Arbeiter:innenmacht

GDL-Urabstimmung: 95 % für den Streik! Solidarität jetzt!

bigbug21, CC BY-SA 2.5 , via Wikimedia Commons

Ein solidarischer EVG-Kollege, Infomail 1158, 10. August 2021

Da ist er endlich – der Streik! Lange wurde er erwartet, die Stimmung dafür ist seit Monaten da. 95 % haben für ihn gestimmt, über 70 % der GDL-Mitglieder haben sich an der Urabstimmung beteiligt. Das beeindruckt, das zeigt Entschlossenheit – und vor allem: Wut auf den Konzern, seinen Vorstand und seinen EigentümerInnen!

Taten folgen sofort. Ab heute Abend 19.00 Uhr wird der Güterverkehr bei DB Cargo bestreikt, ab 2.00 Uhr der Personentransport bei Fernverkehr, Regio und S-Bahnen sowie der Netzbetrieb. Das Ende des Ausstandes ist für Freitag 2.00 Uhr angesetzt, ein unbefristeter Erzwingungsstreik erfolgt leider noch nicht.

Unter Beschuss

Von allen Seiten wird die GDL nun unter Beschuss geraten. „Das letzte, was die Konjunktur braucht“, schäumt die deutsche Wirtschaft. „Lockdown!“, titelt die Bild. „Ein Streik zur Unzeit“, kommentiert der Bahnvorstand. So wird es die nächsten Tage weitergehen. Es liegt in der Natur bürgerlicher Medien, der Regierung und der Konzerne, von Streiks nicht begeistert zu sein, erst recht nicht, wenn sie so empfindlich treffen. Sie setzen darauf, die Reisenden und PendlerInnen gegen uns in Stellung zu bringen. Wir befördern sie täglich von A nach B, verwalten den Mangel im Schienennetz und halten ihn aus. Eigentlich wollen auch wir pünktlich und sicher fahren. Doch dabei ringen wir täglich dank Autoministerium Scheuer, Bahnreform, Missmanagement, verkommener Infrastruktur und jahrelangem Nicht-Ausbilden nur allzu oft mit Störungen und Verzögerungen!

Die Verweise auf Milliardenverluste, die von Corona und Flut gebeutelten Deutschen, wie sie in der GDL-Pressekonferenz aus dem Pressepublikum zu hören waren, ziehen nicht und sind schäbig billig. Denn nicht wir EisenbahnerInnen sind es, die die Verantwortung dafür tragen. Was passiert, ist, dass wir, als Teil der ArbeiterInnenklasse, die Kosten für Flutschäden und Coronaverluste aufgedrückt bekommen. Unsere KollegInnen an den Flughäfen, in Krankenhäusern, aber auch wir selbst wissen das nur zu gut. Ein Lohn, der die Inflation ausgleicht (die Forderung der GDL beträgt 3,2 %, deutlich weniger als ursprünglich) und eine Coronabeihilfe (gefordert sind 600 Euro) sind daher das absolut Mindeste, wofür ALLE Gewerkschaften zu kämpfen hätten! Die GDL tut immerhin das und hat es bei anderen Eisenbahnunternehmen wie Netinera oder Transdev ohne Streik durchsetzen können.

Auch der Vorwurf, die EisenbahnerInnen würden mit ihrem Streik die Verkehrswende ausbremsen, ist schlicht lächerlich. Wer eine gut funktionierende Eisenbahn will, kann kaum schneller investieren als in eine Lohnerhöhung für die, die die Verkehrswende verwirklichen können! Lange dauert der Neubau von Strecken, die Beschaffung von Fahrzeugen – aber die Schichtberufe bei der Eisenbahn durch bessere Löhne und eine sichere Betriebsrente attraktiver zu machen, das ginge sofort! Und das Geld dafür ist auch da: Man nehme den ManagerInnen die Boni weg und führe eine massive Besteuerung der Gewinne der Autoindustrie ein, und schon wären Milliarden für die Verkehrswende und ihr Personal da.

„Tarifeinheit“

Von IG Metall bis EVG haben die DGB-Gewerkschaften letztes Jahr durch ihre Kampflosigkeit, durch ihre Hinnahme von Nullrunden erneut bewiesen, dass sie der Regierung und den Bossen willig und treu zur Seite stehen, wenn es darum geht, die Krisenkosten auf ArbeiterInnen abzuwälzen.

Sie setzen ihre kapitaltreue Politik fort. Es ist die Politik, die uns 2015 mit ihrer Unterstützung das Tarifeinheitsgesetz beschert hat, das nun wie ein drohendes Schwert über dem Kampf der GDL schwebt. Und da wirft der EVG-Vorsitzende Hommel der GDL vor, sie wolle die EVG verdrängen. Dabei ist sie es, die die Schande der Tarifeinheit mit zu verantworten hat und die GDL somit zur offensiven Mitgliederwerbekampagne drängt (wozu der Streik natürlich auch ein bisschen gehört, warum leugnen?)!

