Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, Infomail 1199, 29. September 2022
Der heiße Herbst nimmt langsam Fahrt auf. Bundesweit gehen immer wieder tausende Menschen auf die Straße – unter aktiver Beteiligung von gewerkschaftlich organisierten Kolleg:innen und ihren Strukturen. Auch in Berlin hat sich ein Bündnis „Heizung, Brot und Frieden“ gegründet, das von kämpferischen Gewerkschafter:innen unterstützt wird. Wir rufen alle Kolleg:innen auf, sich am Block der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften – VKG Berlin am 3.10. zu beteiligen.
Mit einer klassenkämpferischen und internationalistischen Ausrichtung wollen wir Druck auf die Unternehmen und die Regierung machen, die angesichts einer historischen, mehrfachen Krise des Kapitalismus nur eins im Sinn hat: die Gewinne einiger weniger Besitzender zu sichern, während sich die Masse der Beschäftigten im Winter entscheiden muss, ob sie sich Essen kauft, die Miete zahlt oder die Wohnung heizt, weil die Löhne nicht mehr zum Leben reichen.
Das Entlastungspaket hält nicht mehr als Brosamen für uns vor, während der Konzern Uniper jetzt auf unsere Kosten vom Staat aufgekauft werden soll – was insgesamt rund 30 Mrd. Euro kosten wird.
Das 100-Milliarden-Aufrüstungs-Paket der deutschen Bundesregierung ist Ausdruck einer beispiellosen Zeitenwende. Sie kündigt schärfere Konfrontationen zwischen den Großmächten an, die nicht nur zu mehr Krieg und Zerstörung, sondern auch zu schärferen sozialen Angriffen führen werden.
Von der sozialen Krise wollen rechte und nationalistische Kräfte profitieren. Doch ihre soziale Demagogie bedeutet in Wirklichkeit nichts anderes als die Verteidigung der Profite der deutschen Konzerne, während sie uns entlang nationaler, religiöser, geschlechtlicher usw. Linien spalten.
Es ist deshalb notwendig, einen gemeinsamen Kampf gegen die Auswirkungen von Inflation und Krise und gegen die militaristische Eskalation und die Klimakatastrophe zu führen. Stellen wir uns internationalistisch und solidarisch gegen Krise und Krieg – ohne uns auf die Seite Russlands oder der NATO zu stellen. Mit gewerkschaftlichen Mobilisierungen und Streiks für ein Notfallprogramm.
In Berlin wird die Demonstration am 3.10. bereits durch den Landesbezirksfachbereich A von ver.di Berlin-Brandenburg unterstützt. Das ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung einer Verbindung von sozialen Bewegungen wie „Heizung, Brot und Frieden“ und den Gewerkschaften. Doch das reicht nicht aus – was fehlt, sind die anderen Fachbereiche und der DGB insgesamt. Die knapp sechs Millionen Kolleg:innen im DGB haben die Kraft eine Bewegung in Gang zu setzen, die bislang Unorganisierte einschließt und der Kahlschlagspolitik der Regierung Einhalt gebieten kann.
Dass es am 22.10. von ver.di einen bundesweiten Aktionstag in vielen Städten gemeinsam mit Sozialverbänden und Initiativen geben soll und später Aktivenkonferenzen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber Slogans wie „Solidarisch durch die Krise“ bieten keine Antwort auf die drängenden Fragen der Mehrheit der Kolleg:innen, Rentner:innen, Jugendlichen, Geflüchteten usw.
Alle Preiserhöhungen müssen sofort gestoppt werden. Zwangsräumungen müssen gestoppt werden. Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für alle.
Während die Preise weiter steigen, stagnieren unsere Einkommen. Die Gewerkschaften müssen mit Streiks für Reallohnerhöhungen kämpfen und dafür sorgen, dass Löhne und staatliche Leistungen automatisch an die Inflation angepasst werden.
