Eine Glosse von Kuno Benz, Infomail 1074, 25. Oktober 2019
Endlich ist die Non-Plus-Ultra-Lösung gegen Wirtschaftskrise, Altersarmut, Demoskopie und Demenz gefunden! Keine geringere Institution als die Bundesbank darf sich als Retterin der Nation fühlen! Man erhöht einfach das Renteneintrittsalter und schon floriert die Wirtschaft wieder. Die Arbeitslosen verschwinden wie von selbst, denn sie dürfen ja nun bis 70 arbeiten! Die Gewerkschaften beschäftigen sich endlich statt mit Arbeitskämpfen-aus-dem-Weg-Gehen mit der Frage des Kampf-gegen-die-Rente-mit-70-Vermeiden. Immerhin hat man darin ja noch den Erfahrungsschatz des Rente-mit-67-durchgehen-Lassens.
Die KollegInnen in den Betrieben sind da bereits weiter. Schon gibt es Vorschläge, spezielle Pflegestationen einzurichten mit krankengerechten Bildschirm-Arbeitsplätzen. Die Pflegekräfte (viele neue Arbeitsplätze!) kommen dann in den Bildschirmpausen, um die MitarbeiterInnen zu füttern und die Windeln zu wechseln. Es gibt keine chronisch fehlenden Pflegeheimplätze mehr, die Pflege verlagert sich einfach in die Betriebe – und schon sind wir dem uralten Wunsch des generationenübergreifenden gemeinsamen Lebens und Arbeitens ein Stück nähergekommen.
Dumm nur, dass viele KollegInnen solche Chancen gar nicht sehen wollen und sich womöglich daran erinnern, wie mit spontanen Streiks 1996 die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verteidigt wurde und die Gewerkschaften nur mit viel Mühe die Bewegung wieder einfangen konnten.
Noch schlimmer aber wird es um so geniale Ideen wie der Rente mit 70 bestellt sein, wenn die ArbeiterInnenbewegung erst Ernst macht mit Forderungen wie „gleitende Arbeitszeitskala“ – also Reduzierung der Arbeitszeit so lange, bis es keine Arbeitslosen mehr gibt – verbunden mit einer ArbeiterInnenkontrolle über die Produktion.
Wenn dann 70-jährige BundesbankpräsidentInnen und WirtschaftsministerInnen auch noch in der Produktion mitarbeiten, dann können sie erst richtig zeigen, was in ihnen steckt. Ob sie aber dann noch immer so geniale Ideen produzieren?