Arbeiter:innenmacht

BVG – Schlichtung oder Erzwingungsstreik?

Jona Everdeen, Neue Internationale 290, April 2025

Wie bereits letzte Woche, rollen auch diese wieder von Mittwoch bis Freitag früh keine U-Bahnen, Trams oder Busse durch Berlin. Mit großer Kampfkraft und Geschlossenheit streiken die Kolleg:innen der BVG Runde für Runde.

Die Beschäftigten fordern 750 Euro mehr Gehalt, was in etwa 25 Prozent entspricht, sowie ein 13. Monatsgehalt und einige weitere Verbesserung. Das mag nach viel klingen, ist aber gar nicht so viel, wenn man bedenkt, dass das Entgelt der BVG-Beschäftigen zuletzt vor der massiven Inflationswelle gestiegen ist. Im Endeffekt geht es also nur um wenig mehr als das Auffangen eines riesigen Reallohnverlusts der letzten Jahre.

Gegen die Forderungen und Kampfbereitschaft der Streikenden setzt die BVG und, hinter ihr stehend der Berliner Senat, auf Hinhalten. Es wird immer klarer: Alle 1-2 Wochen zwei Tage Streik zeugen von der Kampfkraft, aber sie werden den Gegner nicht in die Knie zwingen. Nun droht, wie im TVöD, auch bei der BVG eine Schlichtung, um die Beschäftigten über den Tisch zu ziehen.

Vom Streiktag zum Erzwingungsstreik!

Tatsächlich ist das Ausmaß des Streiks beachtlich. Zwei Wochen in Folge funktioniert der Berliner ÖPNV für 2 von 7 Tagen nur sehr eingeschränkt. Ihn ganz zu unterbrechen war, aufgrund des Unwillens von EVG und GDL, Solidaritätsstreik bei der S-Bahn auch nur zu erwägen, und aufgrund der Weigerung, der Verdi-Führung sich mit dieser irgendwie abzusprechen, leider unmöglich. Trotzdem ein großer Erfolg der Kolleg:innen!

Auch wenn es bei der BVG Vordergründung nur um Berlin geht, so erklärt sich die Weigerung der Gegenseite erstens aus der Kürzungspolitik des Berliner Senats und zweitens auch daraus, dass die zukünftige Bundesregierung auch keine Beispiele erfolgreicher Streikkämpfe im öffentlichen Dienst brauchen kann. Daher wird die Widerholung weiterer befristeter Streiks auf Dauer nicht reichen. Denn tendenziell wird, ganz logischerweise, der öffentliche Druck auf die Streikenden Steigen und die Hetze von Springer und Co., die zurzeit noch viel Verständnis und Solidarität erfahren, Früchte tragen. Entsprechend gilt es, wo die Moral hoch ist, die Kampfkraft, die da ist, einzusetzen!

Und zwar durch einen Erzwingungsstreik. „Die BVG fährt erst dann wieder, wenn unsere Forderungen erfüllt sind“, so sollte die Parole lauten! Denn dann wird Kai Wegner irgendwann sehen müssen, dass er seinen Haushalt umplanen muss, weil nicht seine geliebten Autos Berlin am Laufen halten, sondern Busse, Trams und U-Bahnen!

Gleichzeitig ist es hier die Aufgabe der anderen Gewerkschaften wie auch der Partei „die Linke“, die gerne Fotos von BVG-Streikposten teilt, aus der passiven Solidarität eine aktive zu machen und den ökonomischen Kampf der Beschäftigten auf eine politische Bühne zu heben, zu einem Kampf gegen die Kürzungen der Wegner-Regierung zu machen und gegen ihre Verkehrspolitik von Vorgestern. Gerade bei einem Erzwingungsstreik wären unterstützende Streikposten sowie der Aufbau von Solidaritätskomitees und Aktionen unterlässlich, um die unvermeidliche Hetze und Desinformation der bürgerlichen Medien zu kontern.

