Arbeiter:innenmacht

Sicherheitspaket der Bundesregierung – Rassismus made by Ampel

Stefan Katzer, Infomail 1265, 25. September 2024

Die Wahlen im Osten sind gelaufen. Mit Brandenburg hat das dritte ostdeutsche Bundesland in diesem Jahr gewählt. Nachdem die AfD bereits in Sachsen und Thüringen massiv an Stimmen dazu gewinnen konnte und in Thüringen sogar mit Abstand stärkste Kraft wurde, konnten die CDU in Sachsen und die SPD in Brandenburg einen Wahlsieg der AfD knapp verhindern. Der Wahlkampf der SPD in Brandenburg war auf dieses Ziel zugespitzt und viele Wähler:innen haben vermutlich taktisch abgestimmt, um einen Sieg der AfD zu verhindern. Mehr als ein symbolischer Sieg ist dies allerdings nicht. Es handelt sich schlicht um eine Stimmenumverteilung innerhalb des bürgerlich-demokratischen Lagers, während die AfD insgesamt gestärkt wurde. Hinzu kommt, dass alle bürgerlichen Parteien in der Frage der Migrationspolitik weit nach rechts gerückt sind. Die realen Auswirkungen dieses Rechtsrucks lassen sich durch den  symbolischen Sieg des „demokratisch-bürgerlichen“ Lagers somit in keiner Weise aufwiegen.

Denn während die bürgerlichen Parteien die Ergebnisse der zurückliegenden Landtagswahlen noch auswerten und mögliche Regierungsbildungen sondieren, stehen die größten Verlierer:innen der Wahl bereits fest: Es sind die Geflüchteten und rassistisch Unterdrückten, die erneut mit einem massiven Angriff auf ihre Rechte und Lebensbedingungen rechnen müssen.

Kürzen, verschärfen, abschieben – made by Ampel

Hierfür ist eine Beteiligung der AfD an den jeweiligen Landesregierungen gar nicht erforderlich, da die übrigen Parteien von Grünen, FDP, SPD bis Union ohnehin bereits die meisten ihrer Positionen übernommen haben und sich nun daranmachen, in eigener Verantwortung deren Forderungen umzusetzen. Dabei können sie selbstredend auch auf die Unterstützung aus dem Wagenknechtbündnis setzen, das ebenfalls auf einen härteren Kurs gegenüber Geflüchteten setzt. Alles, um die AfD zu bekämpfen, versteht sich.

So hat etwa die Ampelkoalition kurz nach dem mörderischen Anschlag in Solingen und noch vor den drei Landtagswahlen im Osten weitere Verschärfungen im Asyl-, Waffen- und Aufenthaltsrecht angekündigt. Das sogenannte „Sicherheitspaket“, das die Bundesregierung nun gemeinsam mit den Ländern und unter Beteiligung der Unionsparteien auf Bundesebene beraten und umsetzen will, sieht unter anderem eine Ausweitung von Messerverbotszonen vor. In Bussen und Bahnen sowie auf größeren Veranstaltungen soll es in Zukunft generell gelten. Darüber hinaus sollen Springmesser bis auf wenige Ausnahmen für bestimmte Berufsgruppen grundsätzlich verboten werden.

Mehr Befugnisse für Repressionsorgane

Um dieses Verbot umsetzen zu können, wird die Bundespolizei die Befugnis erhalten, Menschen verdachtsunabhängig zu kontrollieren. Darüber hinaus sollen die bürgerlichen Repressionsorgane auch im „Kampf gegen den Islamismus“ weiteren Spielraum erhalten. So sieht das Paket unter anderem vor, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Fahndung von gesuchten Straftäter:innen zuzulassen und auch Daten aus dem Internet heranzuziehen, um eine automatische Gesichtserkennung zu ermöglichen.

Abschiebungen um jeden Preis

Darüber hinaus möchte die Ampel erneut das Asylrecht verschärfen und unter anderem Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien ermöglichen. Ein erster Abschiebeflug von 28 straffällig gewordenen Geflüchteten nach Afghanistan hat bereits stattgefunden. Solche sollen in Zukunft noch erleichtert und die Schwelle für ein „schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ weiter gesenkt werden – und das, obwohl außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter in in Afghanistan laut Amnesty International an der Tagesordnung sind.

