Arbeiter:innenmacht

Nein zu Reallohnverlust, 27 Monaten Laufzeit und Einstieg in die 42-Stunden-Woche!

Bild: Simon Zamora Martin, https://www.klassegegenklasse.org/

Mattis Molde, Infomail 1279, 3. April 2025

Die Schlichter im Tarifkonflikt um den TVÖD haben eine Empfehlung ausgesprochen. ZuRecht kritisieren das ver.di-Netzwerk und die VKG (Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften) dieses Ergebnis und fordern seine Ablehnung.

Die Schlichtungsempfehlung sieht vor:

  • Laufzeit von 27 Monaten.
  • Ab 1.4.2025 drei Prozent mehr Geld, mindestens 110 Euro.
  • Ab Mai 2026 plus 2,8 Prozent.
  • Auszubildende und dual Studierende jeweils Erhöhung um 75 Euro.
  • Ab 2027 ein zusätzlicher freier Tag für alle.
  • Ab 1. Juli 2026 Anhebung von Schicht- und Wechselschichtzulage auf 100 bzw. 200 Euro und ab 2027 Dynamisierung entsprechend der Tarifsteigerungen.
  • Ab 2026 Anhebung der Jahressonderzahlung und Möglichkeit, diese in drei freie Tage umzuwandeln. Ausgenommen davon: Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen.
  • Ab 2026 im Rahmen einer „doppelten Freiwilligkeit“ Möglichkeit einer befristeten Arbeitszeitverlängerung auf eine 42-Stunden-Woche.

Im Gegensatz dazu die ver.di-Forderungen:

  • 8 Prozent, mindestens 350 Euro im Volumen.
  • 200 Euro für dual Studierende bzw. Auszubildende.
  • Drei freie Tage und ein weiterer für Gewerkschaftsmitglieder.
  • All das bei einer Laufzeit von 12 Monaten.

Schönreden

Ver.di und die anderen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst werden einmal mehr nicht müde, das Ergebnis schönzureden. Hier erscheint die Laufzeit von 27 Monaten noch als Quasi-Erfolg, hatten doch die sog. Arbeitgeber:innen 36 Monate gefordert. Natürlich drohen angesichts möglicher Preissteigerungen – beispielsweise infolge eines Handelskrieges mit den USA – erneut Reallohnverluste. Und natürlich müssen die Entgelterhöhungen selbst auf eine Jahresrate berechnet werden und es darf nicht suggeriert werden, dass die Einkommen doch um 5,8 % steigen würden.

Rund 3 Prozent Lohnerhöhung für das Jahr 2025 würden möglicherweise gerade mal die Inflation ausgleichen. Aber die höheren Krankenkassen- und Sozialversicherungsbeiträge kommen obendrauf – also gibt es netto weniger.

Dieser Schlichtungsempfehlung darf auch aus diesem Grund nicht zugestimmt werden!

Natürlich verkaufen die Schlichter Koch und Lühr die Empfehlung als „gerecht“. So heißt es in einer Pressemitteilung der Schlichter: „Sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerseite haben zur Vermeidung eines Arbeitskampfes erhebliche Zugeständnisse in Kauf nehmen müssen. … Aber jetzt muss in den kommenden zwei Jahren niemand mehr Einschränkungen durch Arbeitskämpfe im bei Weitem größten Tarifbereich Deutschlands befürchten.“

Dies liest sich so, als hätten die Gewerkschaften schon vor der Verhandlung am 5. April zugestimmt. Zweifellos ist die Befürchtung berechtigt, dass die Tarifkommissionen und die Gewerkschaftsspitze auf den Vorschlag eingehen, evtl. um einige kleine Verbesserungen korrigiert, um diesen dann als „schmerzlichen“, aber umso härter errungenen Kompromiss zu präsentieren. Wieder einmal droht eine Niederlage, als Erfolg verkauft zu werden.