Ver.di Berlin hat aufgrund des Drucks der Gegenseite wie auch der Kampfbereitschaft der Beschäftigten die Urabstimmung eingeleitet, die am 26. März begann. Aber die ver.di-Bürokratie wäre nicht die Bürokratie, wenn sie nicht gleichzeitig auch Gespräche über eine Schlichtung aufgenommen hätte!

Nein zur Schlichtung!

Anstatt die Kampfkraft der Streikenden zu nutzen und voll zu entfalten, liebäugelt Verdi nach dem Scheitern der Verhandlungen ganz aktiv mit einer Schlichtung und führt Sondierungen zur Einberufung einer solchen. Eine Schlichtung, wie sie in der TVöD bereits eingesetzt ist, wobei der „Schlichter“ hier so überhaupt nicht „unparteiisch“ ist. Hinzu kommt, dass, anders als beim TVöD, bei der BVG keine Zwangsschlichtung vorgehen ist, falls eine der beiden Parteien darauf besteht. Der ver.di-Apparat lässt so ohne Not die Kampfbereitschaft der Kolleg:innen zum bloßen Druckmittel bei einer Schlichtung verkommen.

Wir lehnen das Konzept der Schlichtung generell ab, und fordern auch die Gewerkschaften dazu auf, dies zu tun. In einem Prozess in dem „beide Seiten neutral abgewogen werden“, haben wir als Arbeiter:innen nichts zu gewinnen, weil im kapitalistischen System immer für die Interessen unserer Ausbeuter:innen, und niemals für unsere, entschieden wird. Die Gewerkschaftsführung hingegen setzt gerne auf Schlichtung, und in gewissen Maßen ist es auch eher eine Schlichtung zwischen ihnen und ihrer Basis, der sie in manchen Fällen einen offenen Verrat nicht verkaufen kann. Wie gut das es dann die, häufig verpflichtende, Schlichtung gibt, man so Zeit gewinnt und am Ende nach einem miesen Ergebnis sagen kann, man habe ja viel versucht, aber mehr sei nun einmal nicht drinnen gewesen. Und das Schlichtungsergebnis ablehnen und unbefristet streiken sei „gesellschaftlich nicht tragbar“. Genauso droht nun ver.di, auch einen faulen Kompromiss vorzubereiten.

Kontrolle für die Beschäftigten – Verbindung der Kämpfe

Doch während ver.di schon einmal die Fühler ausstreckt, wie es aus dem „Schlamassel“ wieder herauskommt, wollen die meisten Kolleg:innen das gar nicht. Sie wollen, dass die BVG ihre Forderungen erfüllt und nicht weitere Jahre halber Zugeständnisse und stetiger Verschlechterungen. Und das ist auch ihr gutes Recht! Darum treten wir ein dafür, dass es die Beschäftigten sind, die über abwählbare Delegierte entscheiden, wie es weiter geht. Und im Zweifelsfall ein mieses Schlichtungsergebnis ganz direkt in den Schredder stecken, und mit einem unbefristeten Streik für die vollen 25 Prozent beantworten! Auch könnten Streikkomitees, die sich jeden Tag in den Depots und Werkstätten treffen, um über weitere Taktik zu beraten, auch überlegen, wie man den Druck noch effektiver hochfahren kann. Warum zum Beispiel sollten am Streiktag die Busse unbedingt im Depot stehen bleiben? Und nicht das Rote Rathaus zuparken?

Hier wäre es auch sinnvoll, sich mit der anderen laufenden Tarifrunden zusammen zu tun und gemeinsame Kampfmaßnahmen zu treffen. Zwischen den Streikenden der BVG und der BSR gab es bereits wiederholt Solidaritätsbekundungen, was ein wichtiger Schritt ist! Dabei sollte es jedoch nicht bleiben, sondern diese Aktionen sollten weiter geführt werden zu gemeinsamen Streiktagen, gemeinsamen Streikkundgebungen etc. Denn der Feind ist letztendlich der gleiche: Der Berliner Senat, Bund, Länder und Kommunen und ihr Kürzungsregime.

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