Arbeiter:innenmacht

Linkspartei: Laue Luft statt heißer Herbst?

blu-news.org, CC BY-SA 2.0 , via Wikimedia Commons

Susanne Kühn, Neue Internationale 268, Oktober 2022

Der 5. September fiel durchaus vielversprechend aus. 4.000 waren in Leipzig zu einer ersten großen Montagsdemonstration im Rahmen des von Parteichef Schirdewan verkündeten „heißen Herbsts gegen die soziale Kälte“ gekommen.

Doch seither: weitgehend Funkstille. Schon im Vorfeld wurde klar. Die Regierungssozialist:innen um Ramelow und verschiedene Landesregierungen und wichtige Teile des Parteiapparates wollten ihn ohnedies nicht. Auf gut gepolsterten Ministerposten friert man schließlich nicht.

Parteirechte und Aufstehen

Sozialproteste seien schon recht, so heißt es. Zusätzlich wird die „Abgrenzung nach rechts“ gefordert. An sich richtig, aber es geht dem rechten Flügel der Linkspartei dabei gar nicht um etwaige Nazis oder AfDler:innen, sondern darum, linke Mobilisierungen unter den Generalverdacht der „Rechtsoffenheit“ zu stellen, um so das eigene Fernbleiben zu entschuldigen. Vollends zur regierungstreuen Farce wird die Sache dann, wenn jede Kritik an den westlichen Sanktionen gegen Russland, ja selbst schon das Benennen eines Wirtschaftskriegs als solchen quasi als Unterstützung Putins denunziert wird.

Der rechte Parteiflügel will es sich offenkundig mit der Regierung nicht verscherzen. Fast noch mehr scheint er von einem wahrhaften Abgrenzungswahn gegenüber Sahra Wagenknecht und Aufstehen, also dem linkspopulistischen, an Mélenchons Partei La France Insoumise orientierten Flügel der Partei besessen zu sein.

Wir haben es daher mit der paradoxen Lage zu tun, dass jene Fraktion in der Linkspartei, die nicht im Vorstand vertreten ist, als einzige aktiv und auch mit viel Elan in den Bewegungen gegen die Preissteigerungen mobilisiert. Dabei agiert diese oft im Verbund mit der „Sozialistischen Linken“, der „populären Linken“ und mit DKP/SDAJ – nicht zuletzt auch, um den Boden für eine mögliche Abspaltung und Neuformierung zu den Europawahlen zu testen.

Die Parteirechte und der Aufstehen-Flügel vertreten in der aktuellen Lage eine durchaus klare Position zu einem heißen Herbst. Erstere will ihn verhindern, sie war schon gegen Schirdewan/Pellmann und die Montagsdemos. Ramelow und Co. wollen allenfalls von DGB und Sozialverbänden organisierte und kontrollierte, möglichst auf einen Tag beschränkte Aktionen.

Der Aufstehen-Flügel hingegen will eine linkspopulistische Massenmobilisierung, die auch Gewerkschaften und radikale Linke umfassen soll. Gegenüber einer realen Orientierung auf die Arbeiter:innenklasse, der Frage von Streiks und betrieblichen Kämpfen verhält er sich ignorant. Stattdessen wird das „Volk“ aufgerufen, eine Allianz bis hin zu den krisengeschüttelten Unternehmen angestrebt und der russische Imperialismus real verharmlost. Aber er beteiligt sich mit sehr viel Elan an den Aktionen, ja prägt diese in etlichen Städten. Dass Aufstehen versucht, den Mobilisierungen seinen politischen Stempel aufzudrücken, für seine Zwecke zu nutzen, um sich stärken zu wollen, kann ihm niemand ernsthaft vorwerfen. Das will schließlich jede politische Kraft, die in solchen Mobilisierungen aktiv ist.

Sowohl die Regierungssozialist:innen wie der Aufstehen-Flügel fürchten eine Spaltung der Linkspartei letztlich nicht, auch wenn beide das nicht unmittelbar anstreben. Sie lassen sich in jedem Fall ihr Handeln nicht von einer abstrakten „Einheit der Partei“ um fast jeden Preis diktieren.

Bewegungslinke

Die Bewegungslinke hingegen weicht dem Konflikt aus. Sie will zwar – allgemein und jenseits der Niederungen der Linkspartei wie überhaupt der politisch-fraktionellen Auseinandersetzungen in der Linken – eine Massenmobilisierung gegen die Regierung. Aber sie will zugleich keinen politischen Konflikt mit Aufstehen in der Bewegung. Denn das würde erfordern, in Bündnissen und einer entstehenden Bewegung offen um die Ausrichtung, die richtigen Forderungen und Methoden zu deren Aufbau zu streiten.

Eine solche Politik würde die Bewegungslinke selbst mit der Notwendigkeit konfrontieren, sich diese Frage zu stellen und zu beantworten. Sie müsste selbst eine strategische und programmatische Debatte klären – nicht nur zu unmittelbaren Forderungen, sondern auch zur aktuellen Krise, zum Krieg, zu dessen Charakter und zu den Sanktionen.

Dies würde sie jedoch nicht nur in eine Auseinandersetzung mit Aufstehen in Bündnissen zwingen, sie müsste einen wahrscheinlich noch viel tieferen Konflikt mit den Regierungssozialist:innen austragen, mit dem eigentlich rechten Flügel der Partei DIE LINKE. Eine aktive Beteiligung am Berliner Bündnis „Brot, Heizung, Frieden“ oder an ähnlichen in anderen Städten würde nämlich auch eine gewisse Kooperation mit Aufstehen, Gewerkschafter:innen, kommunistischen und sozialistischen Organisationen gegen Regierungssozialist:innen in Berlin, Thüringen und anderswo bedeuten. Dies allein schon deshalb, weil alle im Bündnis für gemeinsame Forderungen mobilisieren würden.

Die inneren Konflikte in der Linkspartei würde das also natürlich weiter zuspitzen – aber ausnahmsweise um eine Frage, die zugespitzt zu werden gehört.

Das Aussitzen dieser Frontstellung – und das sei all jenen in der Bewegungslinken, die Abwarten, Stillhalten und Halbherzigkeit für eine besonders kluge Taktik halten, auf den Weg mitgegeben – wird die Linkspartei nicht retten. Die Bewegungslinke aber wird noch mehr zu dem, was sie seit Jahren schon ist – einem Anhängsel der Regierungssozialist:innen.

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