Die angekündigte Verstaatlichung von Uniper bedeutet nichts anderes als Vergesellschaftung der Verluste, während die riesigen Gewinne der Energiekonzerne privat bleiben. Wir hingegen kämpfen für die entschädigungslose Enteignung aller Energiekonzerne unter Kontrolle der Beschäftigten und Verbraucher:innen. Das Energiesystem muss dem Profitstreben entzogen werden, um uns sozial und ökologisch zu versorgen. Dies kann nur ein erster Schritt sein für eine andere Wirtschaftsform, die mittels Gemeineigentum unter demokratischer Kontrolle nach den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Gesellschaft ausgerichtet ist.
Mit Sanktionen und Waffenlieferungen will die Regierung nicht den Krieg beenden, sondern den deutschen Einfluss in der Welt ausbauen. Unsere Solidarität gehört weder den Regierungen in Moskau, Washington noch Berlin, sondern den Arbeiter:innen aller Länder. Die Bevölkerung der Ukraine hat weder unter Putin noch unter Selenskyj, EU oder NATO etwas zu gewinnen, sondern nur durch ihre unabhängige Mobilisierung. Der Krieg wird nicht durch die Waffen der NATO gestoppt, sondern dadurch, dass sich die Arbeiter:innen international zusammenschließen und gleichzeitig die Kriegslogistik der NATO und Russlands blockieren.
Rund 100 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, mehr als 10 Millionen flüchteten vor dem Krieg in der Ukraine. Wir fordern gleiche Rechte für alle Geflüchteten, bedingungslose Aufnahme, die Anerkennung aller Abschlüsse und volle Staatsbürger:innenrechte!
Die Regierung und die Unternehmen werden diese Forderungen nicht freiwillig umsetzen. Höhere Löhne und ein Ende der Militarisierung müssen mit Streiks durchgesetzt werden. In den vergangenen Monaten streikten bspw. die Hafenbeschäftigten und Kolleg:innen der Flughäfen für einen Inflationsausgleich. Im Oktober folgt der Metallsektor und im kommenden Jahr der Öffentliche Dienst.
In den Betrieben braucht es jetzt Diskussionen in Betriebsgruppen und -versammlungen über die Auswirkungen der Krise und wie dagegen gekämpft werden kann. Die kommenden Tarifrunden sollten zu einer Mobilisierung aller Kräfte und Verbindung mit politischen Bewegungen genutzt werden. Nicht nur im öffentlichen Dienst muss die Frage beantwortet werden, wo das Geld herkommen soll: von den Besitzenden, bspw. mittels einer Millionärsabgabe, Vermögenssteuern usw.
Über einzelne Kämpfe hinaus braucht es Kampagnen, ausgehend von den gewerkschaftlichen Strukturen in Betrieben und Orten, die Kämpfe über die Branchen hinaus verbinden. Ein bundesweiter Aktionstag von ver.di ist ein Anfang, aber eine bundesweite Demonstration, die Vorbereitung gemeinsamer Streiks und die Verbindung und Koordinierung von Kämpfen sind notwendig Maßnahmen.
Streiks gehören in die Hände der Streikenden – kein Kampf darf abgebrochen, kein Ergebnis angenommen werden ohne vorherige Diskussion und mehrheitliche Entscheidung der Kolleg:innen.
Zugeständnisse werden von der Regierung nicht durch kluge Verhandlungen in der Konzertierten Aktion erreicht, sondern sie müssen erzwungen werden. Deshalb: Gewerkschaften raus aus dem Bündnis mit Unternehmen und Regierung – ran an die Betriebe, raus auf die Straße!
Kommt am 12. Oktober 2022 zu unserem nächsten offenen Treffen, auf dem wir über weitere Aktionen im Heißen Herbst und die Bewegung in unseren Gewerkschaften gegen die Auswirkungen der Krise diskutieren werden.
Kontakt: berlin@vernetzung.org