KD Tait, Infomail 1262, 16. August 2024
Eine Welle rechtsextremer Demonstrationen, die sich gegen Flüchtlingsunterkünfte und Anwält:innen von Migrant:innen richtet, geht seit Anfang August durch das Land. Doch am Abend des 7. August kam diese nicht zustande, nachdem Zehntausende von Antirassist:innen zur Verteidigung migrantische Communities demonstriert hatten.
Dieser Kraftakt schwarzer, weißer und asiatischer Arbeiter:innen von Newcastle bis Southampton zeigt, dass der beste Weg, sich dem rechtsextremen Terror entgegenzustellen, in der Massenmobilisierung der Arbeiter:innenklasse besteht.
Aber es gibt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit. Die Unruhen waren offen rassistisch und gewalttätig. In einigen Fällen kam es fast zu Pogromen, bei denen Moscheen angegriffen und Hotels mit Menschen darin in Brand gesetzt wurden. Vielerorts konnte nur die Anwesenheit von Antifaschist:innen schwere Verletzungen oder Schlimmeres verhindern.
Abseits der Krawalle wurden Muslim:innen und People of Color auf der Straße von Rassist:innen angegriffen. Hindutempel wurden mit islamfeindlichen Graffiti beschmiert. Busfahrer:innen wurden bespuckt und als „terroristischer Abschaum“ bezeichnet. Frauen wurden die Hidschabs heruntergerissen und im Internet Vergewaltigungs- und Todesdrohungen ausgesprochen.
Die falsche Behauptung, ein muslimischer Flüchtling habe die Morde in Southport begangen, mag die Unruhen ausgelöst haben, aber dieser Ausbruch von rassistischem Terror soll alle Migrant:innen einschüchtern – nicht nur Muslim:innen, Flüchtlinge oder Menschen nicht-weißer Hautfarbe. Er wurde genährt durch die jahrzehntelange Regierungspolitik, die Muslim:innen als terroristische „innere Feind:innen“ dämonisiert, den Windrush-Skandal, die Kriminalisierung von Flüchtlingen und die rassistischen Kampagnen der Medien und Politiker:innen, die behaupten, Großbritannien werde von einem „Schwarm“ (David Cameron), „Kakerlaken“ (The Sun) himgesucht und „besetzt“ (Suella Braverman). Cameron und Braverman sind ehemalige Regierungsmitglieder.
All dies wurde von der Brexitkampagne zu einer giftigen Kombination destilliert, die versprach, der Austritt aus der EU würde bedeuten, dass wir „die Kontrolle über unsere Grenzen zurückgewinnen“ und „350 Millionen Pfund pro Woche für den Nationalen Gesundheitsdienst NHS ausgeben“ könnten. Die Unfähigkeit der Tories, ihre Versprechen zur Verringerung der Migration oder zur „Angleichung“ der Arbeiter:innenklasse zu erfüllen – beides läuft den Bedürfnissen der britischen Wirtschaft und den Profiten ihrer Bosse zuwider –, war ein wichtiger Faktor für die vier Millionen Stimmen, die Nigel Farages Reformpartei erhielt.
Es ist kein Zufall, dass die rassistischen Krawalle nur eine Woche nach einer Demonstration im Zentrum Londons ausbrachen, die von dem Faschisten und Reformanhänger Tommy Robinson organisiert worden war und an der Zehntausende teilnahmen. Während die Demonstration das parlamentarische Debüt einer offen fremdenfeindlichen, populistischen Partei markierte, stellen die Ausschreitungen den Versuch der faschistischen Mitläufer:innen von Reform dar, ihre Slogans in die Tat umzusetzen. Für sie ist der wahre Weg zur „Abschreckung von Flüchtlingen“ nicht Ruanda – es sind Messer, Benzin und Bomben.
Die Labour-Partei hat darauf mit einer Polizeirazzia reagiert, bei der mittlerweile über 1000 Personen verhaftet und die ersten Gefängnisstrafen verhängt wurden. Das mag die überfüllten Gefängnisse weiter bevölkern, wird aber nichts an der Unzufriedenheit der Bevölkerung ändern, die durch die rassistische Propaganda gegen die ausländischen Arbeitskräfte abgelenkt wird, die im NHS arbeiten und in Großbritanniens ausbeuterischen Callcentern, Lagerhäusern und im Gastgewerbe zu Niedriglöhnen schuften.
In dieser Hinsicht haben die Krawalle ihren Zweck bereits erfüllt. Trotz der symbolischen Anprangerung der „Kriminalität“ ist die Presse voll von Artikeln, in denen die Frage gestellt wird, ob es „legitim“ ist, sich über die Einwanderung Sorgen zu machen. Was sie nicht fragt, ist, warum sich die Beschwerden über die NHS-Krise gegen die relativ unbedeutenden Summen richten, die für die Unterbringung von Asylbewerber:innen ausgegeben werden, und nicht gegen den riesigen Reichtum, den die britischen Bosse horten.
Die historische und anhaltende Rolle Großbritanniens als eine der großen imperialen Mächte der Welt hat das Land zu einem der reichsten Länder und seine Arbeiter:innenklasse zu einer der vielfältigsten gemacht. Doch der Rassismus, der Asylbewerber:innen die Schuld an mangelnden Investitionen in öffentliche Dienste gibt, hat seinen Ursprung nicht in der Arbeiter:innenklasse. Er kommt von oben nach unten. Er ist Teil der Ideologie der britischen herrschenden Klasse, die ihre Wurzeln im Kolonialismus, in der Sklaverei und im Empire hat und die den Rassismus immer als Mittel zur Spaltung der Arbeiter:innenklasse gefördert hat.
