Workers Power Britannien, Infomail 1269, 18. November 2024
Der folgende Artikel ist Teil der Broschüre „Red is the new green“, veröffentlicht von unserer britischen Sektion Workers Power. Wir veröffentlichen ihn aus Anlass der Weltklimakonferenz in Baku (COP 29). In weiteren Beiträgen werden wir uns mit den Ergebnissen der Konferenz beschäftigen.
Die kapitalistische Produktionsweise ist nicht die erste, die sich nachteilig auf die Natur und das so genannte „natürliche Gleichgewicht“ ausgewirkt hat. Jede Vorstellung oder Idee, dass die Menschheit einst eine „wirklich harmonische“ Beziehung zur Natur hatte, die dann zerstört wurde, ist reine Illusion.
Menschliche Gesellschaften haben schon immer in die Natur eingegriffen – und mussten in sie eingreifen –, und die Natur selbst war schon immer in einem Prozess der Veränderung. Der ständige Wandel, der Austausch von Materie, einschließlich der ständigen Evolution von Pflanzen und Tieren, ist die eigentliche Konstante in der Geschichte der Natur. Alle Arten mussten und müssen sich daran anpassen und damit zurechtkommen. Was den Menschen von allen anderen Arten unterscheidet, ist, dass die Beziehung zwischen Mensch und Natur durch soziale Arbeit vermittelt wird.
Sie war in den ersten Jahrtausenden unserer Vorfahren sicherlich sehr begrenzt, aber sie leitete einen Prozess der sozialen Evolution ein, der das kollektive Wissen der menschlichen Gesellschaft über die Bedingungen ihrer natürlichen Entwicklung, die Bewegungsgesetze der Natur und darüber, wie wir die Welt um uns herum zielgerichtet anpassen und verändern können, erweiterte. Eine Reihe von technischen und technologischen Eingriffen in die Natur ermöglichte es der Menschheit, sich auf der Grundlage eines Prozesses der sozialen Arbeit auf eine komplexere Ebene zu entwickeln. Die Entstehung aufeinanderfolgender Zivilisationen war nur auf diese Weise möglich.
Unterschiedliche Produktionsweisen führten nicht nur dazu, dass die Landwirtschaft einen beträchtlichen Überschuss produzierte, der über den unmittelbaren Verbrauch hinausging, sondern auch dazu, dass sich soziale Klassen bildeten, die sich einen unverhältnismäßig großen Teil dieses Überschusses aneigneten, während andere daran arbeiteten, ihn zu erzeugen. In diesen frühen Klassengesellschaften führten die Gegensätze zwischen Aneigner:innen und Direktproduzent:innen sowohl zu Klassenkämpfen als auch zu Kämpfen zwischen Gemeinschaften, d. h. zu Kriegen. Die eingesetzten Technologien führten auch zu Spannungen zwischen diesen Gesellschaften und ihrer natürlichen Umwelt, was häufig zum Zusammenbruch von Stadtstaaten und sogar Imperien beitrug.
Die ökologische Krise unserer eigenen Produktionsweise, des Kapitalismus, hat die Aufmerksamkeit der Historiker:innen auf die Rolle gelenkt, die Umweltbelastungen bei den Krisen vergangener Zivilisationen im alten Europa, China, Südostasien und Mittelamerika gespielt haben. Manchmal verschwanden ganze Zivilisationen und hinterließen nur ihre monumentalen Bauwerke, wie die der Maya und die der Erbauer:innen von Angkor Wat (im heutigen Kambodscha).
Solange die Menschheit sich um ihre Lebensgrundlagen bemüht hat, hat sie ihre natürliche Umwelt gestört, verändert und auf verschiedene Weise zerstört. Bis zum 19. Jahrhundert blieben diese Störungen jedoch auf Länder oder größere Regionen beschränkt und betrafen nicht den Planeten als Ganzen. Mit dem kapitalistischen Zeitalter, das um das 16. Jahrhundert herum begann, brachten die Verbindungen zwischen bis dahin isolierten Kontinenten nicht nur unvorhersehbare, sondern auch gewollte Folgen mit sich. Aus der Neuen Welt kamen nicht nur Gold und neue Gemüsesorten, aus der anderen Richtung Stahlwaffen und Pferde, sondern auch neue Krankheiten, die ganze Bevölkerungen auslöschten.