Politisches Diktat

Aber warum handelt die ver.di-Führung so? Die harte Linie der Arbeit„geber“:innen-Seite sowie der Schlichter hat eine politische Ursache, es liegt nicht an der Biografie eines Roland Koch oder eines Hans-Henning Lührs. Es sind die massive Aufrüstung der Bundeswehr zur Kriegsvorbereitung und die zunehmenden Konflikte zwischen den Großmächten USA, China, Russland und EU, die ihre Ursache in einer tiefen Krise des ganzen kapitalistischen Systems haben.

Es ist eben nicht so, dass „genug Geld da ist, nur falsch verteilt“. Dies übersieht, dass die internationale Lage tatsächlich eine der verschärften Konkurrenz ist. Es geht nicht darum, einfach weiter Gewinn zu machen, sondern eigene Marktanteile und Profite hochzuhalten, um die anderen aus dem Feld zu schlagen. Und dabei stellen staatliche Ausgaben – so wichtig sie auch für das Gesamtkapital sein mögen – vom Standpunkt des Einzelkapitals einen Abzug vom Profit dar. Und diesem Interesse ist der Staat verpflichtet und nicht einem scheinbar über den Klassen stehenden „Gemeinwohl“, wie die Gewerkschaftsführungen behaupten. Daher muss jeder Staat die Kosten gering halten – und das erst recht, wenn gigantische Mittel in die Aufrüstung fließen, um die Interessen des Gesamtkapitals auch gegen die imperialistische Konkurrenz durchsetzen zu können.

Genau deswegen stellen auch die staatstragenden Parteien erneut das Streikrecht in Frage und greifen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit an. Niemand soll ihnen im Kampf um Profite und Macht in die Quere kommen.

Wo steht die ver.di-Führung?

Nachdem noch der alte Bundestag Sondervermögen beschlossen und die Schuldenbremse gelockert hat, erklärt Frank Werneke, was alles Gutes mit diesem Geld getan werden sollte:

„Nach Jahren des Kaputtsparens gibt es nun leider viele Baustellen parallel.“ Priorität muss haben, was dem Zusammenhalt und der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft dient. Für ver.di stehen deshalb Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge, die Klimatransformation und die Energieversorgung ganz oben auf der Liste.

Priorität hat für uns als ver.di die kommunale Ebene. Aus meiner Sicht müssen mindestens 200 Milliarden Euro der geplanten 500 Milliarden Euro den Städten und Gemeinden zukommen. Kitas, Schulen, öffentliche Gebäude, Verkehrswege, der Ausbau des ÖPNV – da sind die Investitionsbedarfe mit den Händen zu greifen. … Die Länder müssen den Investitionsstau im Bereich Krankenhäuser und Hochschulen angehen …“.

Deshalb begrüßt er auch die Bundestagsbeschlüsse: „Ich bin erleichtert, dass sich auf unseren jahrelangen Druck hin nun endlich die Einsicht in das Notwendige auch politisch durchsetzt. … Ein solches Sondervermögen ist eine echte Chance dafür, den Investitionsstau in unserem Land aufzulösen.“

Nur leider sind diese finanzpolitischen Maßnahmen mitnichten dazu da, um die von Werneke geforderten Dinge zu tun. Vielmehr soll das größte Aufrüstungsprogramm seit 1945 finanziert werden und Milliarden sollen für die Erneuerung des deutschen Gesamtkapitals fließen, damit die Konzerne fit gemacht sind für die globale Konkurrenz.

Natürlich kleben die zukünftigen Regierungsparteien ein paar Bonbons auf ihr Horrorpaket, aber wo was letztlich ankommt und in welche Infrastruktur investiert wird, ist offen. Sicher ist, dass es ohne dieses Aufrüstungspaket viel mehr Geld für Soziales und Infrastruktur geben würde als mit ihm, dass die Investition in Krieg die in die Zerstörung von Infrastruktur bedeutet und die beiden Koalitionsparteien auch im Land Berlin regieren und dort einen Haushalt verabschiedet haben, der genau dort spart, wo ver.di es am schlimmsten findet: öffentlicher Nahverkehr, Soziales und Kultur.

