Arbeiter:innenmacht

Südafrika: ANC bleibt an der Macht, aber unter Druck von links

Jeremy Dewar,  Neue Internationale 238, Juni 2019

Am Ende war es ein komfortabler Wahlsieg für den ANC (Afrikanischer Nationalkongress) von Präsident Cyril Ramaphosa und seinen Verbündeten, der Gewerkschaftsföderation COSATU und der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP). Mit 57,5 Prozent der Stimmen bei einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 66 Prozent hielten sie den Trend gegen sich auf unter 5 Prozent und behielten eine absolute Mehrheit im Parlament.

Dies ist jedoch mehr der Unterstützung zu verdanken, die der ANC erhält, weil er den Anti-Apartheidkampf geführt hatte, als der Begeisterung für die Regierungsgeschichte der Partei in den letzten 25 Jahren. Der ANC profitierte auch von der Uneinigkeit sowohl in der neoliberalen Oppositionspartei, der Demokratischen Allianz, als auch innerhalb der ArbeiterInnenbewegung.

Was können wir erwarten?

Ramaphosa startete seine Kampagne mit einer Rede in Durban, in der er die MigrantInnen aus den Nachbarländern zum Sündenbock machte und versprach, gegen ArbeiterInnen ohne Papiere vorzugehen. Zwei Monate später töteten RandaliererInnen drei MigrantInnen und griffen ausländisch geführte Unternehmen in der blutigsten Gewalt seit vier Jahren an. Bereits 2012 hetzte er gegen die streikenden Bergleute in Marikana. Am nächsten Tag mähte die Polizei 34 unbewaffnete Streikposten nieder.

In einem Land, in dem die Arbeitslosigkeit bei 35 Prozent liegt, d. h. 9 Millionen von geringen oder gar keinen staatlichen Leistungen leben müssen, entschied sich der ANC für eine Kampagne zur Schaffung von 275.000 Arbeitsplätzen pro Jahr, obwohl selbst diese unzureichende Maßnahme darauf abzielt, 1,2 Billionen Rand (73 Milliarden Euro) private Investitionen anzuziehen, was angesichts der stagnierenden südafrikanischen Wirtschaft illusorisch ist.

Südafrika ist das ungleichste Land der Welt. 65 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der „oberen Armutsgrenze“ von 3,33 US-Dollar pro Stunde.

Präsident Ramaphosa, den das „Forbes“-Magazin in der Millionärsrangliste mit einem Vermögen von 450 Millionen einschätzt, kümmert dies wenig. Der abtrünnige Gewerkschaftsverband SAFTU startete im vergangenen Jahr einen Generalstreik gegen den erbärmlichen Mindestlohn von 0,75-1,33 Dollar pro Stunde, den COSATU jedoch pflichtbewusst begrüßte.

Südafrika hält jedoch auch einen anderen, mehr Hoffnung verheißenden Rekord: Gemäß Weltwirtschaftsforum waren seine GewerkschafterInnen die konfrontativsten in den letzten 7 Jahren. Und sie stehen im Fadenkreuz des ANC. Weitere Angriffe infolge der im letzten Jahr verabschiedeten Antigewerkschaftsgesetze, die obligatorische Briefwahlen vor einem legalen Streik einführen, sind wahrscheinlich.

Das Landreformprogramm klingt vielversprechender. Der ANC verspricht, die Verfassung zu ändern, damit den reichen weißen FarmerInnen Land entzogen werden kann. Aber er droht auch damit, gegen illegale BesetzerInnen und die Beschlagnahmungen von Eigentum durch die Landlosenbewegung vorzugehen.

Ebenso verhält es sich mit dem Anti-Korruptionsprogramm von Ramaphosa: Die Zondo-Untersuchungskommission zum „Raub“ am Staat durch Kumpane des Ex-Präsidenten Jacob Zuma, die Brüder Gupta, wurde von der ANC-Regierung ernannt. Das Vertrauen, dass sie viele vor Gericht bringen wird, ist nur gering, da die Zuma-AnhängerInnen weiterhin stark in der Partei sind.

Opposition und die EFF

Trotz all dieser Misslichkeiten konnten die Demokratische Allianz (DA) und die EFF (KämpferInnen für Ökonomische Freiheit) zwar punkten, aber den Vorsprung des ANC bei den Umfragen nicht wettmachen.

