Arbeiter:innenmacht

Skandal beim BAMF? BAMF – rassistischer Erfüllungsgehilfe deutscher Staatsmacht!

Paul Neumann, Infomail 1005, 28. Mai 2018

Am 14. Januar 2018 meldete www.sueddeutsche.de: „Gerichte kassieren fast die Hälfte der abgelehnten Asylbescheide“. Über 44 % der Asylentscheidungen des „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das sind die Bescheide einiger hunderttausend Geflüchteter, sind rechtswidrig und halten einer Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte nicht stand. Da deutsche Verwaltungsgerichte nicht als subversive, staatsfeindliche Vereinigungen bekannt sind, belegt die Entscheidungspraxis des BAMF nicht „Willkür“ bei seinen Entscheidungen, sondern gewollten Rechtsbruch des sowieso schon reaktionären ausländerfeindlichen deutschen Ausländerrechts und der Rechte nach der Genfer Flüchtlingskonvention, mit dem Ziel, allein die Anzahl der Abschiebungen zu erhöhen. Dieser Rechtsbruch ist aber für die deutsche Politik und ihre Qualitätsmedien keineswegs ein Skandal. Er ist allenfalls eine Tagesmeldung wert und morgen vergessen.

Bremen

Ganz anders einige Wochen später in Bremen. Dort sollen angeblich ca. 1.200 AsylbewerberInnen zu Unrecht Asyl erhalten haben. Das ist nach einvernehmlichem Geheule der Öffentlichkeit in Politik und den einschlägigen Medien auf jeden Fall ein Skandal. Dabei steht noch nicht einmal fest, was eigentlich passiert ist. Es ist jetzt von „rechtswidrigen Praktiken bei der Asylentscheidungen“ die Rede. Asylanträge jesidischer Geflüchteter, die ohnehin in der Regel Schutz erhalten und sogar als Kontingent (ohne individuelle Prüfung) in Deutschland aufgenommen wurden, sollen ohne persönliche Prüfung „durchgewunken“ worden sein. Welch absurder Vorwurf! Von „bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Antragstellung“ ist außerdem die Rede, ebenso von „korrupten Anwälten“, die 1000 Euro (Bestechungsgeld!?) von den Flüchtlingen verlangt haben sollen, so als ob Flüchtlingsanwälte die Caritas sind und kein Honorar verlangen dürften. Soll hier ein „Beweis“ konstruiert werden, für die von CSU-Dobrindt im Fall der LEA Ellwangen Anfang Mai erhobenen Denunziation einer imaginierten „Anti-Abschiebungsindustrie“ aus Rechtsanwälten und ihren Gehilfen? Was den Beteiligten konkret vorgeworfen wird, bleibt im Dunklen und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Allein damit soll in einer rassistisch aufgeladen bürgerlichen Öffentlichkeit den Vorwürfen Glaubwürdigkeit verleihen werden.

Das Verbrechen der BAMF-Außenstelle Bremen scheint darin zu bestehen, nach dem internen BAMF-Ranking überdurchschnittlich viel positive Bescheide erteilt zu haben. In Anbetracht von 44 % rechtswidriger Bescheide in BAMF-Durchschnitt, wären angenommene 30 % in Bremen schon eine auffällige statistische Abweichung. Und eine in die falsche Richtung. Das sind gute Gründe für unsere rassistischen Heimatfreunde in der Bundesregierung, die Überprüfung aller positiven Asylbescheide einzufordern und von kriminellen Machenschaften zu sprechen. So wurde die Leiterin der BAMF-Außenstelle Bremen vom Dienst suspendiert und deren kommissarische Nachfolgerin, nach einem von ihre erstellten und veröffentlichten „internen“ Untersuchungsbericht, gleich wieder nach Bayern versetzt. Seltsam nur, dass dieser veröffentlichte „interne“ Untersuchungsbericht den Stein erst im Interesse von Heimatministers Seehofers in Rollen brachte. So wird Handlungsbedarf geschaffen.

