Arbeiter:innenmacht

Transformation der Industrie: Für den Krieg geht’s dann ganz schnell

Leo Drais, Neue Internationale 291, Mai 2025

Seit Jahren mühen sich linke Gewerkschafter:innen und oppositionelle Betriebsräte sowie Klimaaktivist:innen damit ab, für die deutsche Industrie eine Perspektive jenseits des fossilen Kapitalismus zu zeichnen – gejuckt hat das weder VW, BMW und BASF noch die Regierung.

Als während Corona eine Debatte geführt wurde, wie schnell Industrien, die sowieso wegen der Klimakrise umgebaut werden müssen, sinnvolle Produkte wie Beatmungsgeräte herstellen könnten, wurden diese Ideen nicht nur von Konzernvorständen ignoriert, sondern selbst innerhalb der IG Metall marginalisiert. Nun sollen rund 200.000 Stellen durch die Bewaffnung Europas in Deutschland entstehen. Da ist der Krise der Autoindustrie doch schon mal sozialpartnerschaftlich begegnet.

Kassenklingeln, Kriegsgeheul

Das zeigt: Für Krieg, Panzer und Kanonen, für die sinnlosesten, destruktivsten Produkte der Menschheit, geht die Umstellung der Produktion dann per Handstreich, per Unterschrift irgendwelcher CEOs. Schließlich geht es ja nicht darum, unsere natürlichen Lebensbedingungen zu erhalten, sondern um die deutschen Überlebensbedingungen auf der Bühne des Weltkapitalismus, auf der Trump einen soeben allein zurückgelassen hat. Begleitet wird das Geschehen von Fritze Merz, der selbstgefällig schon so tat, als wäre er der neue Kanzler, aber die Mehrheit des alten Parlaments brauchte, um eine Billion für Krieg und Kapital lockerzumachen. Zwei Jahre vorher hatte er der Ampel noch süffisant grinsend das verfassungsrechtliche Bein gestellt, als diese Teile des Corona-Sondervermögens für den Klimaschutz (der eh keiner war) umwidmen wollte. Damals hatte Merz’ CDU auf diese Weise eine kleine Haushaltskrise losgelöst, natürlich mit dem Verweis auch auf die Schuldenbremse. Heute spielt die keine Rolle mehr, Vaterlandsverteidigung ist Grund genug.

So irrational die Aufrüstung ist, im Kapitalismus folgt sie einer strengen Logik. Es ist die der Neuaufteilung der Welt und zugespitzter Konkurrenz, die von der ökonomischen über die politische früher oder später auf militärischer Ebene eskalieren muss. Und nur, weil sich die deutschen Kriegsziele in Phrasen wie Freiheit, Sicherheit und Wehrhaftigkeit kleiden, sind sie nicht weniger imperialistisch als die Trumps oder Putins und folgen auch hier der Logik des Profits. Ein guter Teil der Merz-Milliarden wird in den Taschen der Aktionär:innen von Rheinmetall, Airbus und KNDS landen. Natürlich tun die Bosse der Kriegsindustrie, so, als ginge es ihnen um die „wehrhafte Demokratie“, Verteidigung „freiheitlicher Werte“. Doch welche Werte meinen sie? Ihre Demokratie sind der Genozid in Gaza, das Lotsen ukrainischer Soldat:innen aufs Schlachtfeld eigener Interessen. Wenn es mit dem Krieg nichts zu verdienen gäbe, dann würden sie nicht in ihn investieren. Und irgendwer muss den Krieg für sie führen, die Manager:innen der Rüstungsschmieden werden ja wohl ihren Hintern nicht dafür herhalten. Den Merz-Kriegskrediten folgt die Pistorius-Wehrpflicht.