Technologische Entwicklungen, von der Nutzung des Feuers bis zur Entdeckung der Kernspaltung, haben die Fähigkeit der Menschheit verbessert, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und gleichzeitig ihre Fähigkeit erhöht, sich selbst und ihrer Umwelt zu schaden. Alle Formen von Klassenherrschaft und Ausbeutung in der Gesellschaft behinderten und verhinderten, dass das volle Potenzial des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts der gesamten Menschheit zugutekam. Die Gesellschaft, die so organisiert ist, dass sie einen Überschuss an Reichtum für einige wenige und Armut für viele schafft, war nicht in der Lage, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im Streben nach diesem Reichtum zu verhindern. Der Kapitalismus mit seinem massiven Abbau von fossilen Brennstoffen, Metallen, Chemikalien und Baumaterialien hat zu Veränderungen geführt, die sich kollektiv auf die Ökosysteme auf globaler Ebene auswirken.
Das Zeitalter des Imperialismus, die weltweite Ausbreitung des Kapitalismus ab dem 19. Jahrhundert, brachte eine intensive wirtschaftliche und handelspolitische Rivalität zwischen den sogenannten Großmächten mit sich. Dies führte zu zwei Weltkriegen und zahllosen regionalen Konflikten, Kriege, die die zerstörerischen Merkmale des Kapitalismus qualitativ verstärkten und gleichzeitig neue Produktivkräfte in großem Umfang freisetzten. Während des langen Wirtschaftsbooms nach dem Zweiten Weltkrieg wurden neue Produktionstechnologien eingeführt und neue Anforderungen an Landwirtschaft und Rohstoffe gestellt. In den 1970er Jahren begannen Wissenschaftler:innen, Veränderungen des Klimas und der Ökosysteme in globalem Maßstab zu beobachten.
Politiker:innen, Journalist:innen und Wissenschaftler:innen sprechen heute angesichts der drohenden Umweltkatastrophe in den kommenden Jahrzehnten alle vom Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Nur wenige von ihnen sind sich bewusst, dass dies in einem kapitalistischen System unmöglich ist. Die Ursache dafür liegt in dem Streben nach Kapitalakkumulation. Jede/r einzelne Kapitalist:in, wie auch das gesamte System, ist durch den Wettbewerb gezwungen, diese Akkumulation ständig zu steigern, ungeachtet der Auswirkungen auf Natur und Menschheit.
John Bellamy Foster, Brett Clark und Richard York beschreiben in „ Der ökologische Bruch. Der Krieg des Kapitals gegen den Planeten“ (LAIKA-Verlag, Hamburg 2011) diesen Imperativ als „Tretmühle der Akkumulation“. In der vorherrschenden kapitalistischen Terminologie wird dies einfach als „Wachstum“ oder „Wirtschaftswachstum“ bezeichnet. Dahinter steht nicht der verrückte Wunsch aller Menschen, sich immer mehr Dinge anzueignen, oder die wachsende Zahl unserer Spezies. Hinter solchen Behauptungen verbirgt sich die bewusste Verwechslung von Gebrauchswert (Gegenstände oder Dienstleistungen, die den Menschen zugutekommen) und Tauschwert (der auf dem Arbeitsaufwand basiert, der zur Herstellung einer Ware erforderlich ist, und am einfachsten als ihr Geldpreis zu verstehen ist) im Kapitalismus.
Der Kapitalismus ist eine Produktionsweise, die auf einer verallgemeinerten Warenproduktion beruht, was bedeutet, dass die Waren für den Verkauf und nicht für den unmittelbaren Verbrauch durch die Produzent:innen produziert werden. Obwohl alle Waren für jemanden einen Gebrauchswert haben müssen, sonst würden sie nicht verkauft werden, ist der Zweck der Produktion nicht die Befriedigung von Bedürfnissen, sondern die Erzielung von Profit. Dieser Gesamtgewinn entspricht letztlich der Differenz zwischen der Summe der Preise, die die Ware erzielen können, und der Gesamtsumme der Löhne und Produktionsmittel, die für ihre Herstellung gezahlt werden müssen.
