Arbeiter:innenmacht

Zwischen Hammer und Amboss – Gewerkschaftsbürokratie unter Druck

Jan Hektik, Infomail 1220, 20. April 2023

Die Schlichtungsempfehlung ist öffentlich und die Verhandlungen werden am 22. April geführt werden, um das Angebot zu besprechen. In einem scheinbar neuen Trend gibt es bundesweit diverse Treffen der ver.di-Mitgliedschaft, welche diskutieren, wie die Stimmung ist und welche Punkte sie der Bundestarifkommission (BTK) mitgeben wollen. Dabei hat es die Bürokratie auch nicht einfach …

Nach eisenharten Verhandlungen mit den sog. Arbeitgeber:innen, in denen man wenig gefordert und noch weniger bekommen hat, muss man sich nun der eigenen Mitgliedschaft stellen. Und diese teilt hart aus. Sowohl in Berlin als auch in Bonn wird weniger debattiert, wie man aus der Empfehlung ein Angebot rausholen kann, sondern ob man auf Grundlage der Schlichtungsempfehlung überhaupt eine Verhandlungsbasis hat oder nicht gleich die Verhandlungen für gescheitert erklären soll.

Treffen in Berlin und Bonn

Auf dem Treffen in Berlin, wo sich am 17. April etwa 100 Beschäftigte, größtenteils Teamdelegierte, u. a. aus den Vivantes-Kliniken, dem jüdischen Krankenhaus, der Charité, den Wasserwerken, der BSR und den Studierendenwerken versammelt hatten, wurden gleich mehrere Resolutionen vorgestellt, welche mehr oder weniger stark dafür eintreten, die Verhandlungen direkt als gescheitert zu erklären und eine Urabstimmung einzuleiten.

Insbesondere kritisiert wurde die lange Laufzeit, die mangelnde Einzahlung in die Sozialsysteme durch die Einmalzahlung und das Außer-Acht-lassen der hohen Inflation. Insbesondere die Tatsache, dass die versprochene Inflationsausgleichsprämie für 2022 nun für 2023 gelten und dafür eine Nullrunde in 2023 gefahren werden soll, stieß auf große Empörung. Auf der Veranstaltung in Bonn am 18. April mit knapp 40 Teilnehmer:innen unter anderem aus Stadtreinigung und Verwaltung sah es nicht großartig anders aus.

In beiden Fällen versuchten die Vortragenden immer wieder, darauf abzustellen, dass dies ja noch nicht das Angebot sei, die Dienstherr:innen schon zu diesem kaum bereit gewesen seien. In Berlin verwiesen sie auf eine mögliche Verschlechterung durch Arbeitskampf wie 1992. Doch es fruchtete wenig. Zwar gab es auf beiden Veranstaltungen Stimmen, die befürchten, man könne noch schlechter dastehen und nicht genügend Streikstärke aufbringen, bzw. argumentierten, man habe mit der Ausgleichsprämie wegen der Steuerfreiheit 2023 mehr in der Tasche. Doch die überwiegende Mehrheit auf den Versammlungen möchte in den Streik treten, wenn nicht ein wesentlich besseres Angebot am Samstag präsentiert wird.

Ein Teil am liebsten direkt. Insbesondere die Pflege, die Tochtergesellschaften von Vivantes und die Studierendenwerke erklärten, dass sie ein Angebot auf Grundlage dieser Empfehlung ihren Kolleg:innen gar nicht präsentieren könnten.

Um solchen Veranstaltungen auszuweichen, soll in München erst gar keine Mitgliederversammlung stattfinden. Alles in allem entwickelt sich nach dem Verrat bei der Post ein kritischer Trend unter den Mitgliedern. Am 20. April wird es für Berlin noch ein Treffen geben, auf welchem Resolutionen eingebracht werden können. Dort gilt es, den Druck auf die Bürokratie weiter aufrechtzuerhalten und auch Beschlüsse durchzusetzen. Es ist wichtig, so öffentlich wie möglich klarzumachen, dass die Mehrheit der Beschäftigten streikbereit ist und sich nicht so einfach abspeisen lässt. Nur so können wir die Bürokratie zwingen, von ihrer Hinhaltetaktik abzurücken oder sich als die Kollaborateurin mit dem Kapital zu entlarven, die sie in Wahrheit ist. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses, hat die Verhandlung noch nicht stattgefunden und es bleibt abzuwarten, ob es die Bürokratie schafft, ein Angebot mit dem „Arbeitgeber:innenamboss“ auszuhandeln, welches den Schlag des Hammers der Mitgliedschaft dämpft. So oder so bleibt uns keine Wahl, als den Kampf weiterzuführen – sei es bei einem Streik, falls es keinen Abschluss gibt, sei es beim Aufbau einer organisierten Basisopposition gegen den Apparat.

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