Und nein, es dient nicht der „Abschreckung und Verteidigung“. Diese Logik ist nur so lange richtig, bis sie es nicht mehr ist. Je größer das militärische Potenzial, desto größer die Kriegsgefahr, desto verheerender der Krieg. Das galt schon beim Ersten Weltkrieg. Krupp wurde damals vom Konzern zum deutschen Weltkriegskonzern. Die Neuaufteilung der Welt kennt in letzter Konsequenz nur die Gewalt. Alle werden sagen, sie hätten sich nur verteidigt. Wer zuerst schießt, ist nicht die entscheidende Frage, sondern wer welche Interessen verfolgt, sei es als Staat, sei es als Konzern. Und welches Interesse führt denn wohl Rheinmetall im Schilde, wenn es eine Munitionsfabrik in der Ukraine baut, wenn es ein von Alstom von der Schließung bedrohtes Waggonwerk in Görlitz übernehmen will und scheinbar ganz freimütig verkündet, die Hälfte der 700 Beschäftigten übernehmen zu wollen, genauso, wie es 100 niedersächsischen Mitarbeiter:innen von Conti-Bremsen die Übernahme anbietet? Oder wenn die Rheinmetall-Tochter Pierburg in Berlin-Gesundbrunnen, bisher ein Karosseriebauer, auf Rüstung umstellt, so wie eine ganze Reihe Berliner Deep-Tech-Start-ups?

Mitschuldig: die IG-Metall-Bürokratie

Schützenhilfe erhält die Kriegsindustrie von ihrer treuen Sozialpartnerin – der IG Metall: „Keiner will Krieg. Wir alle wollen eine Welt, in der wir ohne Kriegshandlungen auskommen. (…) Wenn wir den Scheiß bauen müssen, dann bauen wir ihn lieber hier in Deutschland“, meinte Jan Otto, Erster Bevollmächtigter und Geschäftsführer der IG Metall Berlin. Ehrlicher kann man seine Ziele nicht präsentieren. Krieg ist doof, aber solange es ihn gibt – nein: solange wir ihn brauchen –, bauen lieber unsere Mitglieder die Waffen. Das galt für die IG Metall aber auch schon, bevor Russland die Ukraine überfallen hat. Ihre Spitzen waren immer Fan der deutschen Panzerschmieden, ihre Betriebsrät:innen und Sekretär:innen hängen an ihrem Geldtropf. Auch sie freuen sich über die Merzmilliarden. Nachdem man Mitte März auf fünf Demos die Regierung um Investitionen angebettelt hat, tut sich endlich was! Die Aufrüstung schafft Jobs, bevor sie Tod und Leid erzeugt – und das ist auch leichter mitzutragen, als für grüne Konversion und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu kämpfen. Am Ende ist die IG Metall nur konsequent. Wer schon zu Friedenszeiten immer und überall die Nähe der Bosse sucht, sich als Co-Manager:in geriert, Standortnationalismus lebt und die deutschen Jobs über die in anderen Ländern stellt, wer in Verbindung zur SPD seit dem Ersten Weltkrieg dem Burgfrieden mit dem deutschen Kapital die Treue hält – tut das natürlich auch im nächsten Krieg. Erneut macht sich der Reformismus in sozialimperialistischer Manier mitschuldig am nächsten Weltenbrand. Denn zu nichts anderem dient die jetzt anlaufende Aufrüstung.

Kein Frieden in Sicht?

Für Menschen, die nicht der scheinbar bestechenden, unausweichlichen Logik der Aufrüstung folgen, herrscht viel Gegenwind. Viele unterstützen die Milliardeninvestitionen in den Krieg und haben sich selbst schon mit dem Ausbruch des Ukrainekrieges ein, zwei Rheinmetall-Aktien gekauft. Die europäische „Freiheit“ und „Demokratie“ müsse doch verteidigt werden, und auf einer Palästina-Demo waren diese Leute scheinbar nie. Die, die gegen den Krieg sind, sind zurzeit eher im Wagenknecht- und Weidel-Lager zu finden, und auch die DKP gehört dazu. Sie stehen jedoch nicht für einen Antimilitarismus, sie wollen dem deutschen Imperialismus einfach ein friedliches gemeinsames Ausbeuten Osteuropas an der Seite des russischen Imperialismus – und seit Neuestem vielleicht auch Trumps – verschaffen. Die SPD und Gewerkschaftsspitzen bilden selbst die Speerspitze der Aufrüstung. Die Linksparteispitzen bewegen sich zwischen einem abstrakten Pazifismus und einem weiteren Aufweichen antimilitaristischer Positionen. Im Bundesrat stimmten sie den Kriegskrediten zu. Das alles wird weder die Aufrüstung noch einen neuen Krieg verhindern. Das Bestechende an der Aufrüstungslogik ist ja das Argument, dass wenn man selbst nicht aufrüstet, der/die andere – z. B. Russland – es ja trotzdem tut.