Die Natur geht nur insoweit als „Kosten“ in die Bestimmung des Tauschwerts ein, als menschliche Arbeit notwendig ist, um sie nutzbar zu machen, z. B. die zur Gewinnung eines Rohstoffs erforderliche. Im Kapitalismus ist die von der menschlichen Arbeit unabhängige Natur als Quelle des Tauschwerts ausgeschlossen.
Für das Kapital ist der Zweck der Produktion das, was Marx die „Selbstvermehrung“ des investierten Anfangskapitals nennt, was als „Prozess der Wertbildung“ bezeichnet wird. Dies bestimmt die Art der Entwicklung der Produktivkräfte im Kapitalismus. Produktivitätsfortschritt bedeutet aus der Sicht einer/s Kapitalist:in, dass er/sie für die gleiche Produktionsmenge weniger Arbeit einsetzen muss als ihre/seine Konkurrent:innen. Dadurch kann er/sie sich entweder einen größeren Anteil des gesellschaftlich produzierten Mehrwerts zu konstanten Preisen aneignen (Wertverschiebung hin zu produktiverem Kapital) oder den/die Konkurrent:in durch niedrigere Preise aus dem Markt drängen (erhöhte Kapitalkonzentration).
Eine Produktivitätssteigerung wird jedoch in der Regel durch den Einsatz anspruchsvollerer Maschinen oder ausgefeilterer Technologie erreicht. Die höheren Kosten führen jedoch dazu, dass der Anteil des in Arbeit investierten Kapitals sinkt. Die Kosten für Maschinen und andere Dinge müssen auf den Endpreis des Produkts umgelegt werden, da die lebendige Arbeit die Quelle des Mehrwerts ist und der Gewinn, ausgedrückt als Anteil des gesamten investierten Kapitals, im Laufe der Zeit tendenziell sinkt. Jede/r Kapitalist:in ist daher gezwungen, ständig zu versuchen, die Produktion auszuweiten, um dies zu kompensieren. Die allgemeine Folge davon ist, dass immer mehr Kapital akkumuliert wird. Marx beschreibt dies anschaulich im ersten Teil des Kapitals:
„Akkumuliert, akkumuliert! Das ist Moses und die Propheten. ,Die Industrie liefert das Material, welches die Sparsamkeit akkumuliert.‘“ (Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band, Buch I: Der Produktionsprozeß des Kapitals; in: MEW Band 23, Berlin/DDR 1971, S. 618) Mit anderen Worten: Sparen, sparen, d. h. möglichst viel des Mehrwerts oder des Überschussprodukts wieder in Kapital umwandeln! Akkumulieren um der Akkumulation willen, produzieren um der Produktion willen – auf diese Formel brachte die klassische Ökonomie die historische Aufgabe der Bourgeoisie. Sie machte sich keine Illusionen über die Geburtswehen des Reichtums, aber was nützt es, über eine historische Notwendigkeit zu klagen?
Wenn die klassische Ökonomie den/die Proletarier:in nur als Maschine für die Produktion von Mehrwert betrachtet, so betrachtet sie den/die Kapitalist:in nur als Maschine für die Verwandlung dieses Werts in Kapital.
Für Marx ist der/die Kapitalist:in also kein böses Individuum, wie es in der Figur des Mister Gradgrind in Charles Dickens‘ „Hard Times“ dargestellt wird, das von persönlicher Gier zur Ausbeutung der/s Arbeiter:in und zur Ausplünderung der Natur getrieben wird: Der/Die Kapitalist:in ist lediglich das personifizierte Kapital, das im Produktionsprozess nur als Träger:in des Kapitals auftritt. (Siehe a. a. O., S. 168, 247)
Dass die sinkende Profitrate eine Tendenz ist und nicht eine dauerhafte und unvermittelte Folge von größeren Kapitalinvestitionen, die zu einem raschen Zusammenbruch des Systems führen würden, ergibt sich aus dem, was Marx als das Wirken von „gegenläufigen Tendenzen“ bezeichnete, die dieser Haupttendenz entgegenwirken. Dazu gehören die Tendenz zur Konzentration des Kapitals durch den Kauf von Unternehmen und die Erschließung billiger Finanzierungsquellen wie Aktienkapital, die Intensivierung des Arbeitsprozesses und Einsparungen bei Energie und Rohstoffen. Dies treibt das Kapital dazu, die Umweltressourcen so billig wie möglich auszubeuten und die langfristigen Kosten der Umweltzerstörung auf die in den geschädigten Gebieten lebende Bevölkerung und nun auf die Bevölkerung des gesamten Planeten abzuwälzen.