Seit ihrer Machtübernahme im August 2021 haben die Taliban Mädchen von höherer Schulbildung ab der 6. Klasse ausgeschlossen. Öffentliche Hinrichtungen und Auspeitschungen für Verbrechen wie Mord, Raub und Ehebruch finden neben Folterungen dort alltäglich statt. Das neue Tugendgesetz vom 21.8.2024 schreibt Frauen die Verhüllung von Gesicht und Körper in Gegenwart von Männern vor, mit denen sie nicht verwandt sind, verbietet ihnen Singen und lautes Lesen in der Öffentlichkeit. Ohne männliche Begleitung dürfen sie das Haus nicht verlassen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Männern diktiert das Gesetz Bart- und Hosenlänge. Homosexualität und Musik in der Öffentlichkeit sind ebenso verboten wie das Feiern nichtislamischer Feiertage wie des weit verbreiteten iranischen Neujahsfests Nouruz (NEUES DEUTSCHLAND vom 5.9.2024, Seite 2).

Dennoch sehen die Pläne der Ampelregierung vor, dass Menschen, die zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wurden, in Zukunft ausgewiesen werden sollen. Bei einer ab einem Jahr kann dies in Erwägung gezogen werden. Die Begrenzung auf bestimmte Gewaltdelikte soll zudem aufgehoben werden. Ein voller Erfolg für die AfD also, umgesetzt von SPD, Grünen, FDP.

Das Gleiche gilt für Geflüchtete, die in Deutschland Schutz erhalten und in ihr Heimatland reisen. Sofern dies nicht geschieht, um einen Verwandten zu beerdigen o. ä., soll dies künftig zum Verlust des Schutzstatus führen. Als wäre das alles noch nicht genug, sollen ausreisepflichtigen Asylbewerber:innen in Zukunft die Sozialleistungen gestrichen werden. Letzteres soll auch für sogenannte Dublinfälle gelten, also für Schutzsuchende, für die ein anderes europäisches Land zuständig ist, sofern dieses zur Rücknahme bereit ist (NEUES DEUTSCHLAND vom 4.9.2024, Seite 5).

Union als Einpeitscherin

Selbstredend geht das der Union alles nicht weit genug. Diese forderte darüber hinaus eine deutliche Ausweitung der Grenzkontrollen und die direkte Zurückweisung von Geflüchteten an der deutschen Grenze, sofern diese über einen sicheren Drittstaat einreisen, was angesichts der geographischen Lage Deutschlands fast immer der Fall ist. Friedrich Merz verband sein Angebot, gemeinsam mit der Ampel das „Sicherheitspaket“ zu beraten und verabschieden, mit der unverzüglichen Umsetzung dieser Forderung. Die Ampelkoalition hat daraufhin tatsächlich an allen deutschen Landesgrenzen Kontrollen eingeführt und mit der Zurückweisung von Geflüchteten begonnen. Während die Grünen dies eher zurückhaltend unterstützten, hat die FDP sogar durchblicken lassen, dass sie in der Migrationsfrage im Zweifel auch bereit wäre, mit der Union gemeinsame Sache zu machen. Ihr Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erklärte im Bundestag, es gäbe keine Ampel in der Migrationspolitk und beteuerte, dass die Union den Liberalen in dieser Frage viel näherstehe als die Grünen.

Was dies konkret bedeutet, machte etwa Alexander Throm (Innenpolitischer Unionsfraktionssprecher) deutlich, als er die Forderung in Spiel brachte, die Sozialleistungen für alle geduldeten Menschen zu kürzen, nicht nur für ausreisepflichtige Asylbewerber:innen.

Die Union erhöht somit weiter den Druck auf die Ampel. Diese ist ihrerseits darum bemüht, ihre eigenen massiven Asylrechtsverschärfungen der letzten Monate als bereits unternommene Schritte in die richtige Richtung anzupreisen.

Bei diesem üblen rassistischen Spiel darf natürlich auch das BSW nicht fehlen. In der Presseerklärung „Deutschland darf nicht länger Flüchtlingsmagnet in Europa sein“ überholen die Bundestagsgruppe und Wagenknecht Merz noch rechts: „Auch die Zurückweisungsdebatte von Friedrich Merz springt zu kurz. Deutschland darf nicht länger Flüchtlingsmagnet in Europa sein. Dafür müssen die vielen Anreize weg, nach Deutschland weiterzureisen. Kein Asylverfahren und keine Leistungen für Asylsuchende, die aus sicheren Drittstaaten einreisen, die Beweislast für die direkte Einreise trägt der Antragsteller. Asylanträge von Personen ohne Ausweisdokumente sollten als unzulässig abgelehnt werden. Keine Leistungen mehr für abgelehnte Asylbewerber und wir sollten nach dänischem Vorbild Rückkehrzentren schaffen. Es darf nicht sein, dass sich Ausreisepflichtige mit leichten Kniffen der Abschiebung entziehen können.“

Da fällt es der AfD fast schon schwer, sich noch rassistischer zu positionieren. Gegenüber CDU/CSU und BSW reklamiert sie vor allem das Urheberrecht, ihre viel größere Glaubwürdigkeit als Rechtsaußen und sie schafft es zugleich, immer noch eins draufzulegen – beispielsweise mit der Forderung nach Eingangskontrollen für Ausländer:innen bei Volksfesten oder nach einem eigenen Brandenburger Grenzschutz.

