Arbeiter:innenmacht

Argentinien: neue Welle des Widerstands

Dave Stockton, Infomail 1979, 9. April 2025

Nach einer Flaute in der zweiten Hälfte des Jahres 2024, die zum Teil auf den anfänglichen (vorübergehenden) Erfolg von Mileis deflationären Maßnahmen bei der „Lösung“ der galoppierenden Preissteigerungen zurückzuführen ist, aber auch auf die Lähmung der Aktivitäten ihrer Mitglieder durch die Gewerkschaftsbürokratien, regt sich auf den Straßen Argentiniens wieder Widerstand.

Mobilisierungen

Am 12. März wurde die Rentner:innendemonstration, die von Fans der beiden rivalisierenden Fußballmannschaften Boca Juniors und River Plate unterstützt wurde, von der Polizei brutal angegriffen und es kam zu Massenverhaftungen. Seitdem erschüttert eine neue Welle von Demonstrationen das Land, die am 24. März, dem Tag des Gedenkens, der Wahrheit und der Gerechtigkeit, ihren Höhepunkt erreichte. An diesem Tag marschierten Argentiniens Menschenrechtsorganisationen, darunter die international bekannten Mütter der Plaza de Mayo, zur Plaza, um der 30.000 Opfer der Militärdiktatur der 1970er und 1980er Jahre zu gedenken und die Straffreiheit der Täter:innen zu verurteilen. Dieses Mal gab es einen gemeinsamen Marsch all dieser Organisationen, der den Revolutionär:innen die Möglichkeit bot, sich solidarisch zu mobilisieren.

Generalstreik

Die massive Mobilisierung rief zu einem 36-stündigen Generalstreik auf. Er beginnt heute, am 9. April, mit einem Marsch zur Unterstützung der Rentner:innen und wird am 10. April mit einem totalen Stillstand fortgesetzt. Dies könnte ein hervorragender Auftakt für eine neue und entscheidende Konfrontation mit Milei sein. Dafür darf ein 36-stündiger Streik jedoch nur den Anfang bilden. Die Gewerkschaftsführer:innen, die Arbeitslosenorganisationen, Frauen- und Menschenrechtsgruppen müssen dazu aufgerufen werden, lokale und stadtweite Widerstandsräte mit Delegierten aus allen möglichen Arbeitsplätzen, Fabriken, Schulen, Krankenhäusern sowie den Gewerkschaften, Piqueteros usw. zu bilden. Solche Gremien können die Ziele und Forderungen eines umfassenden und unbefristeten Generalstreiks debattieren und festlegen, einschließlich der Bildung von Streikposten-Verteidigungstrupps, um ihn vor der Polizei und der Illegalisierung durch die Gerichte zu schützen.

Wenn es den argentinischen Arbeiter:innen und Volksmassen gelingt, Milei zu stürzen, wird dies von kontinentaler, ja sogar weltweiter Bedeutung sein, um das Blatt gegen die wachsende Zahl brutaler bonapartistischer Regime zu wenden, die versuchen, die wirtschaftlichen und politischen Errungenschaften der Arbeiter:innen und sozial Unterdrückten zunichtezumachen.

Krise der proletarischen Führung überwinden!

Hier stellt sich die Frage nach der Führung der Arbeiter:innenklasse, die die Gewerkschaftsbürokratien, aber auch den anhaltenden Einfluss der bürgerlichen Parteien, insbesondere der Peronist:innen (PJ), betrifft, die, wie die US-Demokrat:innen, die politische Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse des Landes seit Generationen blockieren.

Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Arbeiter:innen und Arbeitslosen Argentiniens angesichts einer akuten sozialen Krise zusammen mit aktiven Frauen- und Jugendbewegungen schon mehrfach in großem Umfang in den Streik getreten sind, wie beispielsweise 2001/2002. Damals kam es zu Streiks, Fabrikbesetzungen und Straßenkämpfen, die die Parole gegen die gesamte politische Kaste laut werden ließen: „¡Que se vayan todos! “ (Alle müssen gehen!), was den Präsidenten Fernando de la Rúa und vier nachfolgende Präsidenten innerhalb von zwölf Monaten zum Rücktritt zwang.

Heute könnte es auf der Basisebene so aussehen, als sei Argentinien näher daran, eine revolutionäre sozialistische Kraft zu schaffen, die in der Lage ist, die Bürokrat:innen und PJ-Politiker:innen während eines Höhepunkts des Kampfes um die Führung herauszufordern. Parteien mit trotzkistischem Hintergrund bilden die Frente de Izquierda y de Trabajadores – Unidad (FIT-U; Vereinte Front der Linken und Arbeiter:innen), einen 2011 gegründeten Wahlblock, der 2023 fünf Sitze in der Abgeordnetenkammer mit 257 Mitgliedern gewann und 798.000 von 25,5 Millionen gültigen Stimmen erhielt. Sie besteht aus der Partido de Trabajadores Socialistas (PTS/FT; Partei Sozialistischer Arbeiter:innen/Trotzkistische Fraktion der IV. Internationale), der Partido Obrero (PO; Arbeiter:innenpartei), dem Movimiento Socialista de los Trabajadores (MST; Sozialistische Arbeiter:innenbewegung) und der Izquierda Socialista (IS/UIT; Sozialistische Linke/Internationale Arbeiter:inneneinheit – Vierte Internationale).

Diese Parteien haben eine Truppe von Tausenden aufgebaut, die, wenn sie über Wahlpropaganda hinausginge und sich auf ein revolutionäres Aktionsprogramm zum Sturz von Milei und zum Kampf für eine revolutionäre Arbeiter:innenregierung einigen würde, die Situation verändern könnte. Abgesehen von der MST, mit der die Liga wichtige Übereinstimmungen erzielt hat und mit der sie sich in Umgruppierungsgesprächen befindet, neigen die anderen jedoch dazu, eine sektiererische Haltung gegenüber den notwendigen Einheitsfronten mit den Massenorganisationen einzunehmen. So haben sie beispielsweise ihre Kräfte nicht für die Demonstration auf der Plaza de Mayo mobilisiert, sondern es vorgezogen, sich getrennt zu organisieren. Tatsächlich scheinen sie Angst davor zu haben, ihre Organisationen und Programme auf die Probe zu stellen, indem sie die FIT-U in eine Partei verwandeln und sie für Hunderttausende von Wähler:innen und Unterstützer:innen öffnen.

Argentinien könnte durchaus in eine vorrevolutionäre Situation geraten, und die Aktionen der Linken dort verdienen die Aufmerksamkeit von Revolutionär:innen weltweit, sowohl um Solidarität zu zeigen als auch von ihnen zu lernen.

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