Das Kapital wird dazu getrieben, die Produktion in Gebieten anzusiedeln, in denen die Arbeit billiger ist. In ähnlicher Weise sucht es nach Rohstoffen, bei denen nicht nur die Arbeitskosten für die Gewinnung billiger sind, sondern auch der Schutz der Umwelt und Arbeiter:innen geringer ist. Dies ist ebenso wie die Ausfuhr minderwertiger oder unsicherer Produkte, die auf dem heimischen Markt verboten sind, Teil des Herrschafts- und Ausbeutungssystems, das Marxist:innen Imperialismus nennen.
Im Kapitalismus erscheint die Natur nur als Ressource zur Kapitalvermehrung, als notwendige Variable im Akkumulationsprozess. In der klassischen bürgerlichen wie auch in der neoklassischen Ökonomie, werden natürliche Ressourcen und Senken als „kostenlose Geschenke“ angenommen, die ausgebeutet werden können (Foster et al. 2011, S. 53 ff.). Auch Marx ist oft vorgeworfen worden, mit seiner ökonomischen Theorie den Wert einer Ware allein auf die in ihr enthaltene menschliche Arbeit zu reduzieren und damit die ökologische Basis der Wirtschaft zu ignorieren. Foster et al. (ebda.) haben gezeigt, dass dieser Vorwurf auf einer Vermengung von Wert und Reichtum beruht, die in der bürgerlichen Ökonomie als Synonyme verwendet werden. Dies ist bei Marx jedoch nicht der Fall:
Der Mensch kann in seiner Produktion nicht anders handeln als die Natur selbst, d. h. er kann nur die Formen der Natur verändern. Und mehr noch. Bei der Arbeit der Umwandlung selbst wird er ständig von den Kräften der Natur unterstützt. Die Arbeit ist also nicht die einzige Quelle der durch die Arbeit produzierten Gebrauchswerte, des materiellen Reichtums: „Die Arbeit ist sein Vater, wie William Petty sagt, und die Erde seine Mutter“ (Kapital, Band I, a. a. O., S. 58).
In diesem Sinne griff Marx 1875 in seiner Kritik des Gothaer Programms der deutschen Sozialdemokratie gleich dessen ersten Satz an:
„Die Arbeit ist nicht die Quelle alles Reichtums. Die Natur ist ebensosehr die Quelle der Gebrauchswerte (und aus solchen besteht doch wohl der sachliche Reichtum!) als die Arbeit, die selbst nur die Äußerung einer Naturkraft ist, der menschlichen Arbeitskraft. (Karl Marx: Kritik des Gothaer Programms. Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei, in: MEW Band 19, Berlin/DDR 1974, S.15)
Marx, inspiriert durch die Arbeiten des deutschen Chemikers Justus von Liebig, hatte bereits erkannt, dass die kapitalistische Landwirtschaft nicht nachhaltig ist:
„Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika, z. B. von der großen Industrie als dem Hintergrund seiner Entwicklung ausgeht, desto rascher dieser Zerstörungsprozeß. Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter. (Kapital, Band I, a. a. O., S 529 f.)
In früheren Gesellschaften wurden die Nährstoffe aus der Landwirtschaft weitgehend in den Boden zurückgeführt. Im Kapitalismus ist jedoch ein „Riss“ in diesem Kreislauf entstanden:
„Auf der anderen Seite reduziert das große Grundeigentum die agrikole Bevölkerung auf ein beständig sinkendes Minimum und setzt ihr eine beständig wachsende, in großen Städten zusammengedrängte Industriebevölkerung entgegen; es erzeugt dadurch Bedingungen, die einen unheilbaren Riß hervorrufen in dem Zusammenhang des gesellschaftlichen und durch die Naturgesetze des Lebens vorgeschriebnen Stoffwechsels, infolge wovon die Bodenkraft verschleudert und diese Verschleuderung durch den Handel weit über die Grenzen des eignen Landes hinausgetragen wird.“ (Karl Marx, Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Dritter Band, Buch III: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion, in: MEW Band 25, Berlin/DDR 1969, S. 821 f.)