Von der angeblichen „Brandmauer“ gegenüber der AfD bekommen die Geflüchteten jedenfalls nichts zu spüren. Und den Zulauf zur AfD bremst der Scheiß auch nicht, wählen doch rund 30 % der Wähler:innen im Osten rechtsextrem und damit das konsequent völkische Orginal statt der konservativen und reformistischen Kopien. Statt sich schützend vor die Geflüchteten zu stellen,  führt die Ampel selbst von rechts geforderte Angriffen aus – und die Rechte legt dann nach. Doppelpass nennt man das.

Auch in Bezug auf das Bürgergeld drohen weitere Angriffe. Während die SPD bereits eine Nullrunde für das nächste Jahr angekündigt hat, geht das der FDP wiederum nicht weit genug. Diese fordert Kürzungen.

Widerstand aufbauen!

An all dem wird deutlich, dass der Rechtsruck bereits jetzt zu massiven Angriffen auf die Rechte von Geflüchteten und Lohnabhängigen geführt hat – ganz ohne Regierungsbeteiligung der AfD.

Es reicht daher nicht aus, den Kampf gegen Rassismus auf den gegen die AfD zu beschränken. Denn Kräfte wie das Bündnis Sahra Wagenknecht versuchen, eine einfache Antwort auf die Debatte zu geben: Mehr soziale Sicherheit für die arbeitenden Deutschen, keine „Geschenke“ an Geflüchtete oder Bürgergeldempfänger:innen. Anders gesagt: Mittels Rassismus und Sozialchauvinismus vertieft Wagenknecht die existierende Spaltung, steigert Abstiegsängste und sorgt damit für einen Rechtsruck in der Sozialdemokratie, wie die Wähler:innenwanderungen bei Europa- und Landtagswahlen zeigen.

Stattdessen ist ein gemeinsamer Kampf aller Lohnabhängigen und Unterdrückten notwendig, um den Rechtsruck zu stoppen und diesem eine fortschrittliche Perspektive entgegenzustellen. Die antirassistischen Kräfte müssen sich dringend neu formieren und unter Einbeziehung der Gewerkschaften und anderer Organisationen und Parteien der Arbeiter:innenklasse für Massenmobilisierungen auf den Straßen eintreten. Dabei sollten insbesondere die Verteidigung der Rechte von Geflüchteten und Migrant:innen sowie der Sozialleistungen aller Lohnabhängigen im Mittelpunkt stehen. Diese Verbindung wird dabei wichtiger denn je und darf nicht nur auf abstrakter Ebene stattfinden, sondern muss sich in Kämpfen für konkrete Verbesserungen ausdrücken, z. B. für einen höheren Mindestlohn und Mindesteinkommen für alle. Zu Betriebsversammlungen sollten beispielsweise auch Geflüchtete aktiv eingeladen werden, zu sprechen und den Kampf mitzugestalten. Bei den kommenden Tarifrunden wie Metall/Elektro oder dem TVöD 2025, bei denen muss Ziel sein, nicht nur den Reallohnverlust klein zu halten, sondern tatsächliche Lohnerhöhungen zu erstreiken. Vor allem aber müssen wir gegen aktuelle Angriffe mobilmachen, den Kampf gegen alle Abschiebungen und für volle Staatsbürger:innenrechte für alle Geflüchteten und Migrant:innen führen. Um eine solche Perspektive in die Tat umsetzen, brauchen wir einen konkreten Plan, der auf der Aktionskonferenz von „Widersetzen“ im Leipzig beraten und beschlossen werden muss.

image_pdf

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vom Widerstand zur Befreiung

Für ein freies, demokratisches, sozialistisches Palästina!

Broschüre, A4, 48 Seiten, 3,- Euro

Lage der Klasse – Podcast der Gruppe Arbeiter:innenmacht

Internationalistisches revolutionäres Sommercamp

Südamerika - Politik, Gesellschaft und Natur

Ein politisches Reisetagebuch
Südamerika: Politik, Gesellschaft und Natur
Ich reise ein Jahr durch Südamerika und versuche in dieser Zeit viel über die Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und natürlich auch die Landschaften zu lernen und möchte euch gerne daran teilhaben lassen