Martin Suchanek, Infomail 1269, 11. November 2024
Das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen blieb 2024 aus. Schon früh wurde in der Nacht vom 5. zum 6. November deutlich, dass der Rechtspopulist, Rassist und aggressive Vertreter eines America First, Donald Trump, nach 2016 – 2020 zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt wurde.
Trump konnte alle sog. Swing States für sich entscheiden und 312 Wahlmännerstimmen gewinnen, Harris nur 226. Auch bezüglich der Zahl der Wähler:innenstimmen liegt Trump mit 74.650.754 Stimmen (50,5 %) klar vor seiner Konkurrentin, die nur 70.916.946 (47,9 %) erreichen konnte. Alle übrigen Kandidat:innen waren von vornherein chancenlos und blieben deutlich unter der 1 %-Marke. Jill Stein von den Grünen und der parteilose Robert F. Kennedy Jr., der seinen Wahlkampf zugunsten Trumps einstellte, konnten jeweils nur 0,5 % einfahren.
Massiv gesunken ist gegenüber 2020 die Wahlbeteiligung. Trump konnte die Stimmenzahl zwar leicht ausbauen (von 74.216.154 auf 74.650.754), aber das war nicht der Grund für den Erfolg. 2020 gewann Joe Biden mit 81.268.924 Stimmen. Kamala Harris verlor im Vergleich dazu mehr als 10 Millionen Wähler:innen!
Das spiegelt sich natürlich auch in einer Verschiebung der Anteile unter den Wähler:innengruppen wider (Die folgenden Zahlen siehe: https://edition.cnn.com/interactive/2024/politics/2020-2016-exit-polls-2024-dg/). So konnte Trump ein Plus von 13 % unter Erstwähler:innen verbuchen (2020 lag hier Biden mit 32 % vorne!). Unter den Männern lag er mit 13 Prozentpunkten vorn (2020 waren es nur 8 % gewesen). Bei Frauen erzielte Harris eine Mehrheit, aber mit 8 % auch eine deutlich geringere als Biden 2020 mit 15 %.
Trump gewann, wenig verwunderlich, unter weißen Wähler:innen deutlich: plus 23 % unter weißen Männern, plus 8 % unter weißen Frauen. Diese Verteilung entspricht faktisch der von 2020. Unter der schwarzen Bevölkerung verlor Harris unter den Männern (56 % gegenüber 60 % im Jahr 2020), konnte aber das Ergebnis unter den Frauen noch einmal verbessern (84 % gegenüber 81 % 2020). Die wirklich signifikante Verschiebung betrifft jedoch die Latinos. Trump konnte erstmals eine Mehrheit für einen republikanischen Kandidaten unter den männlichen Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe erzielen (plus 12 %), der demokratische Vorsprung unter den weiblichen Latinos schrumpfte ebenfalls massiv von 39 Prozentpunkten auf 22 %.
Generell gelang es Trump und den Republikaner:innen mit ihrer populistisch-rassistischen Agenda, wie schon 2016 die Mehrheit der weißen Arbeiter:innenklasse, aber auch andere Schichten der unterprivilegierten Teile der Bevölkerung für sich zu gewinnen. So sind Menschen mit schlechteren oder ohne Schulabschlüsse/n stärker unter seinen Wähler:innen vertreten. Er stützt sich – wie viele andere rechtspopulistische Kräfte – vor allem auf die Bevölkerung in ländlichen, klein- und mittelstädtischen Regionen, während die Metropolen weiter oft eine demokratische Mehrheit aufweisen.
Ganz deutlich ist jedoch auch, dass Trump die Stimmen jener gewinnen konnte, die ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht oder arm einschätzen, die trotz vergleichsweise hoher Wachstumsraten der US-Ökonomie an Einkommen und Kaufkraft verloren haben.