Der zunehmenden Erschöpfung der Böden und dem Verlust ihrer Fruchtbarkeit wurde mit der Erfindung des Kunstdüngers im Haber-Bosch-Verfahren (der Synthese von Ammoniak als Rohstoff) begegnet, die die Ära der Expansion der kapitalistischen Landwirtschaft einläutete. Viele Kritiker:innen aus der Neoklassik haben argumentiert, dass das Argument des „unheilbaren Risses“ in der Landwirtschaft überholt sei. Die Realität hat diese inzwischen eingeholt.
Die industrialisierte Landwirtschaft hat zwar kurz- und mittelfristig Produktionssteigerungen gebracht, führt aber längerfristig zu enormen ökologischen und sozialen Problemen. Diese entstehen durch die ständige Eutrophierung der Böden durch Industriedünger und die Konzentration von tierischen Exkrementen in großen Industriebetrieben, den immer stärkeren Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und von Antibiotika in der Tierhaltung sowie durch die Treibhausgasemissionen, die durch die Produktion von Industriedüngern entstehen.
Der Verlust fruchtbarer Böden ist heute in vielen Teilen der Welt ein zunehmendes Problem. Foster et al. (2011, S. 76 ff.) argumentieren, dass der „Riss“ in der landwirtschaftlichen Nahrungskette nicht überbrückt, sondern eher verschoben wurde – in diesem Fall durch die Massentierhaltung und die daraus resultierende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die zur Herstellung von Düngemitteln erforderlich sind.
Sie weisen auch darauf hin, dass dieses Prinzip nicht nur für die Landwirtschaft, sondern für die gesamte kapitalistische Produktionsweise gilt, und sprechen in Anlehnung an Marx von einer ökologischen Kluft im Kapitalismus. Die Logik des Kapitals und die ständige Konkurrenz und Expansion „führen zu einer Reihe von Rissen und Verschiebungen, bei denen ständig Risse im Stoffwechsel entstehen und auf eine Verschiebung in andere Risse treffen – typischerweise erst dann, wenn sie das Ausmaß einer Krise erreicht haben.“
Auch Marx‘ lebenslanger Mitarbeiter Friedrich Engels wies in verschiedenen Werken auf die zerstörerischen Auswirkungen auf die natürliche Umwelt hin. Er war weit davon entfernt, ein ungezügelter „Produktivist“ und Industrieller zu sein, wie viele grüne Kritiker:innen über ihn und Marx behaupten. In „Dialektik der Natur“ schreibt Engels:
„Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben.“ (Friedrich Engels, Die Dialektik der Natur, in: MEW Band 20 Berlin/DDR 1962, S. 452 f.)
Er fährt fort:
„Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsere ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.“ (Dialektik der Natur, a. a. O., S. 453)
Die Fähigkeit der Menschheit, die Naturgesetze zu erlernen und anzuwenden, um unbeabsichtigte Folgen zu vermeiden, steht nicht im Gegensatz zum technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, sondern ist von diesem abhängig. Marxist:innen erkennen an, dass der gleiche Fortschritt, der diese Folgen hervorbringt, auch die Mittel schafft, sie zu verstehen und zu überwinden.
Es ist nicht der technologische und wissenschaftliche Fortschritt an sich, der die Menschheit bedroht, sondern die Unfähigkeit der Klassengesellschaft, ihn zu nutzen, um die wirklichen Bedürfnisse – gesunde Nahrung, Medikamente, Bildung und Kultur – der gesamten Menschheit zu befriedigen. In einer Wirtschaft ohne Wachstum wäre die Menschheit nicht in der Lage, technologische und wissenschaftliche Arbeit einzusetzen, um diese und Tausende andere Herausforderungen zu bewältigen, die davon zeugen, dass der Mensch mit der Umwelt in einer sich ständig verändernden und weiterentwickelnden Weise interagiert.
