Martin Suchanek, Neue Internationale 287, November 2024
Die bedingungslose Solidarität mit Israel wird nicht nur zur Staatsräson verklärt, die deutsche Regierung agiert auch wie eine Kriegspartei. Die Bundesrepublik ist zweitgrößte Waffenlieferantin Israels und hält dessen Kriegsmaschinerie mit am Laufen. Allein 2023 genehmigte die Ampelkoalition Rüstungsgüter im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel. Im ersten Halbjahr 2024 sanken die Exporte zwar auf 45,74 Millionen, doch allein seit August wurden weitere Rüstungsgüter im Wert von 94,05 Millionen bewilligt.
Bei der rechten und konservativen Opposition lassen diese Zahlen Zweifel aufkommen – an der Unverbrüchlichkeit der Israelsolidarität der Regierungskoalition. So wirft der AfD-Abgeordnete Joachim Wundrak (Generalleutnant a. D. der Luftwaffe) der Regierung vor, nicht rasch und genug Ausrüstung an die israelische Polizei und Armee geliefert zu haben und sich mit kleinlichen Prüfungsverfahren von Exporten aufzuhalten. Der CDU-Militarist Johann David Wadephul bezichtigt SPD und Grüne gar, sich „an Israel versündigt“ zu haben, weil man bei einem „befreundeten Staat“ kleinlich überprüfe, ob er deutsche Waffen auch gemäß dem Völkerrecht einsetze. Da kann Olaf Scholz nur beruhigen – Waffen würden weiter geliefert.
Nur BSW und DIE LINKE lehnen im Parlament, wenn auch auf rein pazifistischer Grundlage, sämtliche Waffenlieferungen für den Genozid und Krieg gegen den Libanon ab. Alle anderen unterscheiden sich bloß darin, ob sie Rüstungsgüter ohne jede Prüfung oder nur nach deutscher Menschenrechtsexpertise schicken wollen.
Die Megakoalition aus Regierung, konservativer und rechter Opposition sowie der bürgerlichen Medien begleitet die Kriegstreiberei mit der Hetze gegen jede Solidarität mit Palästina. Sie verbreiten Rassismus gegen Palästinenser:innen, Muslim:innen und Migrant:innen. Und der Repressionsapparat führt aus – mit Verboten von Demos, Vereinen und Kongressen, Schikanen, willkürlichen Festnahmen, Berufsverboten und Abschiebungen.
In Deutschland waren schon vor dem 7. Oktober faktisch alle Parteien des palästinensischen Widerstandes verboten. Seither folgten weitere Verbote wie gegen die Gefangenenhilfsorganisation Samidoun und zahlreiche andere Vereine. Konten wurden gesperrt, Hausdurchsuchungen willkürlich vorgenommen – und ein Stopp ist nicht in Sicht. Auch wenn ein Ende der Demonstrationsverbote durchgesetzt werden konnte, so finden diese immer wieder statt. Vor allem aber wird die Repression durch Gesinnungsterror und Verbote wie beim Palästinakongress oder auch bei Solidaritätscamps erweitert und zum Bann von Diskussionsveranstaltungen herangezogen. Zusätzlich mehren sich Repression am Arbeitsplatz, Entlassungen, Einstellung von Projekten (wie FRIEDA e. V. in Berlin). Tausende Menschen wurden bei Demonstrationen, Veranstaltungen und Aktionen der Palästinasolidarität festgenommen, tausende Verfahren eingeleitet. Auch wenn etliche vor Gericht freigesprochen werden, so zielt diese substantiell verschärfte Form der Repression auf die Kriminalisierung einer ganzen Bewegung – und im schlimmsten Fall auf die Abschiebung von Aktivist:innen oder den rückwirkenden Entzug der Staatsbürger:innenschaft.
Die SPD-Spitzen, ihre Leitungsgremien und die Gewerkschaftsspitzen machen dabei willfährig mit. „Bestenfalls“ sagen sie nichts. Das BSW ist zwar für „Frieden“, fordert aber zugleich mehr Abschiebungen und forciert den antimuslimischen Rassismus. DIE LINKE will den Rechtsruck bekämpfen und das Asylrecht verteidigen, weiß aber nicht, ob sie sich mit Palästina oder doch mit Israel solidarisieren soll, auch wenn jüngst einige zionistische Hetzer:innen der Partei den Rücken kehrten.
Auch in der Linken und Arbeiter:innenklasse stehen wir somit mächtigen Hindernissen gegenüber, eine starke Solidaritätsbewegung aufzubauen. Dennoch demonstrieren seit einem Jahr tausende Aktive regelmäßig, organisieren Besetzungen, Demonstrationen, Kongresse und Veranstaltungen. Auch wenn wir gegen den Strom der veröffentlichten Meinung schwimmen müssen, lassen wir uns nicht entmutigen.
Wir müssen weiter daran arbeiten, die Lügen der Herrschenden zu entlarven, um einen Stimmungsumschwung in der Arbeiter:innenklasse, insbesondere in den Gewerkschaften herbeizuführen, um eine breite Solidaritätsbewegung aufzubauen. Dazu brauchen wir klare Forderungen, die wir auch gegen die deutsche Politik richten müssen:
In der aktuellen Lage, in der wir uns weiter in der Defensive befinden, stellen die Forderung nach einen sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte nach Israel und einem Ende der Kriminalisierung die zentralen Losungen dar, um eine breite Bewegung gegen die konkrete Kriegsunterstützung Deutschlands aufzubauen. Eine solche Bewegung würde nicht nur revolutionäre, internationalistische Kräfte, sondern auch gewerkschaftliche, reformistische oder kleinbürgerliche umfassen. Entscheidend wäre dabei nur, dass sie sich in der Aktion auf zentrale Losung einigt, während alle Gruppierungen ansonsten ihre weitergehenden unterschiedlichen strategischen Ziele offen vertreten können.
Wir rufen Gewerkschaften, Beschäftigte und die Bevölkerung dazu auf, Waffenlieferungen aus Deutschland zu stoppen. Wir fordern die Gewerkschaften, DIE LINKE und alle andere linken Parteien auf, dem Aufruf ihrer palästinensischen Schwesterorganisationen zu folgen und eine international koordinierte Kampagne gegen das Morden zu organisieren. Lasst uns jegliche Rechtfertigung und Unterstützung des Genozids durch Streiks, Blockaden und Besetzungen stoppen!