Obige Zahlen verdeutlichen vor allem eines: Die Niederlage von Harris und der Demokratischen Partei geht weit weniger auf die Mobilisierung von Trump und der Republikaner:innen zurück als auf die Abwendung von über 10 Millionen Wähler:innen. Daher verlor die Demokratische Partei nicht nur das Rennen um das Weiße Haus, sondern auch der Senat und mit größter Wahrscheinlichkeit das Repräsentantenhaus gingen an die Republikaner:innen.
Liberale und linksdemokratische Kommentator:innen greifen dabei gern auf das Erklärungsmuster zurück, dass Trump mit seiner Kampagne Angst schüre, die Menschen demoralisiere, Lügen verbreite und den US-Kapitalismus schlechtrede. Dabei laufe doch die US-Konjunktur gut wie schon lange nicht, das US-Kapital entwickle mehr Dynamik als die schwächelnde europäische, aber auch chinesische Konkurrenz, die US-Börsen ziehen endlich wieder Kapital aus der ganzen Welt an.
Dumm nur, dass diese Erfolge nicht bei den Massen ankommen. Trumps reaktionäre Demagogie besteht schließlich nicht darin, dass er deren reale Ängste, Einkommens- und Kaufkraftverluste anspricht, sondern sie mit einer rassistischen, neoliberalen, aggressiven populistischen und reaktionären innen- wie außenpolitischen Strategie verknüpft, die – nebenbei bemerkt – einen großen Teil seiner eigenen Wähler:innen in Form von Sozialabbau, Streichung von Obamacare und Preissteigerungen infolge von massiven Zollerhöhungen treffen wird.
Doch die Antwort von Harris und der Demokratischen Partei bestand gerade nicht darin, dem auch nur ein keynesianisches Reformprogramm der Umverteilung von unten nach oben wie den New Deal der 1930er Jahre entgegenzuhalten. Auf die „Schwarzmalerei“ Trumps antwortet sie mit der Schönfärberei der Marktwirtschaft, mit der Beschwörung des „amerikanischen Geistes“, der erst ihre eigene Karriere ermöglicht hätte.
Trumps Fake-News-Programm setzte sie eine ebensolche Realität gegenüber. Nicht nur Trumps Populismus greift auf Demagogie und Irrationalismus zurück, auch die Ideologie des demokratischen Imperialismus erweist sich als nicht minder verlogen – sei es für die Mehrheit der US-Arbeiter:innenklasse, für die Solidaritätsbewegung mit Gaza, die auch nach Ablösung des verhassten „Genocide Joe“ von den demokratischen Phrasen nichts mehr wissen wollte; seien es US-Gewerkschafter:innen, Umwelt-, antirassistische und antisexistische Aktivist:innen, die sich mehr und mehr von einer Demokratischen Partei abwandten, für die sie letztlich nie mehr als Stimmvieh abgaben.
Dieser Effekt wurde noch verstärkt durch die Strategie der demokratischen Parteiführung, den Wahlkampf auf die Gewinnung „moderater“ Republikaner:innen in den Swing Staates auszurichten. Daher wurde ein ohnedies schon lahmes, demokratisch-imperialistisches Programm noch weiter weichgespült. Massenabschiebungen an den Grenzen, so ließ Harris verlauten, würde auch die Demokratische Partei durchführen wollen. Ja, sie warf Trump sogar vor, dass er Gelder für 1.500 weitere Grenzschutzbeamt:innen und 100 Richter:innen für Schnellabschiebungen blockiert hätte, um somit Joe Biden mangelnde Härte vorwerfen zu können. Und natürlich bedeutet der Versuch, die moderaten Republikaner:innen, die Cheneys und Schwarzeneggers für ihren Wahlkampf zu gewinnen, auch ein weiteres Versprechen an alle Schichten des US-Kapitals, ihre Interessen unter einer Harris-Präsidentschaft zu schützen.
Diese Strategie entspricht zweifellos dem Charakter der Demokratischen Partei. Sie reflektiert aber auch die bornierte Weltsicht ihre Strateg:innen, denn die „moderaten“ Republikaner:innen erwiesen sich bei den Wahlen als politische Nullnummer.