Spannende Wochen liegen vor uns. Wir müssen damit rechnen, dass die DB AG zumindest versuchen wird, gerichtlich gegen den Kampf vorzugehen. Wir wissen nicht, was dann passieren wird, denn noch nie ist die Tarifeinheit auf eine Gigantin wie die Bahn angewandt worden. Mindestens bei von der EVG dominierten Betrieben kann es sein, dass der Kampf der GDL-KollegInnen illegalisiert wird. Was dann?

Claus Weselsky erkennt das Tarifeinheitsgesetz an. Also müsste er sich dann der Illegalisierung beugen. Aber warum eigentlich? Warum sollten wir uns dem Tarifeinheitsgesetz beziehungsweise der vom Staat bestimmten „Verhältnismäßigkeit“ beugen? Es sollten uns weder der Staat noch seine Gerichte vorschreiben, wann und wie viel gestreikt wird. Ein Streik ist immer noch eine Frage der eigenen Kampfstärke. Er kann geführt und gewonnen werden. Sollten streikende GDL-KollegInnen bei DB Netz Probleme bekommen, weil sie unter die Tarifeinheit fallen, dann muss das zum Thema des Streiks gemacht, müssen weitere Streiks politisch geführt und mit der Forderung nach einer Abschaffung der Tarifeinheit verbunden werden!

Solidarität statt Hetze!

Die GDL führt den Kampf, dem sich der DGB verweigert. Sie hat es mit mächtigem Gegenwind zu tun. Alle ernsthaften GewerkschafterInnen, alle Linken und insbesondere alle EVGlerInnen sollten daher ihren Kampf unterstützen, sich in Debatten mit empörten FreundInnen, KollegInnen und Familienmitgliedern hinter die EisenbahnerInnen stellen!

Es sollte zusammen mit den GDLerInnen eine öffentliche Gegenkampagne mit Flugblattverteilungen an Bahnhöfen anlaufen. Sie sollte sich der kommenden Hetzwelle entgegenstellen und klarmachen, dass der Kampf der EisenbahnerInnen eigentlich das ist, was alle Gewerkschaften mindestens in diesen Zeiten tun sollten. Außerdem liegt dieser Kampf im Interesse aller, denen die Verkehrswende wirklich wichtig ist. Wir brauchen keine staatlich subventionierte Straßen-E-Mobilität, sondern eine funktionierende Eisenbahn mit motiviertem Personal!

Zum Abschluss noch ein paar persönliche Worte in diesem Zusammenhang. Der Riss, der durch unsere EisenbahnerInnenfamilie geht, schadet uns allen. Unsere Vorsitzenden in EVG und GDL werfen sich gegenseitig Spaltung vor. Der Autor dieses Textes arbeitet selbst bei der DB und ist ein einfaches Mitglied bei der EVG ohne Posten. Er ist gründlich angefressen davon, wie in seiner Gewerkschaft vom Vorstand bis hinab in die Basis Stimmung gegen die KollegInnen der GDL gemacht wird, die er als seine EisenbahnkollegInnen betrachtet. Mir ist es auch vollkommen egal, ob wer bei der DB, Abellio oder ODEG arbeitet. Wir sind alle EisenbahnerInnen. Gleichzeitig geht es für mich deshalb genauso wenig in Ordnung, wenn in der GDL-Stimmung gegen EVGlerInnen gemacht wird.

Denn was hier passiert, ist, dass zwei Gewerkschaftsführungen, zwei Bürokratien, Hommel und Weselsky, ihren Clash zu unserem machen. Ich verteidige die GDL und ihren Kampf, mitsamt ihrem Vorsitzenden gegen alle Angriff von Medien, Regierung sowie EVG-Vorstand. Aber ich frage mich auch: Wie können wir unsere Spaltung überwinden, wie können wir nicht nur eine EisenbahnerInnengewerkschaft mit geeinter Kampfkraft schaffen, sondern sogar eine Transportgewerkschaft, zu der zum Beispiel auch unsere KollegInnen der Speditionen, Straßenbahn- und Busbetriebe gehören?

Ich habe das Gefühl, dass weder mit Hommel noch Weselsky daraus was wird. Die beiden sind in ihrer Stellung viel zu sehr davon abhängig, dem jeweils anderen verbal eins auf die Nuss zu geben, mal sanfter, mal fester. Daher möchte ich alle GewerkschafterInnen, besonders die TransportarbeiterInnen in EVG, ver.di und GDL dazu aufrufen, den Kampf der GDL zur Debatte darüber zu nutzen, wie wir unsere Spaltung überwinden, unsere Kämpfe gemeinsam führen und unsere Gewerkschaften so reorganisiert werden können, dass wir schließlich bei einer Transport- und Logistikgewerkschaft ankommen – nicht dadurch, dass eine andere Gewerkschaft verdrängt wird, sondern indem wir, die einfachen KollegInnen für eine von uns direkt kontrollierte Fusion kämpfen.

  • Unterstützt Streik der GDL! Volle Mobilisierung und unbefristeter Streik für die Forderungen – keine weitere Rücknahmen und Zugeständnisse!
  • Kein Einsatz von Beamten und anderen Beschäftigten als StreikberecherInnen!
  • Regelmäßige Streikversammlungen zur Koordinerung, Ausweitung und demokratischer Kontrolle des Kampfes!
  • Aufbau von Solidaritätskomitees in allen Gewerkschaften und allen Städten!
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