Tatsächlich verlor die DA fünf Sitze, nachdem ihre Kapstädter Bürgermeisterin und ihr Stellvertreter zum ANC übergelaufen waren, und als Folge des unbeliebten Sparprogramms, das sie in den von ihr geführten Gemeinden, viele in Koalition mit der EFF, entfesselte.

Die EFF hingegen erwies sich mit 1,9 Millionen Stimmen und 19 neuen Sitzen als echte Wahlsiegerin und erhöhte ihre Gesamtzahl an Abgeordneten auf 44 (DA 84, ANC 230). Das EFF-Manifest konnte auf ihre Unterstützung für wichtige soziale Bewegungen hinweisen einschließlich wichtiger Reformen in der Landfrage und bei Studiengebühren, die sie dem ANC neben einer Vielzahl von kleineren Verbesserungen abgetrotzt hat.

Das Manifest der EFF heißt „Unser Land und unsere Arbeitsplätze JETZT!“ Sein Umfang beträgt 168 Seiten und trägt den Untertitel „Ein Volksmanifest und Aktionsplan“. Es enthält jedoch grundlegende Fehler und stellt ein völlig reformistisches Programm dar, das trotz der Forderungen nach einer Verstaatlichung der Nationalbank und der Minen weder als konsequent antikapitalistisch noch antiimperialistisch bezeichnet werden kann.

Besorgniserregend ist, dass fast kein Bezug zu den Gewerkschaften, den sozialen Bewegungen in den armen Vororten (Townships), der Landlosenbewegung oder der Solidarität mit MigrantInnen hergestellt wird. Das Manifest appelliert an „Gaben von oben“ und versteht sich keinesfalls als Aktionsprogramm zum Kampf.

Studentische Reformen und die Studierendenbewegung werden zwar kontrastreich und ausführlich erwähnt. Aber die bisherige Praxis der EFF zeigt, dass sie sich von breiteren sozialen Bewegungen fernhält, die sie nicht kontrollieren oder zumindest beeinflussen kann.

Methode der EFF

Die wichtige Frage der Landumverteilung unterstreicht die autoritäre Methodik der EFF. Obwohl das Land ohne Entschädigung verstaatlicht, kostenlos verteilt und Frauen und Jugendlichen die Hälfte des Landes zur Verfügung gestellt werden soll, werden die Rechte der „illegalen“ LandbesetzerInnen nicht erwähnt und die EFF schweigt zur Frage der Landnahme, die derzeit grausam unterdrückt wird. Tatsächlich verspricht die Partei, die mörderische Polizei massiv zu verstärken.

Stattdessen soll ein „Volksbodenrat“ das Land neu verteilen, und eine EFF verspricht, dass sie an der Regierung „die Rechte der traditionellen FührerInnen bei der Zuweisung und Umverteilung von Land nicht abschaffen wird“.

Wiederum werden eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns und Millionen neuer Arbeitsplätze zugesagt. Aber sie haben einen hohen Preis – für die Armen. Für die reichen Sonderwirtschaftszonen, einschließlich aller wichtigen Townships, soll es keine Besteuerung geben, solange sie 2.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Gewerkschaftsrechte werden in den Sonderwirtschaftszonen notorisch aufgegeben.

Vor allem die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China) werden gezielt angesprochen, sich auf Binneninvestitionen zu beschränken, während Südafrika bestrebt ist, den afrikanischen Markt für sich zu erschließen. Der Anführer der EEF, Julius Malema ist ein Türöffner für OligarchInnen und chinesische Mega-Konzerne.

Die EFF koppelt dies mit dem „Schutz und der Lokalisierung von Industrien, die Grund- und Gebrauchsgüter durch Importsubstitution herstellen“, von Löffeln und Seife über Glühbirnen bis hin zu verarbeiteten Lebensmitteln. Dies mag einige Arbeitsplätze auf Kosten der südafrikanischen NachbarInnen retten, aber es wird die chinesische Stahlindustrie nicht ausbremsen.

Es sind demokratische „Reformen“ vorgesehen, die den Staat zentralisieren sollen, indem die Provinzregierung abgeschafft und die Kommunalverwaltungen direkt gegenüber der Regierung verantwortlich gemacht werden. In den internationalen Beziehungen würde die EFF Südafrika auf Russland und China ausrichten, was als Modell für die Zukunft gilt.

Wo war die SWRP?

Die größte Enttäuschung bei den Wahlen war das katastrophal schlechte Abschneiden der Socialist Revolutionary Workers Party (SWPR). Trotz der Unterstützung durch die MetallarbeiterInnengewerkschaft NUMSA erhielt sie jedoch nur 24.439 Stimmen und dies bei einer NUMSA-Mitgliedsstärke von 339.000.