Die Biden/Harris-Präsidentschaft war über vier Jahre offen prokapitalistisch und eine klar proimperialistische Regierung. Dennoch hielten ihr die Gewerkschaftsbürokratie, aber auch die Spitzen der reformistischen Linken wie der DSA bei den Wahlen die Treue und versuchten, Harris einmal mehr als das kleinere Übel „anzupreisen“. Auch diese Taktik ist einmal mehr glänzend gescheitert und verdeutlicht, wie wenig diese Apparate bereit sind, selbst mit einer noch so maroden demokratisch-imperialistischen Partei zu brechen. Und es verdeutlicht, dass der Kampf für eine Arbeiter:innenpartei als politische Alternative zu beiden kapitalistischen Parteien offensiv gegen diese Apparate geführt werden muss. Der Kampf gegen die kommende Trump-Regierung muss daher zweierlei kombinieren. Erstens eine breite Einheitsfront der Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten gegen alle ihre Angriffe. Zweitens das Ringen für eine Arbeiter:innenpartei, bei deren Formierung revolutionäre Kommunist:innen von Beginn an für ein revolutionäres Programm kämpfen müssen, ohne dies jedoch ultimatistisch zur Voraussetzung für ihre Teilnahme zu machen.
Auch wenn Trump kein Wahlprogramm im Sinne europäischer Wahlkämpfe vorlegte, so gehen er und die unter ihm zu einer rechtspopulistischen Partei umgestaltete Republikanische Partei mit deutlich klareren Vorstellungen in die neue Präsidentschaft als 2016. Das 2023 von der erzkonservativen Heritage Foundation, einem republikanischen Think Tank, vorgelegte „Project 2025“ legt die strategische Ausrichtung einer zukünftigen Trump-Regierung dar und entwickelt zentrale Vorhaben auf allen wichtigen Politikfeldern im Inneren wie Äußeren. Natürlich werden diese selbst von der neuen Administration nicht eins zu eins übernommen werden, da in die Beschlüsse auch noch andere wichtige Kapital- und Interessen von verschiedenen Kräften der Trump-Bewegung einfließen werden. Doch sie stellen eine Art strategische Leitlinie dar.
Der Kern von Trumps „America First“ besteht im Grunde in der Einschätzung, dass der „demokratische“, multilaterale Weg zur Wiederherstellung der globalen US-Hegemonie gescheitert sei. Die USA ließen sich vielmehr von aufsteigenden Feind:innen wie China und von verschlagenen Verbündeten wie der EU gleichermaßen vorführen. Internationale Institutionen und „schlechte Deals“ zwängen den USA drakonische Vorschriften z. B. auf dem Gebiet des Umweltschutzes auf. Die Verbündeten ließen sich ihre Streitkräfte und Sicherheit von den USA finanzieren, während ein schwacher demokratischer Präsident immer mehr Einfluss in der Welt verspiele. Daher werde alles immer schlechter.
Im Inneren hätte sich eine vaterlandslose, woke, multikulturelle und kosmopolitische „Elite“ des Staatsapparates und der Regierung bemächtigt, die das Land inneren wie äußern Feind:innen ausliefere – und zwar nicht nur anderen Staaten, sondern auch einer migrantischen „Invasion“ an der Grenze zu Mexiko.
Mit diesen, so die Botschaft Trumps, müsse im Inneren radikal aufgeräumt werden. In der Außenpolitik braucht es einen Kurswechsel weg vom Multi- hin zum Unilateralismus und eine strikt am Eigeninteresse orientierte internationale Politik, die sich auf jene Konflikte und Kriege konzentriere, die rasch zu gewinnen seien, und nicht Milliarden in nutzlosen Unternehmungen wie in der Ukraine verschwende.
Trumps Presidential Transition Project 2025 inkludiert programmatische Eckpfeiler, die der neu gewählte Präsident in den ersten 180 Tagen seiner Amtszeit auf den Weg bringen will.
Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen umfassen die Abschaffung vieler Regularien, die die Freiheit des Kapitals einschränken – vor allem Arbeitsplatzsicherheit, Kündigungs-, aber auch Umweltschutz. Das ohnedies unzureichende Gesundheitsprogramm Obamacare soll ganz abgeschafft, andere Sozialausgaben sollen massiv gekürzt werden.
Die Wende zu erneuerbaren Energien und der ökologische Umbau der US-Ökonomie, die schon unter Biden viel Schein und wenig Sein waren, sollen einer Wende zum Ausbau fossiler Energieträger (v. a. über Fracking) weichen. Darüber hinaus gibt es Steuerkürzungen für Reiche und vor allem Superreiche. Damit die US-Ökonomie ihre angebliche Benachteiligung auf dem Weltmarkt ausgleichen kann, will Trump außerdem massive Einfuhrzölle verhängen, um so den Import von Waren zu verteuern und mehr Wertschöpfung in die USA zu holen (Genaueres weiter unten).
All das entspricht sehr klar den Interessen von gewichtigen Teilen des US-Kapitals. Trump und seine Partei sind eng verknüpft mit großen Monopolen des Energiesektors, der Medien (Google, X Corp), der Hightechindustrie und dem US-Finanzkapital.
Trump hat außerdem angekündigt, Elon Musk mit der Bildung einer Government Efficency Commission zu beauftragen und das „Genie“ zu einer Art Superminister zu krönen. Dieser soll die Arbeit, Struktur und das Budget aller Regierungsbehörden und assoziierten Stellen bewerten und einen Vorschlag zur Umstrukturierung des gesamten Regierungsapparates unterbreiten.
Dies ist eng verknüpft mit dem Konzept der Unitary Executive Theory. Statt von Gewaltenteilung zwischen den verschiedenen Abteilungen des Staatsapparates wird davon ausgegangen, dass die Präsidentschaft über allen Gewalten steht. Diese autoritäre Wendung, die auch mit einer Säuberung und Neubesetzung wichtiger Staatsfunktionen einhergehen soll, wird ihrerseits damit begründet, dass sich die „Elite“ des Apparates bemächtigt und die Demokratie zerstört hätte, die nur noch ein „starker Mann“ retten könne. Auch wenn Trump und seine Bewegung selbst keine faschistische darstellen, so wird er die bonapartischen Elemente der US-Verfassung und ihre repressiv-autoritären Elemente massiv verschärfen.
Die extrem rassistische und sexistische Agenda Trumps dient nicht nur als Kitt, um seine Wähler:innen und Anhänger:innen über Klassengrenzen hinweg für eine neoliberale Agenda bei der Stange zu halten. Je nach Aussagen Trumps sollen 1 bis 20 Millionen „illegale Einwohner:innen“ deportiert werden. Der angedrohte Krieg gegen die Migrant:innen, ihre Bezeichnung als Invasionsarmee sollen dabei bewusst eine Stimmung der permanenten Spannung, der scheinbaren „Belagerung“ der USA schaffen – und damit auch eine innere Militarisierung und Gleichschaltung der Staatsorgane weiter legitimieren.
Die Migrant:innen und rassistisch Unterdrückten, Frauen und LGBTIAQ-Personen werden einem Klima permanenter Hetze ausgesetzt werden, permanenten Angriffen sowie reaktionären Gesetzesverschärfungen und Ausbau von Polizeibefugnissen, die im Falle von Widerstand der Arbeiter:innenklasse oder sozialen Bewegungen „natürlich“ auch gegen Streiks und Gewerkschaften eingesetzt werden können.
Der Reaktion im Inneren entspricht die außenpolitische Agenda. Die Wirtschaftspolitik zielt dabei auf die Stärkung des US-Kapitals nicht nur durch Steuerbegünstigungen im Inneren, sondern auch durch eine protektionistische Zollpolitik. Alle importierten Waren sollen mit mindestens 20 % Zoll belegt werden, jene aus China mit 60 %. Dass das auch die Preise der Konsumgüter in den USA massiv steigen lassen wird, verschweigt Trump geflissentlich, ebenso dass sich damit auch Produkte wichtiger US-Konzerne, die wesentlich auf chinesischen Vorprodukten basieren, verteuern.