Nicht alternativlos!

Und genau deshalb gibt es auch nur eine richtige Antwort auf die Aufrüstung: Nämlich die, die sich auf einen internationalistischen Standpunkt stellt, die Aufrüstungspläne als imperialistisch motiviert entlarvt und dem Krieg in allen Ländern das Handwerk legen will. Das ist nichts Abstraktes. Es wirkt im Moment vielleicht weit weg – ein Grund mehr, keine Zeit zu verlieren. Die, die sich jetzt an Protesten wie zum Beispiel gegen die Produktionsumstellung bei Pierburg in Berlin-Gesundbrunnen beteiligen oder sich die Frage stellen: Ist das wirklich so richtig, was in der Linkspartei gerade (nicht) gegen den Krieg getan wird?, laden wir ein, mit uns in die Diskussion zu treten. Sie sind gut beraten, sich die Formel Karl Liebknechts „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ zu eigen zu machen. Immerhin ist doch nach ihm die Linkspartei-Zentrale benannt?!

Die Debatte um Aufrüstung zeigt vor allem eines: Der Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen ist politisch – und es ist Aufgabe von Linken und Revolutionär:innen, eine Perspektive zu entwickeln, die zeigt, dass statt Umstellung auf Kriegsproduktion vorhandene Kapazitäten etwa für den Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs genutzt werden können – ohne eine einzige Entlassung. Wie? Die Antwort liegt auf dem Tisch: Nein zu allen Entlassungen, Umschulung, die von den Unternehmen finanziert wird, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, Enteignung unter Arbeiter:innenkontrolle. Die entscheidende Frage ist: Wie kommen wir dahin?

Um das gegen die eisernen Haubitzenbefürworter:innen durchzusetzen, braucht es eine Bewegung gegen Krieg und Aufrüstung – ein Bündnis von Klimaaktivist:innen, Beschäftigten verschiedenster Sektoren, Gewerkschaften, Linkspartei und auch jenen Sozialdemokrat:innen, die den großkoalitionären Wahn nicht mitmachen wollen. Besser heute als übermorgen – denn die Uhr tickt: nicht nur, um neue Kriegsvorbereitungen zu stoppen, sondern auch, um unsere Lebensgrundlage zu retten. Demonstrationen allein reichen nicht. Es braucht Streiks und Besetzungen – und den Willen, Merz und Co. aus Produktions- wie Parlamentshallen zu treiben. Dazu müssen wir den Kampf gegen Militarismus und Aufrüstung mit dem gegen alle Kürzungen und für Enteignung der Konzerne verbinden, um so eine Konversion hin zu gesellschaftlich sinnvoller Produktion unter Arbeiter:innenkontrolle durchzusetzen.

Bleibt also die Frage: Wie setzen wir in Linkspartei und Gewerkschaften wie der IG Metall wirklich antimilitaristische Positionen durch – und wie kommen wir zur gemeinsamen Aktion? So findet die Kriegsfrage bei Konferenzen wie „Gegenmacht im Gegenwind“ nur am Rande statt, von verbindlichen Beschlüssen oder auch nur einer weitergehenden Vernetzung will man lieber nichts wissen.

Den Punkt müssen wir daher selbst auf die Tagesordnung setzen – und andere überzeugen, dass, wer nicht im Bombenhagel oder seinen Folgen untergehen will (Kriege werden trotz aller grünen Bemühungen auch in Zukunft nicht klimafreundlich), jetzt für den Aufbau einer internationalen Bewegung kämpfen muss, die bereit ist, den eigenen Regierungen in den Rücken zu fallen. Mehr noch: Es braucht eine straffe Organisation – eine neue Internationale. Andernfalls bleibt die Verteidigungslogik dominant – bis sie uns aufs Schlachtfeld führt.

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