Gewerkschaftlicher Widerstand und politischer Kampf

Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle redet also schon mal die Schlichtungsempfehlung schön, Werneke das Aufrüstungsprogramm. Es sind zwei Seiten derselben Medaille, mit der dieser Tarifkampf ausverkauft wird.

Die gerade im Bundestag beschlossene Billion für Aufrüstung, Kriegstüchtigkeit und Kapital verdeutlicht, wessen Klasseninteressen Bund, Länder und Kommunen verpflichtet sind. Während Milliarden für ein Konjunkturprogramm im Interesse des deutschen Kapitals, der Rüstung und des deutschen Imperialismus lockergemacht werden, müsste auch bei den Tarifverhandlungen klargemacht werden, wer die Rechnung dafür zahlt. Wir müssen daher auch die Mär der Gewerkschaftsbürokrat:innen zurückweisen, dass Beschäftigte und die öffentlichen Arbeit„geber“:innen eigentlich im selben Boot sitzen würden. Tun wir offenkundig nicht. Und dass die Verhandlungsführungen von ver.di und Co. dabei durch mehr sozialpartnerschaftliche Rührseligkeit auffallen als ihre Gegenparts, verdeutlicht einmal mehr die politische Harmlosigkeit der Gewerkschaften unter dieser Führung.

Wir müssen uns in den Betrieben, Krankenhäusern und Kitas gegen die Schlichtung bzw. die Annahme des Ergebnisses wehren und dafür kämpfen, dass Erstere aufgekündigt wird. Um unsere Forderungen voll durchzusetzen, braucht es einen bundesweiten Erzwingungsstreik! Nur durch diesen können wir genug Druck ausüben und die andere Seite in die Knie zwingen. Dazu braucht es die Einleitung einer Urabstimmung. Bei diesen Forderungen werden wir auch innerhalb von ver.di auf Widerstand stoßen – doch lasst uns davon nicht abhalten und gemeinsam mit kämpferischen Kolleg:innen weiter für die volle Durchsetzung kämpfen! Daher sollten Vollversammlungen organisiert werden, wo der Kurs auf den Vollstreik diskutiert und beschlossen wird, wo Streikleitungen gewählt werden, die der Basis direkt verantwortlich und von dieser abwählbar sind.

Und dieser Kampf muss damit verbunden werden, gegen die Unterwerfung der Gewerkschaft unter die Ziele der Regierung zu kämpfen. Es braucht nicht nur eine Diskussion über die tariflichen Ziele und darüber, wie wir sie erreichen können, in den Betrieben und Gremien, sondern auch über die politischen Hindernisse. Am Ende der Debatte werden nur diejenigen aus der „bedeutenden Anzahl von entschlossenen aktiven ver.di-Mitgliedern“, die gegen Aufrüstung und Krieg sind, auch gegen die Argumente der Führung standhalten.

Die Lage ist nicht einfach, da eine Mehrheit in der Bevölkerung für diese Aufrüstung ist, also wohl auch in ver.di. Aber es ist ein Irrtum zu glauben, dass man diesen politischen Kampf umgehen kann oder dass die Kolleg:innen über den Kampf für ihre tariflichen Forderungen zu einer Änderung ihrer politischen Einstellung kommen. Im Gegenteil: Eine Kraft in ver.di und den anderen Gewerkschaften, die erklären kann, warum und wie die Führungsschicht in der Gewerkschaft die gewerkschaftlichen Ziele den Interessen des Staates und der Kapitalist:innen unterordnet, ist der wichtigste Hebel, damit Tarifkämpfe auch wieder gewonnen werden können.

Dafür gilt es jetzt, Kolleg:innen zu gewinnen, sie in aktiven Betriebsgruppen zu organisieren und die VKG zu vernetzen.

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