Doch bei all dem sollte nicht übersehen werden, dass Trumps Politik kurzfristig durchaus erfolgreich sein kann. Die USA sind nicht nur weiter die größte Wirtschaftsmacht, der größte Markt der Welt, der mit Abstand wichtigste Finanzmarkt und der US-Dollar fungiert noch immer als Weltgeld. Die ökonomische Stellung der USA wurde unter Biden zumindest vorübergehend gestärkt. Ironischerweise begünstigt dieser Erfolg seines Vorgängers nun unmittelbar Trump.
Kurzfristig können die USA ihren jeweiligen Verhandlungspartner:innen durchaus ungünstige Handelsbedingungen und Deals aufzwingen, weil ihre schwächeren Kontrahent:innen eine dauerhafte Konfrontation mit ihnen noch mehr fürchten als die Verhängung von Benachteiligungen. Während die EU oder China noch über eine eigene Verhandlungsmacht verfügen, trifft das auf die meisten halbkolonialen Länder erst gar nicht zu.
Doch längerfristig werden diese Maßnahmen Trumps unwillkürlich den Kampf um die Neuaufteilung der Welt verschärfen. Die EU oder selbst China mögen in der aktuellen Lage einige Konzessionen machen, aber zugleich werden sie wie auch Japan oder die BRICS-Staaten eigene Gegenmaßnahmen (Schutzzölle, Handelsabkommen, Wirtschaftsblöcke) einführen. Zugleich werden auch sie zunehmend ihre ohnedies oft nur auf dem Papier stehenden Pläne für marktwirtschaftlichen Umweltschutz auf Eis legen.
Kurzum: Der Kampf um die ökonomische Neuaufteilung der Welt und die Tendenz zur Blockbildung werden sich massiv verschärfen.
Im Nahen Osten bedeutet die Wahl Trumps nichts anderes als eine Freikarte für Israel zum Völkermord, zur vollständigen Vertreibung und Marginalisierung der Palästinenser:innen im Gazastreifen und in der Westbank wie auch zur Errichtung einer dauerhaften Besatzung im Südlibanon.
Itamar Ben Gvir, Minister für Nationale Sicherheit und ein verurteilter Unterstützer terroristischer Organisationen, jubelte in der Knesset: „Jetzt ist die Zeit für Souveränität, die Zeit für den totalen Sieg. Die Zeit, um die Todesstrafe für Terroristen hier in Israel zum Gesetz zu machen. Alle Arten von Gesetzen, bei denen ich keinen Zweifel habe, dass der US-Präsident sie so sieht wie wir.“
Doch nicht nur die Regierung, sondern natürlich auch die Opposition in Israel gratulierte Trump.
Mittelfristig besteht sein Ziel jedoch auch darin, die Abraham Accords Declaration mit den reaktionären arabischen Regimen wiederzubeleben. Im Gegenzug werden Diktaturen und repressive Regime wie Saudi-Arabien, Ägypten oder die Türkei keine US-Kritik an Menschenrechtsverletzungen fürchten müssen. Allerdings wird die Kriegsgefahr mit dem Iran über dieser ganzen, reaktionären Neuordnung des Nahen Ostens drohen.
Während Israel weiter Milliarden an US-Unterstützung erhalten soll, sieht es für die Ukraine düster aus.
Trump hat nicht nur lautstark verkündet, binnen eines Tages Frieden zu bringen, er hat vor allem auch eine massive Reduktion der US-Wirtschafts- und Militärhilfe für die Ukraine versprochen.
Auch wenn Trump einen Frieden nicht ohne „Deal“ für die US-Wirtschaft abschließen will, so läuft der „Friedensplan“, den u. a. der zukünftige Vizepräsident JD Vance schon im Frühjahr 2024 vorstellte, faktisch auf die Anerkennung der Kriegsziele des russischen Imperialismus hinaus. Dieser sieht ein Einfrieren der Front, Verhandlungen und Demilitarisierung einer Pufferzone vor. Die Ukraine müsse territoriale Zugeständnisse an Russland machen und sich bis 2040 zur Neutralität verpflichten. Das würde einen Beitritt zur NATO ausschließen, auch wenn sie – natürlich für gutes Geld – aufgerüstet würde. Die Frage eines möglichen EU-Beitritts bleibt unklar.
