen Planung von Ressourcen. Der Staat und das Kapital werden dem natürlich nicht freiwillig zustimmen. Der einzige Weg, dies zu erreichen, wären große kollektive Kampfaktionen wie Streiks und Besetzungen der Northvolt-Werke.

Die Beschäftigten von Northvolt sollten die Fabriken besetzen

Die Insolvenz von Northvolt ist ein schwerer Schlag für die Beschäftigten. Wie kann eine Krise dieser Größenordnung bewältigt werden? Welche Ziele und Vorgehensweisen sollten die Arbeiter:innenbewegung und insbesondere die Beschäftigten von Northvolt in dieser Situation verfolgen?

Bereits vor der Insolvenz haben wir argumentiert, dass es naheliegend wäre, Northvolt unter Arbeiter:innenkontrolle zu verstaatlichen . Die kapitalistische Eigentumsform ist unter anderem aufgrund der schlechten Planung und der Raubtiermentalität der Führungsriege um den ehemaligen CEO Peter Carlsson völlig gescheitert. Um sowohl Arbeitsplätze als auch eine sinnvolle Produktion zu gewährleisten, sollte der Staat eingreifen und den Betrieb übernehmen. Um der Misswirtschaft von Politiker:innen und Beamt:innen Grenzen zu setzen, ist Arbeiter:innenkontrolle erforderlich. Das bedeutet, dass die Arbeiter:innen entweder über die lokalen Gewerkschaften oder über gewählte Ausschüsse für diesen Zweck vollständige Einsicht in die Bücher und verschiedene Entscheidungen haben müssen. Bedeutende Entscheidungen des Staates müssen von den Lohnabhängigen durch allgemeine Abstimmungen oder durch ihre gewählten Vertreter:innen genehmigt werden. Lokale Entscheidungen, die den direkten Betrieb betreffen, werden von den Beschäftigten selbst getroffen. Dies ist kein Sozialismus, solange der Staat noch bürgerlich ist, aber es wäre eine erhebliche Veränderung der Kräfteverhältnisse im Klassenkampf und eine konkrete Möglichkeit für die Arbeiter:innenklasse, sich auf eine sozialistische Gesellschaft vorzubereiten.

Derzeit herrscht eine Pattsituation an einem Wendepunkt, an dem die alten Eigentümer:innen in Konkurs gegangen sind, während es keinen neuen gibt und die Fabriken und die Belegschaft intakt sind. Die Gegenseite ist demoralisiert, verwirrt und gespalten, während die Arbeiter:innen technisch gesehen eine geschlossene Kraft darstellen. Damit ist die Lage strategisch günstig für ihre Kampfoffensive bei Northvolt. Objektiv betrachtet ist jetzt der beste Zeitpunkt für die Arbeiter:innen von Northvolt, in Aktion zu treten und ihre Fabriken zu besetzen, sowohl in Schweden als auch in anderen Ländern. Das bedeutet, Vertreter:innen des Staates und der Eigentümer:innen von den Fabrikgeländen zu entfernen. Das bedeutet, so viel Produktion wie möglich weiterlaufen zu lassen. Aber es bedeutet auch, damit zu beginnen, zu prüfen, wie die Produktion umgestellt werden könnte.

Natürlich werden Finanzierung und Betrieb auf lange Sicht ein Problem sein. Es ist utopisch zu glauben, dass eine Gruppe von Arbeiter:innen auf Dauer ein Unternehmen in einer kapitalistischen Welt auf sozialistische Weise führen könnte. Daher wäre die wichtigste Forderung die Verstaatlichung von Northvolt unter Arbeiter:innenkontrolle. Fabrikbesetzungen sind das Mittel, um dies zu erreichen.

Sie mögen natürlich als unrealistische Idee erscheinen. Tatsache ist jedoch, dass sie historisch und international weit verbreitet waren und in mehreren Fällen zu Siegen und Fortschritten für die Arbeiter:innen geführt haben. Ende der 1960er Jahre kam es in Italien zu Fabrikbesetzungen, die zu einer mehrjährigen Streikwelle bis in die 1970er Jahre hinein führten, mit dem Ergebnis, dass die Arbeitszeit verkürzt und die Löhne erhöht wurden.

Es ist offensichtlich, dass es derzeit unter den Beschäftigten von Northvolt keine Stimmung für Fabrikbesetzungen und Arbeiter:innenkontrolle gibt. Aber wir Kommunist:innen sollen nicht bei jeder Gelegenheit ein Spiegelbild der Meinungen der Arbeiter:innen abgeben. Unsere Aufgabe ist es, Ideen zu präsentieren, wie der Kampf weiterentwickelt und gewonnen werden kann. Dazu gehört auch, für Dinge zu argumentieren, die noch keine starke Unterstützung finden, aber richtig sind und die Möglichkeit haben, Unterstützung zu finden, weil sie den Erfordernissen der Situation entsprechen.

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