Die neue Partei wurde erst am 4.-8. April 2019 ins Leben gerufen, obwohl sie schon 2014 angekündigt worden war. Gleichzeitig wurden NUMSA und der COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi aus COSATU ausgeschlossen. Die militante MetallarbeiterInnengewerkschaft forderte damals „eine Bewegung für den Sozialismus, da die ArbeiterInnenklasse eine politische Organisation braucht, die sich in ihrer Politik und ihren Aktionen für die Errichtung eines sozialistischen Südafrikas einsetzt“.

Aber eine solche Bewegung wurde nie aufgebaut. Vavi, der jetzt den neuen Gewerkschaftsbund SAFTU leitet, zu dem NUMSA gehört, sagte am 1. Mai dem Sender SABC News, dass SAFTU noch nicht über die neue Partei gesprochen habe und NUMSAs Unterstützung „bedeutet nicht, dass SAFTU daher plötzlich die SRWP ohne interne Diskussion unterstützt“.

Die CWI-Sektion WASP (Schwesterorganisation der SAV) kritisierte auch die SRWP für ihren Rückzug aus dem ArbeiterInnengipfel, den NUMSA selbst erst im Juli letzten Jahres einberief, die Besetzung von Führungspositionen durch NUMSA-AnhängerInnen und die mangelnde Transparenz darüber, woher das gesamte Geld für den Start kam.

Das Manifest der Partei „Gleichheit, Arbeit, Land“ scheut sich nicht, revolutionär klingende Erklärungen abzugeben. In der Präambel des Programms heißt es, dass die Partei, „geleitet vom Marxismus-Leninismus“, darauf abzielt, die ArbeiterInnenklasse „in ihrer historischen Mission, Imperialismus und Kapitalismus zu besiegen und den Sozialismus in Südafrika, Afrika und auf der ganze Welt zu etablieren als Auftakt für den Vormarsch zu einer wirklich freien und klassenlosen Gesellschaft: zu einem kommunistischen Südafrika, Afrika und der kommunistischen Welt“ anzuleiten.

Weiter heißt es: „Die SRWP wird alle strategischen Industrien verstaatlichen, insbesondere die Bergwerke, das Land und kommerzielle Farmen, die Banken, die großen Fabriken und die Großunternehmen (…) und alle verstaatlichten Industrien in einen demokratischen sozialistischen Produktionsplan für die menschlichen Bedürfnisse und nicht für Profit integrieren.“

Aber die Vorlage eines knappen und in etlichen Punkten auch verkürzten marxistischen Programms, bevor es einen ernsthaften Versuch gab, die militanten Gewerkschaften dafür zu gewinnen, war ein großer Fehler. Eine viel bessere Methode wäre der Kampf um die Gewinnung der Massenorganisationen an den Arbeitsplätzen und in den Gemeinschaften, um eine ArbeiterInnenpartei zu bilden, wie es Leo Trotzki in seinen Schriften an seine AnhängerInnen in den USA dargelegt hat. Bei der Gründung der SRWP gab es keine vorherige Diskussion, kein Engagement anderer Kräfte oder von GewerkschaftsführerInnen. Dadurch sieht die Partei wie eine Totgeburt aus.

Welche Partei?

Die Basismitglieder von NUMSA müssen zusammen mit den TeilnehmerInnen des ArbeiterInnengipfels und anderen radikalen Kräften der ArbeiterInnenklasse wie der Bergleutegewerkschaft AMCU die Notwendigkeit der politischen Einheit in einem Kampfprogramm diskutieren. Es darf kein parlamentarischer „Aktionsplan“ wie der der EFF-Führung sein, der in Koalitionsgesprächen mit dem Klassenfeind als Verhandlungsgrundlage dienen soll. Wir brauchen keinen ANC 2.0.

Darüber hinaus kann keine neue Partei die jungen ArbeiterInnen und StudentInnen der EFF umgehen, die zweifellos derzeit ein wichtiger Teil der Vorhut der Klasse sind. Wenn RevolutionärInnen Wege finden können, mit ihnen zu kämpfen, ihre FührerInnen auf die Probe zu stellen und die Mitglieder für den revolutionären Marxismus und das Programm der permanenten Revolution zu gewinnen, dann kann eine neue ArbeiterInnenpartei in Südafrika entstehen.

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