Marx und Engels lehnten weder die Industrialisierung, die der Kapitalismus hervorgebracht hatte, noch die Entwicklung der Landwirtschaft zur Ernährung einer immer größeren Zahl von Menschen ab. Sie lehnten jedoch die Tagträume der Romantiker:innen von der „Rückkehr zur Natur“ ab, die in der Regel aus den werktätigen Klassen stammten, für die die Landschaft durchstreift und bewundert werden sollte, ohne dass möglichst viele Menschen die Aussicht stören. Die realen Lebensbedingungen, unter denen Landarbeiter:innen, Bäuer:innen oder indigene Völker heute leben, sind alles andere als idyllisch, und sie waren es auch nie.
Wir müssen über den Kapitalismus hinausgehen, nicht vor ihm zurückweichen. So wie der Kapitalismus den Boden erodiert und ausgelaugt und den/die Arbeiter:in erschöpft hat, so hat er auch die wesentlichen menschlichen Fähigkeiten und technologischen Bedingungen geschaffen, um die Klassengesellschaft selbst auszulöschen. Während der Imperialismus die Menschheit mit dem Aussterben und die Erde mit einer ökologischen Katastrophe bedroht, hat er die Mittel geschaffen, um beides zu verhindern. Diese Mittel sind das gemeinsame Eigentum an den Produktionsmitteln, den Fabriken, den Bauernhöfen, den Büros und den Banken sowie die Einführung einer rationalen, demokratischen Planung zur Befriedigung der Bedürfnisse.
Eine solche Planung im Weltmaßstab könnte die Folgen von Erfindungen systematisch vorhersehen und ihnen entgegenwirken. Sie könnte bestehende und künftige Technologien nutzen, um entwürdigende, geisttötende Arbeit, die die Gesundheit der Arbeiter:innen untergräbt, zu beenden, den Klimawandel aufzuhalten und umzukehren, die Wälder und die biologische Vielfalt, die Fruchtbarkeit der Böden wiederherzustellen usw. Sie könnte die Polarisierung zwischen Stadt und Land überwinden, die erstmals im Kommunistischen Manifest vor 150 Jahren angesprochen wurde.
Engels kam zu diesem Schluss:
„Je mehr dies aber geschieht, desto mehr werden sich die Menschen wieder als Eins mit der Natur nicht nur fühlen, sondern auch wissen, und je unmöglicher wird jene widersinnige und widernatürliche Vorstellung von einem Gegensatz zwischen Geist und Materie, Mensch und Natur, Seele und Leib, wie sie seit dem Verfall des klassischen Altertums in Europa aufgekommen und im Christentum ihre höchste Ausbildung erhalten hat.“ (ebda.).
Die Erkenntnis des objektiven Potentials für eine solche Transformation wirft natürlich die Frage auf: „Wer kann das tun?“ Die marxistische Antwort darauf beginnt mit der Zurückweisung der oft gebrauchten Phrase: „Wir haben die Natur an den Rand der Ausrottung gebracht“. Es gibt kein „wir“, das dies getan hat. Die Kontrolle über die Produktion liegt, wie wir gesehen haben, in den Händen eines relativ kleinen Teils der Gesellschaft, der Eigentümer:innen des Großkapitals, der Kapitalist:innenklasse oder Bourgeoisie.
Die Bourgeoisie als Klasse lässt sich von dem Wunsch nach Akkumulation leiten, der das Kriterium ist, an dem alle politischen Entscheidungen gemessen werden. Sie ist nicht gegen umweltfreundliche Produktionssysteme an sich, sondern nur gegen die Folgen für die Kapitaleigner:innen. Die großen Ölkonzerne zum Beispiel haben begonnen, in erneuerbare Energien zu investieren – aber sie haben auch in die zukünftige Ölversorgung investiert. Für sie ist der „Ausstieg“ aus dem Öl nur dann eine praktikable Option, wenn er genügend Gewinn abwirft, um die Verluste auszugleichen, die durch den Verzicht auf all das Kapital entstehen, das bereits weltweit in die Ölförderung, den Transport, die Raffination und den Vertrieb investiert wurde.