In jedem Fall wird das ein imperialistischer Frieden, der faktisch auf eine Aufteilung des Landes und auf eine noch stärkere Durchdringung der Ukraine durch den russischen Imperialismus im Osten und durch den westlichen Imperialismus hinausläuft. Das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine spielt bei diesem Deal sicher keine Rolle.
Eng mit der Ukraine verbunden ist auch ein zweiter Bruch der Politik Trumps mit jener Bidens. Der neue US-Präsident betrachtet die EU und ihre führenden Mächte, vor allem Deutschland, als Konkurrenz, nicht als Verbündete. Daran ist natürlich auch etwas Wahres. Deutschland spielt natürlich auch mit im Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Die EU stellt dabei ein, wenn auch selbst recht stumpfes, Mittel dar.
Dieser zwiespältige Charakter des Verhältnisses USA – EU zeigt sich deutlich bei der Frage der Aufrüstung und NATO. Trump fordert wie auch alle anderen US-Regierungen der letzten Jahrzehnte eine massive Erhöhung der Ausgaben und „Verantwortung“ der europäischen Staaten. Ansonsten droht die USA mit „Rückzug“. Zugleich liegt die Aufrüstung auch im Interesse der europäischen imperialistischen Bourgeoisien selbst. Aber sie fürchten weiter bedeutende innere Widerstände, denn zur Finanzierung dieser Militärausgaben sind massive Angriffe auf die Lohnabhängigen erforderlich.
Kurzfristig wird die Präsidentschaft Trumps die Krise der EU vertiefen und die inneren Gegensätze vergrößern. Sie kann aber, kombiniert mit einer Befriedung in der Ukraine, auch zu einer Neuorientierung von (Teilen der) europäischen Bourgeoisie führen. Kurzfristig werden sie zwar die transatlantische Partnerschaft beschwören, aber Teile der herrschenden Klassen werden auch eine alternative Politik gegenüber Russland und China wieder ins Spiel bringen. Vor allem aber steht die EU vor der Frage, ob sie selbst zu einer stärken kapitalistischen Vereinheitlichung unter Führung Deutschlands und Frankreichs fähig ist oder sich ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten herausbildet.
Der eigentliche Hauptfeind der USA ist aber die zweitgrößte, aufsteigende imperialistische Macht – China. Die geplante Reduktion von Ausgaben für Kriege, aber auch die NATO in Europa, die Forderungen an diese Verbündeten, ihre Militärausgeben zu steigern, zielen darauf, US-Ressourcen für den wirtschaftlichen, politischen und militärischen Hauptkonflikt frei zu kriegen.
Die strategischen Überlegungen von Trump-Berater:innen und konservativen Think Tanks gehen davon aus, dass sich die USA nicht leisten können, an verschiedenen Orten auf längere militärische und damit auch wirtschaftlich kostspielige Konflikte einzulassen.
Der Krieg um die Ukraine schwächt in dieser Sichtweise letztlich ihre Fähigkeit, sich auf den Pazifik und China zu konzentrieren.
Es geht grundsätzlich darum, die Ausweitung Chinas als imperialistische Macht ökonomisch und geostrategisch zu stoppen und einzugrenzen. Daher spielen Staaten wie
Taiwan und Südkorea eine wichtige Rolle – allerdings nicht ohne Druck, dass auch diese ihren Militärhaushalt erhöhen und mehr Kosten zu übernehmen sollten. So findet sich im Project 2025 die Forderung an Taiwan, das Verteidigungsbudget zu vervierfachen. Kurzfristig wird das die Beziehungen zu ihm nicht ändern, aber es wird natürlich auch im Land die Frage aufwerfen, ob die US-Bindung auf Dauer alternativlos ist.