Von den Ir:innen im 19. Jahrhundert über die osteuropäischen Juden und Jüdinnen an der Wende zum 20. Jahrhundert bis hin zu den schwarzen, asiatischen und polnischen Migrant:innen in den 1950er, 1970er und 2000er Jahren waren die Generationen von Arbeitsmigrant:innen, die britischen Städte aufgebaut und eine moderne multiethnische Arbeiter:innenklasse geschaffen haben, stets rassistischen Kampagnen der Presse und Parteien ausgesetzt, die denselben „Arbeitgeber:innen“ gehören, die sie ausbeuten.
Jahrzehntelange Deindustrialisierung, gefolgt von jahrelanger Austerität, die öffentliche Dienstleistungen, Wohnungen und Arbeitsplätze zerstört und Großbritannien mit den niedrigsten Renten und einer der höchsten Armutsraten in Europa zurückgelassen hat, haben fruchtbare Bedingungen geschaffen, die die extreme Rechte ausnutzen kann. Aber wie man so schön sagt: Die wahre Feind:innen der arbeitenden Menschen kommen nicht mit dem Boot, sondern mit dem Privatjet. Es sind nicht die Geflüchteten, die vor dem Krieg in Afghanistan fliehen, oder die Migrant:innen, die zu Sklav:innenlöhnen für die Pflege der älteren Menschen bezahlt werden, die für die Entscheidung der Labour-Partei verantwortlich sind, die Obergrenze für das Kindergeld beizubehalten oder den Rentner:innen das Winterheizungsgeld zu streichen.
Die Labour-Partei hat bereits die Versprechen der Tories aufgegriffen, „die Boote zu stoppen“ und die Einwanderung zu begrenzen. Abgeordnete in Sitzen, in denen die Stimmen der Labour-Partei von denen für Tory- und Reformpartei in der Summe übertroffen werden, werden versucht sein, migrationsfeindlichen Ideen nachzugeben. Aus diesem Grund hat sich Keir Starmer geweigert, den Rassismus der Randalierer:innen anzuprangern. Deshalb hat die Labour-Partei Ratsmitglieder und Abgeordnete in schändlicher Weise aufgefordert, nicht an antirassistischen Demonstrationen teilzunehmen. Das wird die Rechtsextremen nur ermutigen.
Wir müssen uns dem von der Tory-Presse geforderten harten Durchgreifen gegen Flüchtlinge und Migrant:innen widersetzen. Einwanderungskontrollen dienen der Segregation von Gemeinschaften und der Schaffung einer Zweiklassenbelegschaft, in der Migrant:innen leichter ausgebeutet werden können, weil sie fürchten, entlassen und zur Ausreise gezwungen zu werden.
Der beste Weg, das rechtsextreme Gift zu untergraben, ist zu zeigen, dass die Klasse und nicht die Ethnie die grundlegende Trennlinie in der Gesellschaft ist. Dazu müssen wir unsere Klassenorganisationen wieder aufbauen, die durch die jahrzehntelange Deindustrialisierung geschwächt wurden, die die proletarischen Wohnviertel zerstört hat, und durch gewerkschaftsfeindliche Gesetze, die uns daran hindern, Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen kollektiv zu verteidigen. Wir brauchen eine echte Einheitsfront gegen Rassismus und Faschismus. Das bedeutet, dass Gewerkschaften und Labour-Parteien ihre Gliederungen aktiv dazu ermutigen sollten, mit Transparenten und organisierten Ordner:innengruppen an Demonstrationen teilzunehmen. Ratsmitglieder und Abgeordnete sollten eingeladen werden, auf Demonstrationen zu sprechen, den rechtsextremen Terror anzuprangern und die Regierung aufzufordern, ihre einwanderungsfeindliche Politik aufzugeben.
Die unmittelbare Aufgabe besteht darin, die Selbstverteidigung von Migrant:innen und Arbeiter:innen zu organisieren. Aufrufe zu „friedlichen“ Protesten sind verständlich – aber fehlgeleitet. Wenn sie von der Linken wie Stand Up to Racism kommen, sind sie gefährlich falsch und drohen, unseren Widerstand zu entwaffnen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die institutionell rassistische Polizei uns beschützt. Massenversammlungen in Arbeiter:innenvierteln sollten Selbstverteidigungsausschüsse wählen, um die Gemeinden zu schützen und das Recht auf Protest zu verteidigen.
Die wirkliche Antwort auf das vom Kapitalismus verursachte Elend besteht darin, den riesigen Reichtum der Superreichen zu beschlagnahmen und ihn zu nutzen, um die Löhne und Renten zu erhöhen, den Wohnungsbau, die Schulen und das Sozialfürsorgesystem aufzubauen und in grüne Industrien zu investieren, die Hunderttausende von Arbeitsplätzen schaffen und die Gemeinden erneuern könnten.
Die ersten Wochen der Labour-Partei im Amt wurden von einem gewalttätigen Ausbruch rassistischen Terrors begleitet, anstatt die Arbeiter:innenklasse zu mobilisieren und ein Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen, Bildung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung vorzulegen, das unsere Gemeinden brauchen.
Ohne eine Massenmobilisierung der organisierten Arbeiter:innenklasse, die die wirklichen Feind:innen benennt und eine Antwort der Klasse aufzeigt, lassen wir den Weg offen dafür, dass die Unzufriedenheit der Bevölkerung von rechtsextremen Demagog:innen wie Nigel Farage und seinen faschistischen Vorreiter:innen in Pogrome und Aufstände umgelenkt wird, die die Arbeiter:innenklasse auseinanderreißen und unsere Fähigkeit untergraben, für unsere wirklichen Interessen zu kämpfen.
Die antirassistischen Mobilisierungen zeigen, dass die Unterstützung für eine solche Kampagne vorhanden ist. Aber sie muss organisiert werden.