Die Probleme des BAMF in der „Qualität“ von Entscheidungen sind schon seit 2014 jedem bekannt, der es wissen wollte und haben die PolitikerInnen von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Grünen und auch Teile der Linken weiter nicht gestört, solange nur die Ablehnungsquote stimmte. Es war die Große Koalition von CDU/CSU und SPD, die im Einvernehmen aller bürgerlichen Parteien, ab 2015 das BAMF mit 8.000 schnell angeworbenen und schlecht geschulten EntscheiderInnen bestückte, die bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 das „Flüchtlingsproblem“ erledigen sollten. Die Optimierung von Verwaltungsabläufen, sprich Tempo bei den Entscheidungen, standen im Vordergrund. Von der Sicherstellung eines Grundrechtes, durch adäquate Gestaltung des Asylverfahrens, war keine Rede, weil kein Interesse daran bestand.

Schon die Untersuchungen nach dem Fall „Franco A.“ – ein militanter rechtsradikaler Bundeswehrleutnant, der sich „unbemerkt“ als Asylsuchender registrieren ließ, beim Bund Waffen und Sprengstoff „besorgte“ und Attentate auf Flüchtlingsunterkünfte plante – befassten sich ausschließlich mit den positiven Bescheiden und strukturellen Qualitätsmängel der Asylanhörung und –entscheidung. Auch im Fall der Entführung eines vietnamesischen Exilpolitikers in Berlin im Juli 2017, machte das BAMF keine gute Figur. Die mutmaßlichen EntführerInnen hatten offenbar einen „politischen Fan“ (Der Spiegel) in der Behörde: Einen langjährigen Sachbearbeiter des BAMF.

Interessen

Das BAMF ist keine unabhängige, nur dem „Recht“ verpflichtete Behörde, es untersteht dem Bundesinnenministerium/Heimatministerium und ist damit ein politisches Instrument des jeweiligen Innenministers und seiner Partei. So willkürlich die Ablehnungsbescheide, bei 44 % erfolgreicher Klagen vor den Verwaltungsgerichten beschieden wurden, so willkürlich werden auch die Entscheidungen der meisten positiven Bewilligungsbescheide sein. Nach „Recht und Gesetz“ wurden jedenfalls die wenigsten Entscheidungen der überforderten BAMF-Mitarbeiter getroffen.

Diesen staatlich geleiteten Opportunismus haben angeblich viele der schlecht eingearbeiteten Mitarbeiter beim BAMF nicht hinreichend verinnerlicht. Sie gelten als zu „großzügig“. Als nächsten Schritt will Heimatminister Seehofer 10 weitere Außenstellen, die – das kann ja nicht mit rechten Dingen zugegangen sein – überdurchschnittliche viele Anerkennungsbescheide verschickt haben, überprüfen lassen (BamS, 25.05. 2018). Ein Ministererlass untersagt der Bremer Außenstelle bis auf weiteres einen Bescheid zu erlassen.

Das ist der Stoff, aus dem der „Skandal“ sein Futter bezieht. Der Heimatminister hat ein vitales Interesse, den „Skandal“ bis zur Landtagswahl in Bayern im Herbst 2018 am Köcheln zu halten und die Öffentlichkeit ist sein opportunes Sprachrohr.

Für wahr, eine Lehrstück freiheitlich demokratischer Meinungsbildung. Von „Lügenpresse“ spricht bei rassistischer Hetze niemand. Von dieser ist nur die Rede, wenn bei durch Ausländer begangenen Straftaten nicht ausdrücklich die Nationalität des Täters genannt wird. Bei sexuellen Übergriffen besoffener bayrischer Lederhosendeppen auf dem Oktoberfest (siehe Süddeusche.de vom 22.09.2016, „Und plötzlich ist da diese fremde Hand am Po“) übt sich der deutsche Michl in Zurückhaltung. Das hat Tradition, ist somit deutsches Brauchtum. Wir nennen das Rassismus.

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