In jedem Fall wird Trumps Politik zu einer Verschärfung des globalen Hauptgegensatzes der imperialistischen Ordnung, zwischen den USA und China, führen müssen.
So wahnwitzig und irrational der Trumpismus auch erscheint, so stellt er eine Strategie des US-Imperialismus dar, um den langfristigen Niedergang seiner hegemonialen Stellung aufzuhalten. Der Aufstieg Trumps reflektiert daher auch, ja vor allem einen inneren Gegensatz innerhalb der herrschenden Klasse in den USA.
Dazu wurde die Republikanische Partei selbst politisch transformiert, zu einer populistischen Partei samt einer solchen Bewegung. Dies inkludiert ein Bündnis verschiedener Klassen bzw. Klassenfraktionen unter Führung von Teilen des Finanz- und Monopolkapitals.
Um diese imaginäre, falsche Einheit herzustellen und aufrechtzuerhalten, muss der Populismus auf den Gegensatz zwischen „Volk“ und liberaler, linker, woker, sozialistischer „Elite“ zurückgreifen, die das Volk verraten und sich des Staates bemächtigt hätte. Sie habe sich außerdem mit fremden „Mächten“ – Migrant:innen, China, EU etc. – verschworen.
Diese reaktionäre Ideologie ist notwendig, um Trumps Anhänger:innen einen Sündenbock für massive Verschlechterungen zu präsentieren, die seine neoliberale und protektionistische Politik der Masse seiner Wähler:innen bescheren wird. Daher bedarf es der innere Verknüpfung von Neoliberalismus in den USA mit Rassismus, Nationalismus, Autoritarismus, Sexismus, religiösem Obskurantismus. Der Trumpismus braucht Irrationalismus, aber er ist nicht einfach „unvernünftig“, wie die bürgerliche Mitte behauptet, sondern eine aggressivere Form, imperialistische Interessen zu verfolgen.
Die neue US-Regierung stellt daher eine extrem Gefahr für die Arbeiter:innenklasse und Unterdrückte in den USA und weltweit dar. Um nur einige Punkte aufzuzählen:
Von der Demokratischen Partei ist kein ernsthafter Widerstand zu erwarten. Ihre Alternative zu Trump bildet letztlich nur eine andere Strategie zur Wiederherstellung der US-Hegemonie. Sie bleibt ein Teil des Problems, nicht der Lösung!
Solange die US-Linke, die Gewerkschaften, die sozialen Bewegungen nicht aus der Umklammerung durch die Demokratische Partei ausbrechen, werden sie politisch nicht in Erscheinung treten können. Nur so werden sie in den Kämpfen gegen die kommende Regierung zu einer vorwärtstreibenden Kraft werden können. Dazu braucht es einerseits eine Einheitsfrontpolitik, eine gemeinsame Mobilisierung im Kampf mit allen Kräften der Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten, vor allem auch der Gewerkschaften.
Zugleich geht es um die Bildung eine Klassenpartei, einer Partei der Arbeiter:innenklasse, die in den Betrieben, Gewerkschaften, Wohnvierteln und unter allen Schichten der Klasse, ob POCs oder weiße, ob „legale“ oder „illegale“ verankert ist. Eine solche Partei muss nicht nur in der Klasse und in Bewegungen verankert sein, sie braucht auch eine klassenpolitisches Ausrichtung. Klassenübergreifende linkspopulistische oder grüne Parteien stellten dabei keinen Schritt in diese Richtung, sondern nur einen kleinbürgerlichen Irrweg dar.
Die Aufgabe der US-amerikanischen Arbeiter:innenklasse und der Bewegungen der sozial Unterdrückten besteht darin, ihre Organisationen, vor allem die Gewerkschaften, endgültig und unwiderruflich von den Demokrat:innen zu lösen und eine Partei der sozialistischen Revolution zu gründen. Alle diese Kräfte müssen sich vereinen, um gegen die Person zu kämpfen, die am 20. Januar 2025 als Präsident der USA vereidigt wird.
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