Mit anderen Worten: Solange die Produktion von den Kapitalist:innen kontrolliert wird, wird es nicht passieren, und schon gar nicht in den zehn Jahren, die Wissenschaftler:innen als verbleibende Zeit zur Vermeidung einer Katastrophe berechnen. Die gleiche Rechnung kann man natürlich auch für den Kohlebergbau, die Landwirtschaft oder jeden anderen Wirtschaftszweig aufstellen.
Viele Umweltschützer:innen haben erkannt, wie egoistisch die Politik der Kapitaleigner:innen ist, und ihre Antwort auf die Frage, wer den Wandel herbeiführen wird, lautet: „die Regierungen“. Dies rührt von dem Glauben her, dass die Regierungen und der von ihnen kontrollierte Staatsapparat die gesamte Gesellschaft repräsentieren und zwischen den verschiedenen auftretenden „Interessengruppen“ neutral sind. Wäre dies der Fall, wäre die politische Strategie, die Regierungen unter Druck zu setzen, damit sie beispielsweise Gesetze zum Verbot der Nutzung fossiler Brennstoffe einführen, durchaus machbar.
Marxist:innen lehnen diesen Glauben an den „neutralen Staat“ jedoch ab. In Wirklichkeit sind die Staaten dazu da, die Interessen der herrschenden Klassen zu verteidigen, also des Teils der Gesellschaft, der für das Problem verantwortlich ist. Selbst wenn die Regierungen unter Druck gesetzt werden könnten, einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gesetzlich zu verankern, und das ist an sich schon fast unmöglich zu glauben, wird die Staatsmaschinerie, einschließlich der Verwaltung, der Gerichte und des Militärs, die Ölindustrie niemals dazu zwingen, innerhalb von zehn Jahren stillzulegen.
Um eine Schließung zu erzwingen, und zwar nicht nur gegen den Willen der Eigentümer:innen, sondern auch gegen den der staatlichen Behörden, die sie unterstützen, bedarf es einer Kraft, die den größten Teil der Gesellschaft umfasst und die motiviert ist, trotz des unvermeidlichen Widerstands die notwendigen Veränderungen vorzunehmen. Es ist verlockend zu sagen, dass diese Kraft der Rest der Gesellschaft ist, insbesondere diejenigen, die am meisten unter den derzeitigen Bedingungen leiden. Der „Rest der Gesellschaft“ oder „das Volk“ ist jedoch eine Art Abstraktion, die in Wirklichkeit aus verschiedenen Klassen besteht, deren Bedingungen nicht nur die Kraft, die sie mobilisieren können, sondern auch ihre Motivation begrenzen. Kleine Kapitalist:innen streben beispielsweise danach, größere zu werden, Bäuer:innen sehen den Weg nach vorn darin, ihr eigenes Land zu besitzen.
Es ist die Arbeiter:innenklasse auf der ganzen Welt, die objektiv in der Lage ist, Veränderungen zu erzwingen, und gleichzeitig als Klasse in dem Wirtschaftssystem verwurzelt ist, das sich ändern muss. „Objektiv in der Lage“ – das ist die Lösung! Es besteht die Gefahr, dass selbst die Arbeiter:innenklasse zu einer Abstraktion wird. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Klasse, die in vielerlei Hinsicht gespalten ist: Nationalität, Religion, Geschlecht, vorhandene oder fehlende Fähigkeiten und politische Loyalitäten.
Die Aufgabe der Revolutionär:innen in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts besteht darin, für ein Aktionsprogramm zu kämpfen, das die Arbeiter:innen dazu bringen kann, diese Spaltungen im Interesse der gesamten Arbeiter:innenklasse und in der Tat der gesamten Menschheit zu überwinden. Darin werden wir die Widersprüche des Kapitalismus, seine wirtschaftlichen Auf- und Abschwungzyklen und die vorhergesagten Auswirkungen des Klimawandels nutzen, um die führenden Elemente der Arbeiter:innenklasse zu gewinnen, diejenigen, von denen die Kolleginnen und Kollegen in schwierigen Situationen Führung erwarten, für die Forderungen und Organisationsformen, die mit der Zeit die Kraft sein können, die den Kapitalist:innen die Macht in der Gesellschaft abnehmen und leztere verändern kann.